Imerslund-Gräsbeck-Syndrom
nach Olga Imerslund (1907-1987), norwegische Kinderärztin und Ralpha Gräsbeck (1930-2016), finnländischer Laborarzt
Synonyme: IGS, Imerslund-Najman-Gräsbeck-Syndrom, Imerslund-Syndrom, autosomal rezessive megaloblastäre Anämie, MAG 1, selektive Vitamin-B12-Malabsorption mit Proteinurie, familiäre Megaloblasten-Anämie
Englisch: Imerslund-Graesbeck syndrome
Definition
Das Imerslund-Gräsbeck-Syndrom, auch IGS genannt, ist eine seltene Erbkrankheit, die durch eine Resorptionsstörung von Vitamin B12 im terminalen Ileum charakterisiert ist.
- ICD10-Code: D51.1
Epidemiologie
Das Imerslund-Gräsbeck-Syndrom ist eine seltene Erkrankung. Die Prävalenz beträgt etwa 1:200.000.
Ursache
Das IGS wird autosomal-rezessiv vererbt. Ursächlich für die Erkrankung können zwei unterschiedliche Mutationen sein. Zum einen eine Mutation im Cubilin-Gen (CUBN) an Genlokus 10p13, zum anderen eine Mutation im Amnionless-Gen (AMN) an Genlokus 12q32. Im Normalfall codieren beide Gene für Rezeptorproteine, die den sogenannten Cubam-Rezeptor bilden. Er spielt im terminalen Ileum eine wichtige Rolle bei der Aufnahme von Cobalamin, das an den Intrinsic Factor gebunden ist. Ist die Rezeptorfunktion gestört, kann kein Cobalamin ins Blut aufgenommen werden - dieses spielt jedoch eine wichtige Rolle in der DNA-Replikation von hämatopoetischen Zellen. Weiterhin haben diese Rezeptorproteine in den Nierentubuli die Aufgabe, Eiweiße aus dem Primärharn zurück zu resorbieren.
Klinik
Die ersten Symptome können vier Monate nach der Geburt oder in der Kindheit auftreten. Durch die verminderte Resorption von Eiweißen in den Nierentubuli kommt es oftmals zu einer Proteinurie. Zudem können sich typische Symptome eines Vitamin-B12-Mangels zeigen. Meist tritt eine megaloblastäre Anämie auf, die mit einer Fatigue, einer Blässe der Konjunktiven und einem milden Ikterus einhergehen kann. Es kann zu Wachstumsstörungen und einer Infektneigung kommen, beispielsweise wurden Glossitiden und Mundwinkelrhagaden beschrieben. Auch neurologische Störungen können auftreten. So kann es zu einer Tabes dorsalis, einer peripheren Neuropathie, einer zerebellären Ataxie und/oder einer Hirnatrophie kommen. In einigen wenigen Fällen wurden Fehlbildungen des Urogenitaltraktes, wie ein Ureter duplex oder Hufeisennieren beschrieben.
Diagnostik
Bei einer Blutbildkontrolle eines betroffenen Kindes fallen meist folgende Eigenschaften auf:
- Panzytopenie
- Erhöhtes MCV
- Erniedrigtes Hämoglobin
- Erniedrigter Vitamin-B12-Spiegel
- Erhöhtes Methylmalonyl-CoA
- Megaloblasten
Weiterhin zeigen die meisten Patienten eine unspezifische Proteinurie bei normaler Nierenfunktion und Nierenbiopsie.
Zur Sicherung der Diagnose kann zusätzlich eine molekulargenetische Untersuchung durchgeführt werden, in der die unterschiedlichen Mutationen nachgewiesen werden können.
Therapie
Das Imerslund-Gräsbeck-Syndrom wird bislang (2023) symptomatisch durch eine lebenslange intravenöse Substitution von Vitamin B12 behandelt. Trotz einer adäquaten Therapie persistiert die Proteinurie meist viele Jahre lang, ohne dabei mit einer Verschlechterung der Nierenfunktion einherzugehen.