Durale arteriovenöse Fistel
Synonym: durale AV-Fistel
Englisch: dural arteriovenous fistula, dural arteriovenous shunt
Definition
Durale arteriovenöse Fisteln, kurz dAVF, sind erworbene, pathologische Kurzschlussverbindungen des arteriellen und venösen System auf Ebene der Hirnhäute.
Ätiopathogenese
Präsdisponierende Faktoren für AV-Fisteln sind:
Klinik
Je nach Lokalisation, Shuntvolumen und Drainagemuster der DAVF kann die Klinik von asymptomatischen Verläufen, über milde Symptome bis hin zu schweren neurologischen Defiziten reichen. Auftreten können:
- Starke Kopfschmerzen
- Pulssynchroner Tinnitus und Ohrgeräusche: objektivierbar durch Auflegen eines Stethoskops
- Neurologische Ausfälle
- fokale motorische Defizite
- Hirnnervenausfälle
- Muskelschwäche mit Um- oder Einknicken der Beine
- Gefühlsstörungen mit Taubheitsgefühl und verändertem Temperaturempfinden
- Augendruckerhöhung
- Rötung und Schwellung der Bindehaut (Chemosis) durch Rückstau in den venösen Schenkel
Diagnostik
Die Diagnose wird durch die Bildgebung gesichert.
- Computertomografie (CT): Zum Ausschluss einer Blutung bei akut neurologischer Symptomatik.
- Magnetresonanztomografie (MRT): Die durale AV-Fistel kann in einer T2-gewichteten MRT-Sequenz oft nur sehr diskret als Erweiterung der Gefäße dargestellt werden. Zur Diagnosestellung eignet sich eine MR-Angiographie ohne Kontrastmittelgabe. Die Füllung eines Hirnsinus erfolgt außerhalb der normalen Phase. Man spricht von einem arterialisierten Sinus.
- Digitale Subtraktionsangiographie (DSA): Bei klinisch eindeutigem Verdacht und negativem CT und MRT.
Klassifikation
Durale AV-Fisteln werden meist nach Cognard oder Borden (beide 1995) klassifiziert. Beide Einteilungen beschreiben die Form der venösen Drainage. Diese bestimmt entscheidend das Blutungsrisiko.
...nach Borden
Typ | Drainageverhältnisse |
---|---|
I | Drainage direkt in duralen Sinus oder meningeale Venen mit anterogradem Fluss |
II | anterograde Drainage in duralen Sinus mit teils retrogradem Fluss in kortikale Venen |
III | direkte retrograde Drainage in kortikale Venen ohne Beteiligung duraler Sinus oder meningealer Venen |
...nach Cognard
Typ | Drainageverhältnisse |
---|---|
I | normaler anterograder Fluss in duralen Sinus |
II | a) retrograder Fluss in Sinus b) retrograder Fluss in kortikale Venen c) retrograde Drainage in Sinus und kortikale Venen |
III | Direkte Drainage in kortikale Venen mit retrogradem Fluss ohne venöse Ektasie |
IV | Direkte Drainage in kortikale Venen mit venöser Ektasie > 5 mm und 3-mal größer als drainierende Vene |
V | Direkte Drainage in spinale perimedulläre Venen |
Sonderformen
Eine Sonderform der duralen AVF ist die Carotis-Sinus-cavernosus-Fistel (CCF). Sie äußert sich durch typische Symptome bestehend aus: Kopfschmerzen im Stirnbereich, Doppelbildern, pulssynchronem Ohrgeräusch, sowie Exophthalmus mit Chemosis der Konjunktiven.
Die CCF wird nach Barrow klassifiziert:
Typ | Drainageverhältnisse |
---|---|
A | direkte Drainage der Arteria carotis interna (ACI) zum Sinus cavernosus |
B | Drainage über meningeale Äste aus der ACI zum Sinus cavernosus |
C | Drainage über meningeale Äste aus der Arteria carotis externa (ACE) zum Sinus cavernosus |
D | Drainage über meningeale Äste aus ACI und ACE zum Sinus cavernosus |
Therapie
Die Therapie richtet sich nach der Lokalisation und Schwere der Zirkulationsstörung. Ziel der Therapie ist die vollständige Entfernung der duralen AV-Fistel oder ihr Downgrading in ein klinisch günstigeres Stadium.
...konservativ
Benigne DAVF ohne retrograden Fluss in kortikale Venen können auch konservativ behandelt werden. Manchmal kann die extrakorporale Kompression z.B. der Okzipitalarterie zu einem Verschluss führen. Auch spontane Fistelokklusionen wurden beschrieben, sind aber selten.
...endovaskulär
Das primäre Therapieverfahren bei DAVF ist die endovaskuläre Embolisation, z.B. mit Gewebekleber. Durch Sondierung der fistelversorgenden Arterie können kleine Verbindungen durch Einbringen eines Mikrokatheters aufgesucht und durch Gewebekleber verschlossen werden. Auch die Sondierung über das venöse System mit anschließender Einbringung von Platincoils ist möglich.
...offen chirurgisch
Eine weitere Möglichkeit ist der operative neurochirurgische Verschluss der Fistel. Zunächst erfolgt dabei die exakte Identifikation des Fistelpunktes und anschließend die Ausschaltung derselben durch Koagulation und Durchtrennung oder mittels Clip.
...radiochirurgisch
Liegt die DAVF in einer inoperablen Lokalisation und ist eine kurative Embolisation nicht möglich, besteht die Option einer stereotaktischen Bestrahlung der Läsion mittels Linearbeschleuniger oder Gamma-Knife.
Literatur
- Deutsche Gesellschaft für Neurologie: Zerebrale Gefäßmalformationen, abgerufen am 06.02.2021
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