Gate-Control-Theorie
Synonym: Kontrollschrankentheorie
Englisch: gate control theory
Definition
Die Gate-Control-Theorie beschreibt einen Mechanismus, bei dem die Weiterleitung von Schmerzsignalen im Rückenmark durch inhibitorische Signale moduliert wird. Diese Hemmung wird durch nicht-nozizeptive Reize über Aβ-Fasern vermittelt, die auf Interneurone wirken und dadurch die Aktivität nozizeptiver C-Fasern und Aδ-Fasern blockieren.
Hintergrund
Die Gate-Control-Theorie wurde 1965 von Melzack und Wall postuliert und basiert auf der Idee, dass die Schmerzwahrnehmung über "Tor"-Zellen (engl. "gate") in der Substantia gelatinosa im Rückenmark gesteuert wird, die von konkurrierenden Signalen beeinflusst werden. Dabei gibt es zwei zentrale Mechanismen:
- Periphere Modulation: Dicke, myelinisierte Aβ-Fasern leiten mechanische Reize wie Berührung oder Vibration weiter. Diese Reize aktivieren inhibitorische Interneurone, die die Weiterleitung von Schmerzsignalen durch C-Fasern und Aδ-Fasern blockieren. Dies geschieht über die Freisetzung von GABA und Endorphinen.
- Zentrale Modulation: Über absteigende Bahnen aus dem Gehirn wird die Schmerzempfindung ebenfalls moduliert. Wichtige Neurotransmitter, wie Serotonin und Noradrenalin, hemmen die Schmerzübertragung auf spinaler Ebene, indem sie inhibitorische Interneurone aktivieren.
Klinische Relevanz
Die Gate-Control-Theorie hat große Bedeutung für die klinische Schmerztherapie, da sie die Grundlage für Verfahren wie die transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) und die Spinal Cord Stimulation (SCS) bildet. Diese Therapien nutzen elektrische Reize, um die Aβ-Fasern zu stimulieren, was zur Hemmung von Schmerzen führt. Die Theorie erklärt auch die schmerzlindernde Wirkung von mechanischen Reizen wie Reiben oder Druck auf eine schmerzende Stelle.
Kritik
Obwohl die Gate-Control-Theorie als Meilenstein in der Schmerzforschung gilt, haben spätere Untersuchungen gezeigt, dass die Schmerzverarbeitung komplexer ist als ursprünglich angenommen. Neuere Modelle beziehen die Rolle von Neuroplastizität und zentralen Mechanismen der Langzeitpotenzierung (LTP) mit ein. Trotz dieser Erweiterungen bleibt die Gate-Control-Theorie ein fundamentales Konzept für das Verständnis der Schmerzmodulation.
Literatur
- Schuh-Hofer et al., Gate-Control-Theorie als ideelle Grundlage für neurophysiologische Stimulationsverfahren. In: Claßen J, Schnitzler A, Hrsg. Interventionelle Neurophysiologie. 1. Auflage. Stuttgart: Thieme; 2013
- Cegla et al., Gate-Control-Theorie. In: Cegla T, Gottschalk A, Hrsg. Memorix AINS Schmerztherapie. 1. Auflage. Stuttgart: Thieme; 2008