Hirntod
Synonyme: Individualtod, irreversibler Hirnfunktionsaufall
Englisch: brain death
Definition
Der Hirntod ist ein Kriterium für den Tod des Menschen. Die Feststellung des Hirntodes ist im Rahmen von Organspende und Transplantation ein sehr wichtiges Ereignis und Voraussetzung für das Stattfinden der Explantation eines Spenderorgans.
Hintergrund
Der Hirntod wird auch als Individualtod bezeichnet. Er markiert den Übergang des Sterbevorgangs in das Stadium des intermediären Lebens (Supravitalphase), in der die einzelnen Zellen nacheinander absterben. Mit dem Tod der letzen Körperzelle endet das intermediäre Leben und man spricht vom biologischen Tod.
Rechtliche Grundlagen
Paragraph 3, Absatz 2 des Transplantationsgesetzes besagt:
"(2) Die Entnahme von Organen ist unzulässig, wenn
- die Person, deren Tod festgestellt ist, der Organentnahme widersprochen hatte,
- nicht vor der Entnahme bei dem Organspender der endgültige, nicht behebbare Ausfall der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms nach Verfahrensregeln, die dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft entsprechen, festgestellt ist.
Ursachen
- Primäre Hirnschädigung (Schädelhirntrauma, raumfordernder Hirninfarkt, zerebrale Massenblutung)
- Sekundäre Hirnschädigung (Hypoxisch-ischämischer Hirnschaden nach Kreislaufstillstand)
Feststellung
Voraussetzungen
Die Feststellung des Hirntodes muss von 2 verschiedenen Ärzten unabhängig voneinander erfolgen. Die feststellenden Ärzte dürfen nicht selbst an Transplantationen teilnehmen. Sie müssen eine mehrjährige Erfahrung in der Intensivbehandlung von Patienten mit akuten schweren Hirnschädigungen sowie eine Facharztanerkennung vorweisen. Ein Facharzt muss dabei Facharzt für Neurologie oder Neurochirurgie sein. Bei Kindern bis zum 14. Lebensjahr muss darüber hinaus mindestens ein Arzt die Weiterbildung zum Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin abgeschlossen haben.
Klinische Zeichen
Bei der Hirntodfeststellung zu prüfende klinische Zeichen sind:[1][2]
- Koma
- Ausfall der Spontanatmung im Apnoe-Test
- Fehlende Hirnstammreflexe
- lichtstarre, mittelweite bis weite Pupillen
- Ausfall des VOR im Puppenkopfphänomen
- Ausfall des Kornealreflexes
- Ausfall von pharyngealen und trachealen Reflexen (z.B. Hustenreflex beim endotrachealen Absaugen)
- Ausfall von Schmerzreizreaktionen, insbesondere bei Trigeminusreizung (trigeminale Schmerzreize erzeugen selbst bei tief komatösen Patienten Myoklonien)
Diagnostik
Der Hirntod stellt eine primär klinische Diagnose dar, wobei zusätzlich verschiedene apparative Untersuchungen bei der Feststellung Anwendung finden. Beispielsweise zeigt sich ein 0-Linien-EEG. In der transkraniellen Dopplersonographie kann ein zerebraler Kreislaufstillstand festgestellt werden:
- reflektierende bzw. oszillierende Strömung in den Ästen der Arteria cerebri media (ACM)
- Verlust oder Umkehr des diastolischen Flusses in der ACM oder Arteria carotis interna (ACI)
- niedrige Beschleunigungszeit in der ACM
Computertomographie
In der Computertomographie (CT) zeigt sich ein diffuses schweres Hirnödem mit nicht mehr erkennbaren Sulci und basalen Zisternen. Die graue Substanz erscheint iso- bis hypodens im Vergleich zur weißen Substanz ("Reversal Sign"). Die Dichte der subkortikalen Kerne und des Hirnstamms kann anfänglich erhalten bleiben. Im Verlauf stellen sich jedoch alle supratentoriellen Strukturen einheitlich hypodens dar. Im Gegensatz dazu weißt das Kleinhirn eine normale Dichte auf ("White Cerebellum Sign"). Bei sehr niedriger Dichte des Gehirns erscheinen die basalen Zisternen und die Sulci aufgrund der venösen Stauung vergleichsweise hyperdens (Pseudo-Subarachnoidalblutung). Die Dichte der Pseudo-SAB ist mit 30 bis 40 HU jedoch niedriger als bei einer echten SAB (50 bis 60 HU).
Magnetresonanztomographie
In der Magnetresonanztomographie (MRT) fällt in der T1w-Sequenz oft eine vollständige zentrale deszendierende transtentorielle Herniation auf. Die Hemisphären erscheinen geschwollen und hypointens mit fehlender Mark-Rinden-Differenzierbarkeit. Die T2w-Sequenz zeigt geschwollene Gyri mit hyperintensem Kortex sowie ein fehlendes Flow Void. In der DWI findet sich typischerweise eine Diffusionsrestriktion der Großhirnrinde sowie der weißen Substanz.
Angiographie
Die CT-Angiographie (CTA) oder digitale Subtraktionsangiographie (DSA) erbringen den Nachweis einer fehlenden Hirnperfusion: In der DSA verbleibt das Kontrastmittel in der ACI. In den meisten Fällen fehlt ein intrakranieller Fluss, wobei eine Verdichtung der proximalen intrakraniellen Arterien in 30 % d.F. vorkommt. In der CTA erscheint kein Kontrastmittel in den kortikalen Segmenten der Arteria cerebri media und in den inneren Venen.
Nuklearmedizin
In der Technetium-99m-Szintigraphie findet sich eine Aufnahme in der Kopfhaut und nicht im Gehirn ("Light Bulb Sign") sowie eine erhöhte extrakranielle Aktivität ("Hot Nose Sign").
Differentialdiagnosen
Die feststellenden Ärzte müssen andere Gründe, die einen Hirntod vortäuschen können, ausschliessen. Dazu zählen unter anderem:
- Hypothermie
- Intoxikation (z.B. mit Barbituraten)
- Muskelrelaxation
- metabolisches Koma (z.B. bei Azidose)
- Status epilepticus
Dokumentation
Die Befunde, die zur Feststellung des Hirntodes führen müssen im Hirntodprotokoll standardisiert aufgezeichnet werden. Bei Patienten unter 3 Jahren und bei unbekannter Ursache eines Komas gelten zur Feststellung des Hirntodes modifizierte Kriterien.
Einzelnachweise
- ↑ Bein et al., Hirntodbestimmung und Betreuung des Organspenders: Eine Herausforderung für die Intensivmedizin. Deutsches Ärzteblatt, 2005.
- ↑ Vorstand der Bundesärztekammer, Richtlinie gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 TPG für die Regeln zur Feststellung des Todes nach § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 TPG und die Verfahrensregeln zur Feststellung des endgültigen, nicht behebbaren Ausfalls der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 TPG, Fünfte Fortschreibung. Deutsches Ärzteblatt, 2022.
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