Eventerationssyndrom
Englisch: mesenteric traction syndrome
Definition
Das Eventerationssyndrom ist eine Komplikation abdominalchirurgischer Operationen, bei der es infolge einer Verlagerung von Darmanteilen (Eventeration) zur Vasodilatation kommt.
Ätiologie
Ursächlich sind vornehmlich offenchirurgische Eingriffe mit Verlagerung von Dünn- und Dickdarmanteilen aus der Bauchhöhle heraus.[1][2][3] Nahezu alle Eingriffe mit einer Eventeration können das Syndrom auslösen, beschrieben wurde es beispielsweise bei Bauchaorteneingriffen, Gastrektomien oder Whipple-OPs. Die angegebenen Häufigkeiten variieren in der Literatur stark, es finden sich Angaben zwischen 46 und 90 % bei größeren laparotomischen Eingriffen. Bei minimalinvasiven Eingriffen ist das Syndrom seltener.[4]
Pathogenese
Die genauen Mechanismen sind bisher (2024) nicht geklärt. Angenommen wird eine Freisetzung von vasodilatativen Substanzen als Reaktion auf einen Zug am Mesenterium, auf taktile Reize oder auf Durchblutungsänderungen des Darmes.[1][3][5] Als mögliche Auslöser werden vermutet:[1][2][3][5]
- Histamin aus mesenterialen Mastzellen
- Prostacyclin
- 6-Keto-PGF1α
- Katecholaminen
- Renin
- ADH
In der Folge kommt es zur systemischen Vasodilatation. Auch im Pulmonalkreislauf kann es zur Gefäßdilatation kommen, was durch die Aufhebung des Euler-Liljestrand-Mechanismus zu einem Ventilations-Perfusions-Mismatch mit konsekutiver Hypoxämie führen kann.[3]
Klinik
Mit einer Latenz von ca. 10 Minuten zum Auslöser kommt es zu:[1][3]
- Gesichts-/Halserythem (Flush), warmer Haut
- Tachykardie, selten Bradykardie[5]
- Hypotonie
- Hyperzirkulation (ansteigendes HZV)
- Hypoxämie
Die Symptomatik hält etwa 20 bis 30 Minuten an.
Differentialdiagnosen
Differentialdiagnostisch ist vornehmlich an eine anaphylaktische Reaktion zu denken.
Therapie
Therapeutisch erfolgt eine Volumensubstitution und die Gabe von Noradrenalin oder Theodrenalin-Cafedrin.[1][3] Bei einer (seltenen) Bradykardie wird Atropin verabreicht.[5]
Prophylaxe
Als Prophylaxe ist die präoperative Verabreichung von COX-Inhibitoren (z.B. Diclofenac, Ibuprofen) möglich, was jedoch nur sehr selten praktisch umgesetzt wird.[5]
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 Schüttler, Biermann (Hrsg.), Der Narkosezwischenfall. 2. Auflage. Thieme Verlag Stutgart, 2010.
- ↑ 2,0 2,1 Busch, Heck, Fresenius (Hrsg.) Repetitorium Anästhesiologie. 9. Auflage, Springer Verlag, 2023. S. 491f.
- ↑ 3,0 3,1 3,2 3,3 3,4 3,5 Striebel (Hrsg.), Die Anästhesie. 4., vollständig überarbeitete Auflage. Thieme Verlag Stuttgart, 2019.
- ↑ Olsen et al., Mesenteric traction syndrome - Incidence, impact, and treatment: A systematic scoping review of the literature. Anaesthesia, Critical Care & Pain Medicine, 2023.
- ↑ 5,0 5,1 5,2 5,3 5,4 Brack, Kaspar, Welte. Emedpedia - Die Anästhesiologie, Anästhesie in der Viszeralchirurgie. Springer Verlag. Aufgerufen am 17.07.2024.
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