Hantavirus
Synonym: Hanta-Virus
Englisch: hantavirus
Definition
Hantaviren sind teilweise humanpathogene Viren aus der Ordnung der Bunyavirales.
Geschichte
Die Bezeichnung Hanta geht auf den südkoreanischen Fluss Hantan zurück. Dort wurde während des Koreakrieges (1950) eine epidemische Infektion bei US-amerikanischen Soldaten erstmals dokumentiert. Erst 1977 konnte der Erreger, der hierfür verantwortlich war - das Hantaan-Virus - identifiziert werden. In der Folge konnten sukzessive immer mehr dem Hantaan-Virus verwandte Viren identifiziert werden, was zur Gründung der eigenständigen Familie Hantaviridae in der Ordnung der Bunyaviren führte.
Humanpathogene Arten
Bekannte humanpathogene Arten sind unter anderem:
- Dobrava-Belgrade-Virus (DOBV)
- Hantaan-Virus (HTNV)
- Puumala-Virus (PUUV)
- Seoul-Virus (SEOV)
- Sin-Nombre-Virus (SNV)
- Andes-Virus (ANDV)
Morphologie
Das Hantavirus Virion hat eine Größe von etwa 100 nm. Die Doppellipidschicht der Virushülle hat etwa eine Dicke von 5 nm und beinhaltet die Gn- und Gc-Proteine. Innerhalb der Hülle befindet sich das aus N-Protein aufgebaute Nukleokapsid, das zusammen mit dem Virusgenom helikale Strukturen bildet.
Hantaviren sind behüllte negative-sense RNA-Viren. Ihr Genom besteht aus drei einzelsträngigen RNA-Segmenten, die als S (small), M (medium), L (large) bezeichnet werden. Die S-RNA kodiert für das Nucleokapsid (N-Protein) während die M-RNA für ein Polyprotein kodiert welches cotranslational geschnitten wird und damit die Hüll-Glykoproteine Gn und Gc bereitstellt. Die L-RNA kodiert für das L-Protein, welches die Funktion einer RNA abhängigen Transkriptase/Replikase besitzt.
Vorkommen
Hantaviren kommen weltweit vor, sind jedoch auf Grund ihrer jeweiligen Reservoirwirte geographisch unterschiedlich verteilt. Insbesondere im asiatischen Raum sowie auf dem amerikanischen Kontinent sind Infektionen mit Hantaviren weit verbreitet.
In Deutschland kommen Hantaviren vor allem in regional abgegrenzten Endemiegebieten vor, wobei die Inzidenz mit der Populationsdichte und Durchseuchung der Nager im jeweiligen Gebiet korreliert. Hierbei sind vornehmlich ländliche Regionen betroffen (z.B. Schwäbische Alb, Odenwald, Bayrischer Wald), es wurden jedoch auch Ausbrüche in städtischen Räumen beobachtet.
Die jährlichen Infektionszahlen in Deutschland schwanken teilweise stark, die durchschnittliche jährliche Inzidenz lag zwischen 2010 und 2019 bei 1,3 Fällen/100.000 Einwohner. Mit mehr als 2.800 gemeldeten Fällen gehörten Hantavirosen im Jahr 2012 zu den am häufigsten aufgetretenen, meldepflichtigen Viruserkrankungen in Deutschland. In Deutschland sind Infektionen mit PUUV (im Süden und Westen) und einer Variante des DOBV, DOBV Typ Kurkino, (im Osten und Norden) vorherrschend. Bei Infektionen mit PUUV werden etwa alle 2 bis 3 Jahre regionale Ausbrüche beobachtet.
Übertragung
Hantaviren sind bei verschiedenen Nagetierarten endemisch, zum Beispiel bei Mäusen und Ratten. In Deutschland wurden vor allem die Rötelmaus (PUUV) und die Brandmaus (DOBV Typ Kurkino) als Wirte mit hoher Durchseuchung identifiziert. Die Viren treten bei den infizierten Tieren in diversen Körperflüssigkeiten (Blut, Speichel) und Ausscheidungen (Urin, Kot) auf. Menschen infizieren sich in der Regel nicht über den direkten Kontakt mit infizierten Tieren, sondern über die Inkorporation virushaltiger Ausscheidungen, da die Viren relativ umweltstabil sind. Mögliche Infektionswege sind z.B. das Einatmen kontaminierten Staubs oder der Verzehr verunreinigter Nahrungsmittel. Hantaviren können ferner durch Bisse infizierter Nager übertragen werden.
