Kauda-Syndrom
Synonyme: Cauda-Syndrom, Cauda-Equina-Syndrom, Kaudasyndrom
Englisch: cauda equina syndrome
Definition
Das Kauda-Syndrom ist ein Wurzelsyndrom auf Höhe der Cauda equina. Dabei kommt es zu einer Schädigung von Fasern der Rückenmarkssegmente von L4 bis S3, die unterhalb des Conus medullaris verlaufen.
Einteilung
Abhängig von der Läsionshöhe kann zwischen hohem und tiefem Kauda-Syndrom unterschieden werden.
Epidemiologie
Das Kauda-Syndrom ist ein seltenes Syndrom. Die Epidemiologie ist wenig untersucht, vorhandene Literatur beziffert die jährliche Inzidenz auf etwa 0,3 bis 0,5 Fälle pro 100.000 Einwohner.[1][2] Der Altersgipfel liegt zwischen 40 und 50 Jahren, Männer sind häufiger betroffen.[2]
Ätiopathogenese
Von einem Kauda-Syndrom spricht man bei einer isolierten Läsion unterhalb des Rückenmarkskonus, d.h. unterhalb des 2. Lendenwirbelkörpers. Betroffen sind somit meist nur die Cauda equina auf Höhe des 3. LWK und, je nach Läsionshöhe, zusätzlich die Wurzeln von L4 bis S3. Je tiefer die Läsion liegt, desto weniger Nervenwurzeln sind geschädigt, da diese den Spinalkanal sukzessiv durch die Foramina intervertebralia verlassen.
Die häufigste Ursache eines Kauda-Syndroms sind Bandscheibenvorfälle, insbesondere lumbale posteromediale Massenvorfälle und Wirbelfrakturen.[2][3][4] Seltenere Ursachen sind:
- intraspinale Tumoren (insbesondere Metastasen, Ependymome und Lipome)
- angeborene neurologische Anomalien (z.B. Spina bifida)
- epidurale Abszesse und Hämatome
- arteriovenöse Malformationen
- degenerative Spinalkanalstenosen
Bei raumfordernden Prozessen, die sich langsam entwickeln, bleiben einzelne Wurzeln häufig über einen langen Zeitraum verschont. Die Symptomkonstellation kann in einem solchen Fall stark variieren.
Klinik
Charakteristisch für das Vorliegen eines Kauda-Syndroms sind bilaterale, schlaffe, atrophische Paresen der unteren Extremität mit begleitender Areflexie. Diese Paresen zeigen entsprechend der betroffenen Nervenwurzeln eine segmentale (Cave: nicht querschnittförmige) Begrenzung.
Weiterhin finden sich radikuläre Sensibilitätsstörungen und Schmerzen in den Beinen, die sich an den Dermatomen der betroffenen Radices orientieren. Die Schweißsekretion ist in diesen Bereichen jedoch erhalten.
Zusätzlich kann eine Störung der Defäkation, Miktion und Sexualfunktion auftreten.
Hohes Kauda-Syndrom
Bei einem kompletten hohen Kauda-Syndrom, bei dem alle Wurzeln von L4 bis S3 betroffen sind, kommt es zu schlaffen Lähmungen der Beinmuskeln (Hüftbeuger, Oberschenkelmuskulatur und Unterschenkelmuskulatur) sowie der Fußmuskeln. Dabei sind die Kniebeugung und alle Fuß- und Zehenfunktionen komplett plegisch. Die Hüftfunktion und die Kniestreckung kann aufgrund der Mitinnervation durch höhere Lumbalwurzeln häufig auch nur teilweise betroffen sein. Damit einhergehend sind alle Reflexe in diesem Bereich, also der ASR, TPR, Anal- und Bulbokavernosusreflex, nicht auslösbar.
Radikuläre sensible Ausfälle bestehen an den Beinen ab Segment L4 und im Reithosenareal.
Tiefes Kauda-Syndrom
Beim tiefen Kauda-Syndrom sind (je nach Läsionshöhe) die motorischen und sensiblen Ausfälle an den Beinen teilweise weniger umfangreich. Sensibilitätsstörungen im Reithosenareal, Blasen- und Mastdarmlähmung bestehen jedoch auch hier unverändert.
Diagnostik
Differentialdiagnosen
Dem Kauda-Syndrom ähnlich ist das sehr seltene Epikonussyndrom.[4][5][6] Beim Epikonussyndrom sind Hüftbeugung, Hüftadduktion und Kniestreckung sowie der PSR jedoch erhalten, beim hohen Kauda-Syndrom können diese zumindest teilweise abgeschwächt sein.[7] Gelegentlich finden sich beim Epikonussyndrom Spastik und Pyramidenbahnzeichen, die beim Kauda-Syndrom fehlen.[6] Außerdem sind radikuläre Schmerzen eher typisch für ein Kauda-Syndrom, sie können aber bei beiden Syndromen vorkommen.[6]
Weiterhin ist das Konus-Syndrom abzugrenzen. Dieses kann ebenfalls mit einer Hypästhesie im Reithosengebiet einhergehen. Es fehlen jedoch die typischen radikulären Schmerzen und die Symptomatik ist eher symmetrisch verteilt. Paresen und Reflexausfälle der Beine kommen zudem nicht vor.[5] Gelegentlich können beide Störungen auch kombiniert vorliegen, wenn die neben dem Conus medullaris verlaufenden Kaudafasern geschädigt wurden.[5] Man spricht dann vom Konus-Kauda-Syndrom.
Therapie
Das Kauda-Syndrom ist ein neurologischen Notfall, bei dem so schnell wie möglich eine operative Dekompression erfolgen muss.
Quellen
- ↑ Hoeritzauer et al., What is the incidence of cauda equina syndrome? A systematic review, Journal of Neurosurgery, 2020.
- ↑ 2,0 2,1 2,2 Podnar, Epidemiology of cauda equina and conus medullaris lesions, Muscle & Nerve, 2006.
- ↑ Rider, Marra, Cauda Equina and Conus Medullaris Syndromes, StatPearls, 2023.
- ↑ 4,0 4,1 Mattle, Fischer, Kaudasyndrom (Cauda-equina-Syndrom). In: Mattle, Fischer (Hrsg.), Kurzlehrbuch Neurologie, 5. Auflage, Thieme Verlag Stuttgart, 2021.
- ↑ 5,0 5,1 5,2 Bähr, Bechmann. Spezielle Querschnittssyndrome. In: Bähr, Bechmann (Hrsg.), Neurologisch-topische Diagnostik, 11. Auflage, Thieme Verlag Stuttgart, 2021.
- ↑ 6,0 6,1 6,2 Toribatake et al., The epiconus syndrome presenting with radicular-type neurological features, Spinal Cord, 1997.
- ↑ Ende-Henningsen, Spinale Syndrome, eMedpedia - klinische Neurologie, Springer Verlag, 2017. Aufgerufen am 06.07.2025.