Extrakorporale Stoßwellentherapie (Orthopädie)
Synonym: Stoßwellentherapie
Englisch: extracorporeal shockwave therapy
Definition
Die extrakorporale Stoßwellentherapie, kurz ESWT, ist eine nicht-invasive Therapiemethode, bei der Stoßwellen zur Behandlung von muskuloskelettalen Erkrankungen eingesetzt werden. Ursprünglich zur Nierensteinzertrümmerung entwickelt, findet sie auch in der Orthopädie Anwendung.
siehe auch: extrakorporale Stoßwellenlithotripsie (ESWL)
Physikalische Grundlagen
Unter der Bezeichnung "Stoßwelle" werden bei der ESWT zwei verschiedene Wellenarten zusammengefasst: die fokussierte Stoßwelle und die radiale Druckwelle.
Fokussierte Stoßwellen sind akustische Pulse, die durch einen steilen Druckanstieg innerhalb weniger Nanosekunden gekennzeichnet sind. Der erzeugte Druckimpuls wird, ähnlich wie bei Ultraschall, durch ein Kopplungsmedium übertragen, sodass die maximale Energie gezielt auf das pathologische Gewebe gerichtet wird. Die fokussierte Stoßwelle kann eine Eindringtiefe von bis zu 12,5 cm erreichen.
Radiale Druckwellen entstehen durch das Aneinanderprallen zweier fester Körper unter Druckluft, wodurch ein Teilchen auf 5–25 m/s beschleunigt wird. Die Energie wird radial von der Aufprallstelle in das umliegende Gewebe übertragen, wobei der Druckimpuls länger andauert (0,2–5 ms) und der Spitzendruck (0,1–1 MPa) im Vergleich zur fokussierten Stoßwelle geringer ist.
Die Stoßwellen werden entweder elektrohydraulisch, piezoelektrisch oder elektromagnetisch erzeugt:
- Elektrohydraulische Erzeugung: Die Stoßwelle entsteht durch die Verdampfung von Wasser nach der Aufladung einer Elektrode innerhalb eines von Wasser umgebenen Ellipsoids.
- Elektromagnetische Erzeugung: Der Mechanismus ähnelt einem Lautsprecher, bei dem durch das Entstehen elektromagnetischer Felder ein Druckimpuls erzeugt wird, der in das umgebende Medium geleitet wird.
- Piezoelektrische Erzeugung: Diese Methode erzeugt den kleinsten Fokus und nutzt piezoelektrische Elemente, um den Impuls zu formen.
Die abgegebene Energie bestimmt den therapeutischen Effekt, da bestimmte Wirkungen im Gewebe erst bei einer ausreichend hohen Energieflussdichte auftreten. Im orthopädischen Bereich liegen die üblichen Energieflussdichten bei unter 0,6 mJ pro Quadratmillimeter, was deutlich unter den Werten der urologischen Lithotripsie liegt.
Wirkmechanismus
Die genauen Wirkmechanismen der ESWT sind noch nicht vollständig geklärt. Die mechanische Energie wird in chemische Energie umgewandelt, was als Mechanotransduktion bezeichnet wird. Dies aktiviert zelluläre Signalwege und führt wahrscheinlich zur Proliferation, Migration und Differenzierung von Stammzellen, mesenchymalen Zellen und Immunzellen. Zu den wichtigsten Effekten gehören:
- Neovaskularisation: Die Bildung neuer Blutgefäße wird durch die Expression von VEGF (vascular endothelial growth factor) verstärkt, was die Durchblutung und Geweberegeneration fördert.
- Wund- und Knochenheilung: Die Bildung von BMP (bone morphogenetic protein) hat einen positiven Einfluss auf die Knochenbruchheilung.
- Schmerzlinderung: Die schmerzhemmende Wirkung könnte durch den Gate-Control-Mechanismus erklärt werden, bei dem die Reizung schnellleitender Aβ-Fasern zu einer Hemmung der langsam leitenden C-Fasern führt.
Indikationen
Die ESWT wird bei verschiedenen muskuloskelettalen Erkrankungen angewendet. Zu den etablierten Indikationen zählen unter anderem:
- Tendopathien der oberen Extremitäten: Tendinosis calcarea, radiale und ulnare Epicondylitis, Morbus Dupuytren
- Tendopathien der unteren Extremitäten: Trochanterschmerzsyndrom, Plantarfasziitis, Tendinopathie der Achillessehne, Patellaspitzensyndrom, Tibiakantensyndrom, Hamstring-Tendinopathie, Morbus Ledderhose
- Knorpel- und Knochenproblematiken: Arthrose, Osteochondrosis dissecans, Pseudoarthrose, Stressfraktur, aseptische Hüftkopfnekrose
- Myofasziale Schmerztherapie: Triggerpunktbehandlung
Nebenwirkungen
Während und nach der Behandlung können Nebenwirkungen wie Bluterguss, Rötung, Schmerz und Ödem auftreten.
Kontraindikationen
Die ESWT sollte bei Vorliegen von Koagulopathien, akuten Infektionen, während der Schwangerschaft sowie bei Epiphysenfugen, zerebralem Gewebe, Nerven, Lunge und malignen Tumoren nicht angewendet werden.
Literatur
- Lemhöfer C. Extrakorporale Stoßwellentherapie – eine Übersicht. Physikalische Medizin 2019; 29(05): 254 - 257
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