Die Übertragung von Mensch zu Mensch wurde bisher nur für eine südamerikanische Hantavirusspezies nachgewiesen, dem Andes-Virus. Neue Studien (stand 2021) belegen, dass auch die Übertragung über Haustiere möglich ist. So gab es Berichte von Infektionen über Ratten, die als Haustiere gehalten wurden. Auch eine Übertragung durch Vektoren (Mücken, Flöhe, Zecken) kann nicht ausgeschlossen werden.
Inkubationszeit
Die Inkubationszeit ist interindividuell unterschiedlich und u.a. vom Immunstatus des Wirts und der Menge der übertragenen Viren abhängig. Sie kann zwischen 5 und 60 Tagen betragen. In den meisten Fällen treten die ersten Symptome 2 bis 3 Wochen nach der Infektion auf.
Vermehrungszyklus
Das Virus bindet zunächst an Rezeptoren auf der Zellmembran und wird über Endozytose in Endosomen aufgenommen. Durch die pH-Wert-Änderung verschmilzt das Nukleokapsid mit der Endosomenmembran und entlässt das Virus ins Zytoplasma. Durch Assoziation mit dem sog. Endoplasmic Reticulum-Golgi Intermediate Compartment (ERGIC) werden diese Strukturen zu einer Art "Virusfabrik". Die Exozytose der fertigen Viren erfolgt aus dem Golgi-Apparat über sekretorische Vesikel zur Plasmamembran.
Klinik
Ein Großteil der Infektionen mit Hantaviren verläuft häufig asymptomatisch bzw. mit unspezifischen Symptomen, weshalb von einer hohen Dunkelziffer auszugehen ist. Die Krankheitsbilder variieren je nach verursachendem Serotyp.
Zu den Erkrankungen, die durch eine Hantavirus-Infektion hervorgerufen werden, zählen unter anderem das Hantavirus-induzierte kardiopulmonale Syndrom (HCPS, insbesondere in Nord- und Südamerika) und die Nephropathia epidemica mit ihrer schweren Verlaufsform, dem hämorrhargischen Fieber mit renalem Syndrom (HFRS, insbesondere in Asien und Europa).
Diagnostik
Da das klinische Bild oft nicht voll ausgeprägt ist und die Symptome unspezifisch sein können, steht die labormedizinische Diagnostik beim Verdacht auf eine Infektion mit Hantaviren im Vordergrund.
Labormedizin
Indirekter Erregernachweis
Die Diagnose einer Infektion mit Hantaviren wird in der Regel serologisch durch den Nachweis spezifischer IgM- und IgG-Antikörper (ELISA, Immunoblot, Immunfluoreszenz-Assay) gestellt. Hierbei werden Nukleokapsid-Proteine als diagnostische Antigene verwendet. In Europa muss dabei sowohl mit PUUV, als auch mit DOBV-Antigenen getestet werden.
IgG-Antikörper werden bei 80 bis 90% der Patienten innerhalb der ersten 5 Tage im Serum gefunden und persistieren wahrscheinlich lebenslang. IgM-Antikörper können noch bis zu 2 Jahre nach der Erkrankung nachgewiesen werden. Eine akute Infektion zeigt sich durch einen simultanen Anstieg von IgG und IgM oder einen signifikanten Titeranstieg von IgG.
Direkter Erregernachweis
Auch der direkte Erregernachweis mittels PCR kann in der frühen Erkrankungsphase erfolgversprechend sein. Es gilt jedoch zu beachten, dass die virämische Phase bei einer Infektion mit Hantaviren nur sehr kurz ist und ein isoliertes negatives PCR-Testergebnis daher die Infektion nicht ausschließt.
Der endgültige Nachweis und die definitive Typisierung des infizierenden Virusstammes erfolgt durch die RNA-Sequenzierung von Abschnitten des S- oder L-Segments des Virusgenoms.
Meldepflicht
Der direkte Virusnachweis und der indirekte Virusnachweis, soweit er auf eine akute Erkrankung schließen lässt, sind meldepflichtig nach §7 Infektionsschutzgesetz.
Prävention
Zur Zeit (2021) gibt es in Deutschland keinen zugelassenen Impfstoff gegen Hantaviren. An der Entwicklung eines Hantavirusimpfstoffs wird jedoch intensiv geforscht. In China sind mehrere Impfstoffe gegen die dort endemischen Viren verfügbar.
Literatur
- Laborlexikon.de; abgerufen am 17.03.2021
- RKI: Ratgeber Hantaviren (2020); abgerufen am 17.03.2021
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