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Schienbeinkantensyndrom

(Weitergeleitet von Tibiakantensyndrom)

Synonyme: Shin-Splint-Syndrom, Tibiakantensyndrom
Englisch: shin splints, medial tibial stress syndrome (MTSS)

1. Definition

Als Schienbeinkantensyndrom oder Tibiakantensyndrom bezeichnet man eine Schmerzsymptomatik an der Tibiavorderkante, die vor allem nach sportlicher Aktivität (z.B. Joggen) auftritt. Dabei ist umstritten, ob es sich nur um eine funktionelle Störung oder ein eigenständiges Krankheitsbild handelt. Der Begriff wird zudem in der Literatur uneinheitlich verwendet.

2. Epidemiologie

Das Schienbeinkantensyndrom betrifft vor allem Läufer, Tänzer und Soldaten. Unter Läufern soll es einen Anteil von ungefähr 13 bis 17 % an allen laufbedingten Verletzungen haben.

3. Formen

Aufgrund der Schmerzlokalisation lassen sich 2 Formen des Schienbeinkantensyndroms unterscheiden:

  • Mediales Schienbeinkantensyndrom: Auch als Shin-Splint-Syndrom bezeichnet. Der Schmerz ist an den unteren 2/3 der inneren Schienbeinkante lokalisiert. Ursache ist wahrscheinlich eine Insertionstendopathie.
  • Laterales Schienbeinkantensyndrom: Der Schmerz ist an den oberen 2/3 der äußeren Schienbeinkante lokalisiert. Ursache ist wahrscheinlich eine Druckzunahme in der Loge des Musculus tibialis anterior.

4. Pathogenese

Die Pathogenese beider Formen des Schienbeinkantensyndroms ist nicht vollständig geklärt.

4.1. Mediales Schienbeinkantensyndrom

Auslösend für das mediale Schienbeinkantensyndrom scheint eine verstärkte Pronation im Sprunggelenk zu sein. Es wird vermutet, daß diese Hyperpronation auf eine relative Schwäche des Musculus tibialis posterior zurückzuführen ist. Er stellt den medialen Anteil des Zügelsystems der Pronation/Supination und dient damit der Stabilisierung des Fußes beim Auftreten und Abrollen.

Der Schmerz selbst wird wahrscheinlich von einer Überlastung der Sharpey-Fasern ausgelöst, welche die mediale Soleus-Faszie und den Musculus tibialis posterior über das Periost mit der Tibia verbinden.[1]

4.2. Laterales Schienbeinkantensyndrom

Beim lateralen Schienbeinkantensyndrom handelt es sich wahrscheinlich um die milde Verlaufsform eines funktionellen Kompartmentsyndroms, die durch eine Überlastung des Musculus tibialis anterior getriggert wird. Der Spitzen- und Mitteldruck in der Tibialoge nimmt unter Laufbelastung zu. Der kritische Logendruck für die Gewebedurchblutung liegt bei etwa 40 mmHg. Kapilläre Minderdurchblutung aufgrund eines angestiegenen Logendrucks verursacht ein interstitielles Ödem, das die Rückresorption des Bluts aus den Kapillaren behindert. Es entsteht eine begleitende Ischämie, die den Schmerz auslöst.

5. Symptome

Typisch sind während und nach der Belastung auftretende, dumpfe oder stechende, längs projizierte Schmerzen an der Schienbeinkante und eine ggf. ausgeprägte Druckschmerzhaftigkeit an der medialen Tibiakante oberhalb des Malleolus. Charakteristisch ist das schnelle Wiederaufflammen der Symptome nach Ruhe oder auch mehrtägiger Schonung.

6. Diagnostik

Bei der Anamnese wird nach dem Laufpensum, früherem Auftreten der Beschwerden und thromboembolischen Vorerkrankungen gefragt. Basis der Diagnostik ist die körperliche Untersuchung mit Inspektion und Palpation der Schienbeinkante sowie der Pulse. Eine funktionelle Prüfung mit wiederholtem Zehenstand kann den anamnestischen Verdacht weiter eingrenzen.

Die Bildgebung (Dopplersonografie) dient unter anderem zum Ausschluss von vaskulären Differentialdiagnosen. Weiterhin zeigen sich variable Stressverletzungen, die von einem Ödem, über eine Periostitis bis hin zu einer kortikalen Fraktur reichen können.

7. Differentialdiagnosen

8. Therapie

Die Therapie ist häufig unbefriedigend, Rezidive oder chronische Verläufe sind häufig.

Mit nachlassender Belastung klingen die Beschwerden im Allgemeinen ab, treten unter ähnlicher oder geringerer Belastung jedoch auch schnell wieder auf, oft auch nach Tagen oder Wochen der Schonung.

Die Symptomatik kann durch lokale Kühlung günstig beeinflusst werden. Ggf. können Laufschuhe mit Einlagen oder Orthesen die Symptomatik lindern. Erfolg bringt meist nur eine vorübergehende Meidung der meist stoßartigen Belastungsspitzen beim Laufen oder Gehen und konsequentes Kräftigungstraining mit längerer Haltedauer, bis die Strukturen auch den Belastungsspitzen standhalten.

9. Quellen

  1. Craig DI: Medial Tibial Stress Syndrome: Evidence-Based Prevention. Journal of Athletic Training 43(3), 316–318 (2008)
Fachgebiete: Sportmedizin

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