Deszendierende transtentorielle Herniation
Synonyme: absteigende transtentorielle Herniation, deszendierende transtentorielle Einklemmung, absteigende transtentorielle Einklemmung
Englisch: subfalcine herniation, cingulate hernia, midline shift
Definition
Bei der deszendierenden transtentoriellen Herniation, kurz DTH, verschieben sich supratentorielle Hirnanteile durch die Incisura tentorii nach inferior. Es handelt sich um die zweithäufigste Form der zerebralen Einklemmung.
Einteilung
Eine DTH kann unilateral oder bilateral auftreten. Je nach betroffenen Hirnabschnitten unterscheidet man folgende Formen, die jedoch auch gemeinsam auftreten können:
Laterale DTH
Eine DTH entsteht meist durch eine unilaterale Raumforderung, die initial zu einer subfalzinen Herniation führt. Mit zunehmender raumfordernder Wirkung verschiebt sich der Uncus gyri parahippocampalis nach medial in Richtung der Cisterna chiasmatica. Anschließend folgen die posteromedialen Anteile des Temporallappens, also der posteriore Gyrus parahippocampalis und der anteriore Gyrus lingualis in Richtung der Cisterna quadrigeminalis. In Folge wird das Mesencephalon auf die gegenüberliegende Seite der Incisura tentorii verdrängt.
Zentrale DTH
Bei der zentralen DTH führt eine symmetrische oder selten eine ausgeprägte unilaterale supratentorielle Raumforderung dazu, dass der Hypothalamus und das Chiasma opticum gegen die Schädelbasis gedrückt werden, alle basalen Zisternen obliteriert sind sowie die gesamte Incisura tentorii vollständig ausgefüllt ist.
Schließlich wird das Mesencephalon nach medial komprimiert und durch die Incisura tentorii nach unten verdrängt, wodurch der Pons ebenfalls nach inferior verlagert wird. Der Pons-Mittelhirn-Winkel verringert sich von ca. 90° auf fast 0°. Man spricht hier von einer vollständigen zentralen DTH.
Bei der terminalen zentralen DTH drückt der Pons die Kleinhirntonsillen nach inferior durch das Foramen magnum.
Komplikationen
Bereits leichte DTH haben häufig eine Kompression und Parese des Nervus oculomotorius zur Folge. Weiterhin kann der hernierte Temporallappen die Arteria cerebri posterior (PCA) komprimieren, sodass sich ein Posteriorinfarkt des Okzipitallappens entwickeln kann. Bei der Verlagerung des Mesencephalons stößt der kontralaterale Pedunculus cerebri gegen die harte Kante des Tentoriums, sodass die sogenannte Kernohan-Kerbe entsteht. Die druckbedingte Ischämie hat eine ipsilaterale Hemiplegie zur Folge. Eine schwere DTH kann eine Drucknekrose des Uncus und Hippocampus bedingen.
Bei der Verlegung des Pons-Mittelhirn-Winkels werden perforierende Arterien aus der Arteria basilaris komprimiert, sodass ein sekundärer hämorrhagischer Mittelhirninfarkt (Duret-Blutung) entsteht. Eine vollständige bilaterale DTH komprimiert die perforierenden Arterien aus dem Circulus arteriosus Willisii gegen die Schädelbasis und führt zu Infarkten im Hypothalamus und den Basalganglien. Der Circulus vitiosus mit weiter zunehmenden Hirnödem und Hirndruck führt über eine reduzierte Hirnperfusion zum Hirntod.
Diagnostik
Eine DTH wird mittels Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT) diagnostiziert.