Inter-α-Trypsin Inhibitor
Synonyme: IαI, Inter-alpha-Inhibitor, Inter-alpha-trypsin Inhibitor-Komplex
Definition
Der Inter-α-Trypsin-Inhibitor, kurz ITI oder IαI, ist ein Plasmaprotein-Komplex, der aus mehreren Glykoproteinen besteht. Er wird überwiegend in der Leber gebildet und ist durch seine proteasehemmenden sowie matrixstabilisierenden Eigenschaften u.a. an Entzündungsprozessen und der Stabilisierung der extrazellulären Matrix beteiligt.
Genetik
Das AMBP-Gen (Genlokus 9q32–q33) kodiert für das gemeinsame Vorläuferprotein von α1-Mikroglobulin und Bikunin, das nach der Spaltung die Leichtkette des Inter-α-Trypsin-Inhibitors bildet. Die schweren Ketten (heavy chains, HC) werden durch verschiedene Gene der ITIH-Familie kodiert: ITIH1 und ITIH3 auf Chromosom 3p21.1, ITIH2 und ITIH5 auf Chromosom 10p15. Diese Genprodukte kombinieren sich in unterschiedlichen Zusammensetzungen zu funktionellen IαI-Komplexen, deren Expression gewebespezifisch reguliert ist.
Biochemie
Der ITI-Komplex besteht aus
- einer leichten Kette (Bikunin, Molekulargewicht ca. 20 kDa)
- zwei bis drei schweren Ketten (HC1–HC3 bzw. HC5)
Bevor das α1-Mikroglobulin/Bikunin-Vorläuferprotein gespalten wird, wird auf den Bikunin-Proteinkern eine Chondroitinsulfatkette an der Stelle Serin-10 übertragen.
Das Enzym Furin spaltet eine C-terminale Prodomäne von den schweren Ketten, die dann mit ihrem C-terminalen Asparaginsäurerest an die Chondroitinsulfatkette über eine Esterbindung kovalent gebunden werden. Nach der Abspaltung von α1-Mikroglobulin entsteht so der reife ITI-Komplex.
Diese kovalente Kopplung über Chondroitinsulfat erlaubt die Bildung verschiedener Multimerformen, deren Zusammensetzung gewebespezifisch variiert und die als Reservoir für die Übertragung der schweren Ketten (HCs) auf Hyaluronan dienen. Da die C-terminale Schnittstelle bei HC4 fehlt, kann es nicht kovalent am Chondroitinsulfat gebunden werden.
Funktion
Die wichtigste Aufgabe des ITI ist die Bildung von Hyaluronan-Protein-Komplexen (HA-HC). Dabei werden die schweren Ketten des ITI mithilfe des Enzyms TSG-6 (Tumor necrosis factor-inducible gene 6 protein) auf Hyaluronan (HA) übertragen. Diese Reaktion stabilisiert die extrazelluläre Matrix und spielt eine zentrale Rolle bei Entzündungsreaktionen, Wundheilung und der Ovulation. Die entstehenden HA-HC-Komplexe wirken zudem antiinflammatorisch, indem sie z.B. Makrophagen in den entzündungshemmenden M2-Phänotyp überführen.
ITI interagieren mit verschiedenen Matrixproteinen wie Fibrinogen, Fibronectin und Vitronectin. Dadurch werden Zelladhäsion, Migration und Geweberegeneration unterstützt. Zusätzlich hemmt ITI die Aktivierung von neutrophilen Granulozyten, die Komplementkaskade und bestimmten Proteasen (z.B. Plasmin).
Klinische Bedeutung
Veränderte ITI-Spiegel sind in verschiedenen Krankheitszuständen nachweisbar und können als Biomarker dienen. Bei Sepsis oder systemischer Entzündungsreaktion (SIRS) sind die ITI-Konzentrationen im Serum häufig erniedrigt und korrelieren mit einer höheren Mortalität, was auf eine mögliche protektive Funktion hinweist.
In der Onkologie wird eine veränderte Expression einzelner ITI-Gene mit Tumorprogression, Metastasierung und veränderter Zelladhäsion in Verbindung gebracht. Auch bei Lebererkrankungen kann ein verminderter ITI-Spiegel auf eine eingeschränkte Syntheseleistung der Leber hinweisen.
In der Reproduktionsmedizin spielt ITI eine zentrale Rolle bei der Bildung des Cumulus-oocyte-Komplexes, der für die Befruchtung entscheidend ist.
Darüber hinaus wird ITI zunehmend als therapeutischer Ansatz diskutiert – etwa zur Modulation von Entzündungsreaktionen oder zur Unterstützung von Stammzellkulturen durch Bereitstellung einer definierten Matrixumgebung.
Quellen
- Hamm A, Veeck J, Bektas N, Wild PJ, Hartmann A, Heindrichs U, Kristiansen G, Werbowetski-Ogilvie T, Del Maestro R, Knuechel R, Dahl E. Frequent expression loss of Inter-alpha-trypsin inhibitor heavy chain (ITIH) genes in multiple human solid tumors: a systematic expression analysis. BMC Cancer. 2008 Jan
- Lord MS, Melrose J, Day AJ, Whitelock JM. The Inter-α-Trypsin Inhibitor Family: Versatile Molecules in Biology and Pathology. J Histochem Cytochem. 2020 Dec
- Lee S, Park J, Cho S, Kim EJ, Oh S, Lee Y, Park S, Kang K, Shin DH, Ko SY, Kurie JM, Ahn YH. Hyaluronan network remodeling by ZEB1 and ITIH2 enhances the motility and invasiveness of cancer cells. J Clin Invest. 2025 Apr