Androgenetische Alopezie (Mann)
Definition
Die androgenetische Alopezie des Mannes ist die häufigste Form der nicht-vernarbenden Alopezie. Im Gegensatz zur androgenetischen Alopezie bei der Frau wird sie aufgrund ihrer weiten Verbreitung nicht als pathologisch gewertet.
Epidemiologie
Die androgenetische Alopezie tritt in Europa bei ca. jedem zweiten Mann im Laufe des Lebens auf. Die Prävalenz bei asiatischen und afrikanischen Männern ist geringer.
Ätiopathogenese
Die androgenetische Alopezie wird polygenetisch determiniert. Die genauen Gene sind jedoch derzeit (2020) unbekannt. Vermutlich spielen u.a. das Hairless-Gen und das Androgenrezeptor-Gen eine Rolle.
Die genetische Disposition führt in Zusammenspiel mit hormonellen Faktoren zu einer Verkürzung der Anagenphase und zur Schrumpfung des Haarfollikels mit Vellushaarbildung. Das für die Alopezie entscheidende Androgen ist Dihydrotestosteron (DHT), das mittels 5α-Reduktase Typ I und Typ II aus Testosteron metabolisiert wird. Nach einer genetisch determinierten Zeitspanne werden die Haarfollikel androgensensibel, mit Ausnahme der am Hinterkopf lokalisierten Follikel, die aus unbekanntem Grund lebenslang resistent gegenüber hormonellen Einflüssen bleiben.
Außerdem wird eine Assoziation zu Seborrhö und Durchblutungsstörungen der Kopfhaut diskutiert.
Klinik
Die androgenetische Alopezie des Mannes manifestiert sich meist vor dem 40. Lebensjahr. Die ersten Anzeichen zeigen sich häufig nach der Pubertät.
Der Verlauf ist individuell verschieden: Bei stark betroffenen Personen setzt die Glatzenbildung direkt nach Pubertät ein, dann oft diffus am gesamten Oberkopf. Einige entwickeln relativ scharf abgegrenzte haarlose Areale, andere behalten bis in das hohe Alter einen Flaum von Vellushaaren am Oberkopf. Ungefähr 80 % der Betroffenen zeigen jedoch einen Verlauf, der anhand des Hamilton-Norwood-Schemas in 5 Stadien eingeteilt werden kann:
- Stadium I: normale Behaarung
- Stadium II: Zurücktreten der Stirn-Haar-Grenzen ("Geheimratsecken")
- Stadium III: Haarlichtung im Vertex ("Haarwirbel")
- Stadium IV: fast vollständiger Haarverlust im Parietalbereich
- Stadium V: dünne okzipitale und parietale Restbehaarung
Etwa 20 % der betroffenen Männer folgen nicht diesem klassischen Haarausfallmuster, sondern zeigen eher einen diffusen Haarverlust am Mittelscheitel, ähnlich der androgenetischen Alopezie bei der Frau. Schuppen oder Seborrhö kommen nicht gehäuft vor.
Des Weiteren ist eine Assoziation zu koronarer Herzerkrankung (KHK), benigner Prostatahyperplasie und Prostatakarzinom beschrieben.
Diagnostik
Die Diagnose der androgenetischen Alopezie des Mannes wird klinisch gestellt. Weitergehende Untersuchungen (z.B. Trichogramm) sind i.d.R. nicht notwendig.
Therapie
Um eine irreversible Follikelregression zu verhindern, sollte eine Behandlung frühzeitig erfolgen. Therapieerfolge sind - wenn überhaupt - erst nach mehrwöchiger bzw. -monatiger Anwendung zu erwarten.
Externe Therapie
Minoxidil
Minoxidil ist rezeptfrei als 5%ige Lösung erhältlich und sollte morgens und abends auf die betroffenen Areale aufgetragen werden. Es führt über Induktion von VEGF an der Papille des Haarfollikels bei den meisten Patienten zu einer Verzögerung des Haarausfalls. In einigen Fällen bewirkt es sogar eine Verdichtung der Kopfhaare.
Nach Absetzen kommt es erneut zum Haarausfall, sodass eine Dauertherapie notwendig ist. 5-10 % der Anwender beklagen Rötung und Juckreiz an der Kopfhaut.
Weitere Eterna
Folgende Externa haben evtl. einen günstigen Einfluss, wobei die Datenlage derzeit (2020) unzureichend ist:
- topisches Koffein (ggf. in Kombination mit Minoxidil und Azelainsäure)
- Thymuskin
Systemische Therapie
Finasterid
Finasterid hemmt kompetitiv die 5α-Reduktase Typ II. Dadurch kommt es zum Absenken des DHT-Spiegels im Serum um ca. 70 %.
Finasterid wird in einer Dosis von 1 mg/d oral für mindestens 6 Monate eingenommen. Es soll bei ca. 90 % der Patienten das Fortschreiten der Alopezie verhindern und bei 50 % zu einer sichtbaren Verdichtung der Haare führen. 1-2 % der Anwender berichten über eine Abschwächung von Libido und Potenz. