Bielschowsky-Dollinger-Syndrom
Synonyme: Bielschowsky-Jansky-Dollinger-Syndrom, Jansky-Bielschowsky-Syndrom, spätinfantile NCL, CLN2
Englisch: Bielschowsky-Dollinger syndrome, Bielschowsky's amaurotic idiocy
Definition
Beim Bielschowsky-Dollinger-Syndrom handelt es sich um eine erblich bedingte, neuronale Ceroidlipofuszinose (NCL), einhergehend mit einer Gehirndegeneration im Kleinkindalter.
Epidemiologie
Die Inzidenz für die klassisch spätinfantile Erkrankung liegt in Deutschland bei 1:100.000 Lebendgeborenen.
Genetik
Das Bielschowsky-Dollinger-Syndrom wird autosomal-rezessiv vererbt. Ursächlich sind Mutationen im Genlokus p15 auf Chromosom 11. Der resultierende Enzymdefekt ist gekennzeichnet durch einen Aktivitätsverlust der lysosomalen Tripeptidyl-Peptidase-1.
Das Bielschowsky-Dollinger-Syndrom wird auch als CLN2 bezeichnet. Diese Klassifizierung der neuronalen Ceroidlipofuszinosen richtet sich nach der Reihenfolge der Entdeckung ursächlicher Mutationen.
Pathogenese
Neuronale Ceroidlipofuszinosen sind charakterisiert durch die Ablagerung von wachsartigen Ceroid-Lipofuszinen in Nervenzellen und anderen Geweben. Die intrazellulär gespeicherten protein- und fettreichen Abfallstoffe bestehen beim Bielchowsky-Dollinger-Syndrom vor allem aus der Untereinheit c der mitochondrialen ATP-Synthase. Die gestörte Lipidspeicherung wirkt toxisch und führt zu einem irreversiblen Untergang der gesunden Nervenzelle.
Histologie
Im Elektronenmikroskop zeigt das histologische Bild der Erkrankung kurvilineare Einschlusskörperchen im Zytoplasma von Nervenzellen oder Lymphozyten. Die Nervenzellen sind vergrößert durch die Anhäufung von pathologischem Material.
Symptome
- Epilepsie
- Psychomotorische Entwicklungsstörungen
- Visusverlust (Amaurose) durch Retinopathie
- Verlust motorischer und kognitiver Fähigkeiten
- Auszehrung
- Infantile Demenz
Die klinischen Kennzeichnen manifestieren sich nach normaler frühkindlicher Entwicklung im Kleinkindalter, wobei die Symptome langsam und schrittweise auftreten. Nachdem sich zunächst der psychomotorische Stillstand und eine therapieresistente Epilepsie ausbilden, verläuft die Krankheit progressiv.
Diagnose
Durch den molekulargenetischen Nachweis einer Mutation im CLN2-Gen kann eine sichere Diagnose des Bielschowsky-Dollinger-Syndroms gestellt werden. Die Elektronenmikroskopie dient der Darstellung charakteristischer Merkmale in Lymphozyten oder Biopsaten. Im laborchemischen Enzymtest kann die mangelnde Aktivität der Tripeptidyl-Peptidase-1 in Leukozyten, Trockenblutproben oder in Hautfibroblasten nachgewiesen werden.
Bei der klinischen Untersuchung wird eine progrediente Hirnatrophie, besonders das Cerebellum betreffend, im MRT sichtbar. Zusätzlich zeigen sich charakteristische Veränderungen im EEG.
Therapie
Alle neuronalen Ceroidlipofuszinosen sind zurzeit kausal nicht therapierbar und führen zu einem frühen Tod zwischen dem 10. und 15. Lebensjahr. Die Therapie ist palliativ und versucht die Symptome zu lindern.
Die Wirksamkeit von Gentransfertherapie, Transplantation bzw. Injektion von Stammzellen wird erforscht.
Für das Bielschowsky-Dollinger-Syndrom ist eine Enzymersatztherapie mit dem Wirkstoff Cerliponase alfa zugelassen. Dabei handelt es sich um eine rekombinante Form der Tripeptidyl-Peptidase-1.[1][2] Sie übernimmt die Funktion der Tripeptidyl-Peptidase-1 im Gehirn und soll so die pathologische Akkumulation von Material verhindern.
Quellen
- ↑ Pharmazeutische Zeitung Cerliponase alfa|Brineura®|40|2017], abgerufen am 29.11.2021
- ↑ EMA Brineura, abgerufen am 29.11.2021