Androgenetische Alopezie (Frau)
Definition
Die androgenetische Alopezie der Frau ist eine häufige Form der nicht-vernarbenden Alopezie. Im Gegensatz zur androgenetischen Alopezie des Mannes ist sie als pathologisch zu werten.
Epidemiologie
Die Prävalenz der androgenetischen Alopezie bei der Frau beträgt ca. 20 %. Insbesondere nach den Wechseljahren kommt es zu einem starken Anstieg der Inzidenz.
Ätiopathogenese
Die androgenetische Alopezie wird polygenetisch determiniert. Die genauen Gene sind jedoch derzeit (2020) unbekannt. Vermutlich spielen u.a. das Hairless-Gen und das Androgenrezeptor-Gen eine Rolle.
Die genetische Disposition führt in Zusammenspiel mit hormonellen Faktoren zu einer Verkürzung der Anagenphase und zur Schrumpfung des Haarfollikels mit Vellushaarbildung. Das für die Alopezie entscheidende Androgen ist Dihydrotestosteron (DHT), das mittels 5α-Reduktase Typ I und Typ II aus Testosteron metabolisiert wird. Nach einer genetisch determinierten Zeitspanne werden die Haarfollikel androgensensibel, mit Ausnahme der am Hinterkopf lokalisierten Follikel, die lebenslang resistent gegenüber hormonellen Einflüssen bleiben.
Bei der androgenetischen Alopezie akzeleriert die hormonelle Umstellung in den Wechseljahren (Absinken der Östrogenspiegel und relativer Anstieg der Androgene) die Alopezie. Im Gegensatz zu den Männern scheint neben der 5α-Reduktase und DHT auch die Aromatase eine wichtige Rolle zu spielen. Sie wandelt Androgene in Östrogene um und wirkt somit protektiv.
Des Weiteren können bestimmte Grunderkrankungen bzw. externe Faktoren eine androgenetischen Alopezie verstärken, z.B.
- polyzystisches Ovarialsyndrom
- Hyperprolaktinämie
- Einnahme von Androgenen, Anabolika und Aromatasehemmer
Symptome
Bei der androgenetischen Alopezie der Frau kommt es i.d.R. zur diffusen Ausdünnung der Haare, beginnend zwischen dem 20.-40. Lebensjahr. Anhand der Klassifikation nach Ludwig unterscheidet man verschiedene Stadien:
- Stadium 0: normaler Haarwuchs
- Stadium I: Haarlichtung in der Scheitelregion, positiver Haarzupftest
- Stadium II: markante, sichtbare Haarlichtung im Scheitelbereich, deutlicher frontaler Haarsaum von 1-3 cm
- Stadium III: Glatzenbildung im frontoparietalen Bereich, frontaler Haarsaum bleibt bestehen
Nur selten wird eine Haarlichtung nach männlichem Muster beobachtet. Die Kopfhaut ist i.d.R. ebenfalls unaufällig. Bei Frauen mit weiteren Zeichen einer Androgenisierung (Akne, Hirsutismus) werden Seborrhö und verstärkte Kopfschuppung beobachtet.
Differenzialdiagnosen
Folgende Differenzialdiagnosen sollten erwogen werden:
- Pityriasis amiantacea: fettige Schuppen, Haare lassen sich büschelweise ausziehen
- Psoriasis capitis: meist deutlicher Juckreiz und feine Schuppenbildung
- frontal fibrosierende Alopezie: frontale lineare Alopezie, perifollikuläres Erythem an den Haargrenzen, meist Keratosis follicularis nachweisbar
- Effluvium bei Systemerkrankungen (Infektionen, Kollagenosen, Lymphome)
- Alopecia areata diffusa: im Rahmen von Syphilis
- anagenes dystrophisches Effluvium: bei Perioden körperlicher Belastung (z.B. Fieber)
- chronisch telogenes Effluvium: jahrelanger, diffuser Haarausfall (> 100-200 Haare/Tag) ohne Nachweis von endogenen oder exogenen Ursachen und ohne Glatzenbildung
- chronisches Telogeneffluvium bei endogenen Störungen: Eisenmangel, Zinkmangel, Malnutrition, Schilddrüsenerkrankungen, Hyperprolaktinämie
- akutes Telogeneffluvium: z.B. bei fieberhaften Erkrankungen, Verletzungen, emotionalen Belastungen
Diagnostik
Die Diagnose der androgenetischen Alopezie der Frau erfolgt klinisch anhand des typischen Haarausfallmusters. Ein gesteigertes Effluvium kann mittels Epilationstest festgestellt werden.
Um zugrundeliegende Erkrankungen bzw. Differenzialdiagnosen auszuschließen, sollte eine weitergehende Abklärung erfolgen, z.B. mittels Medikamentenanamnese, Trichogramm sowie Bestimmung von
- Testosteron, DHEAS, Östrogen, Prolaktin, LH und FSH
- Schilddrüsenautoantikörper
- antinukleären Antikörper
- Zink
- Ferritin
Therapie
Externe Therapie
Folgende topische Behandlungsoptionen kommen bei der androgenetische Alopezie der Frau zum Einsatz:
- Minoxidil 2%ige Lösung
- Östrogen-haltige Tinkturen (z.B. 17α-Östradiol, Alfatradiol)
- Melatonin-Lösung (0,1 %ig): experimenteller Ansatz
- Thymuskin: experimenteller Ansatz
Systemische Therapie
- Antiandrogene: bei Frauen mit Androgenisierungszeichen; unter Beachtung der Kontraindikationen (z.B. Cyproteronacetat, Chlormadinonacetat)
- Ethinylestradiol
- Biotin: unterstützende Therapieoption
- Finasterid: experimenteller Ansatz
Weitere Therapieansätze
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