Antibiotika-assoziierte Diarrhö (Pferd)
Synonyme: Antibiotika-assoziierter Durchfall, Antibiotika-induzierte Diarrhö
Englisch: antibiotic-associated diarrhea, antimicrobial-associated diarrhea
Definition
Als Antibiotika-assoziierte Diarrhö bezeichnet man eine durch die Einnahme von Antibiotika verursachte Diarrhö beim Pferd.
Ätiologie
Verschiedene Antibiotika können zur Ausbildung einer Enterokolitis beim Pferd führen, u.a. Trimethoprim-Sulfadiazin, Erythromycin, Penicilline, Tetrazykline, Clindamycin und Lincomycin. In den meisten Fällen verursachen Antibiotika eine Störung der gastrointestinalen Flora, sodass es zu einer massiven Dysbakterie kommt.
Physiologie
Die gesunde intestinale Flora besteht aus vielen verschiedenen, großteils obligaten Anaerobiern sowie Streptokokken, die den Organismus vor einer Kolonisation von pathogenen Bakterien schützen. Oberflächliche Bakterien des Dickdarms interagieren dabei mit den Rezeptoren der Mukosazellen, um die Bindung und Aufnahme verschiedener Nährstoffe zu erleichtern.
Anaerob lebende Bakterien produzieren neben kurzkettigen Fettsäuren (SCFA) verschiedene Metaboliten, die toxische Wirkungen auf fakultativ anaerobe Bakterien haben - insbesondere im Dickdarm. Zusätzlich sezernieren Organismen der normalen Darmflora sogenannte Bacteriocine, die einen inhibierenden Effekt auf das Wachstum pathogener Keime haben.
Pathophysiologie
Antibiotische Wirkstoffe, die eine Verringerung der physiologischerweise vorkommenden Darmbakterien verursachen, führen zu einer verminderten Widerstandskraft der Darmflora gegenüber potenziell pathogenen Bakterien. Es kommt zu einer geringeren Produktion von freien Fettsäuren und die Konkurrenz um Nährstoffe und Kolonisation ist vermindert. Gramnegative Bakterien, wie z.B. Salmonella typhimurium, können sich nahezu ungehindert vermehren. Gleichzeitig proliferieren auch pathogene Anaerobier, die normalerweise nur in geringen Zahlen im Darm nachweisbar sind.
Durch den Einsatz von Antibiotika erfolgt eine Selektion von Antibiotika-resistenten Bakterienstämmen (z.B. Clostridien), die wiederum eine Vermehrung anderer Antibiotika-resistenter Bakterien begünstigen. Hierbei reagieren vor allem obligat anaerobe Kommensalen (besonders wichtig für die Darmflora) sensibel auf bestimmte Antibiotikagruppen, z.B. Makrolide, Tetrazykline, ß-Lactam-Antibiotika und Lincosamide. Aufgrund dessen kommt es nach der Gabe dieser Antibiotika besonders oft zu Antibiotika-assoziierten Durchfällen beim Pferd.
Eine Reduktion der normalen Darmflora führt zu einer verminderten Fermentation von Kohlenhydraten und Bildung kurzkettiger Fettsäuren. Infolge dessen ist die Natrium- und Wasserabsorption gestört, sodass vermehrt Flüssigkeit im Darmlumen verbleibt. Ampicillin beeinträchtigt vor allem die Fermentation von Kohlenhydraten, wohingegen Erythromycin und Metronidazol (aber auch Ampicillin) die Bildung von kurzkettigen Fettsäuren verhindert. Da die Absorption von Natrium und kurzkettigen Fettsäuren mit der Aufnahme von Wasser gekoppelt ist, kommt es insbesondere bei der Gabe dieser Antibiotika zu osmotischen Durchfällen.
Breitsprektrumantibiotika wirken sich negativer auf die Darmflora aus als selektiv-wirkende Antibiotika. Oral verabreichte Medikamente reduzieren kommensalisch lebende Bakterien in stärkerem Ausmaß als parenteral applizierte Wirkstoffe.
Klinik
Zu Durchfällen kommt es meist innerhalb der ersten sieben Tage der Antibiotikatherapie, sie können aber auch erst Tage nach Beenden der Therapie auftreten. Die klinischen Symptome können stark variieren, sodass milde bis fulminante Verläufe mit großen Flüssigkeitsverlusten vorkommen. Milde Durchfälle treten häufig bei Fohlen auf, die mit Erythromycin, Trimethoprim-Sulfadiazin oder Rifampin behandelt wurden. In den meisten Fällen sind die Symptome nur leicht ausgeprägt und selbstlimitierend.
Schwere Krankheitsverläufe hingegen können bei Tieren aller Altersgruppen auftreten und in Form einer akuten Enterokolitis in Erscheinung treten. Diese Tiere zeigen Störungen des Allgemeinbefindens, sind stark dehydriert, leiden an massiven Durchfällen und Endotoxämie. Unbehandelt kommt es zu einer Sepsis und Schocksymptomen.
Diagnose
Antibiotika-assoziierte Durchfälle gehen mit verschiedenen Abweichungen der Blutparameter einher. Je nach Schweregrad der Erkrankung können u.a. folgende Veränderungen beobachtet werden: Hämokonzentration, Neutropenie, Hypoproteinämie, Elektrolytverschiebungen sowie Abweichungen im Säure-Basen-Haushalt.
Allein anhand der klinischen Symptome ist die Diagnosestellung schwierig. Entscheidend ist der anamnestische Hinweis einer zurückliegenden Antibiotikatherapie. Nach Ausschluss von Differenzialdiagnosen kann die Antibiotika-assoziierte Diarrhö als Ausschlussdiagnose festgestellt werden.
Therapie
Die Therapie richtet sich nach dem Schweregrad der Erkrankung und den Begleitsymptomen. Besteht die Möglichkeit, dass das Antibiotikum gewechselt werden kann, sollte eine Änderung umgehend erfolgen. Zusätzlich sind Verschiebungen des Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts sowie Dehydrierungen entsprechend mit Infusionen zu behandeln.
Mithilfe von Antiphlogistika (z.B. Flunixin-Meglumine) und schleimhautschützenden Wirkstoffen (z.B. Sucralfat) können Entzündungsprozesse unterbrochen werden. Durch die zusätzliche Gabe von Probiotika und absorbierenden Ergänzungsfuttermitteln (z.B. Di-Tri-Octahedralsmectit) wird die physiologische Darmflora unterstützt.
Literatur
- Stephen M. Reed, Warwick M. Bayly, Debra C. Sellon. Equine internal medicine. 4th edition. Elsevier, 2018.
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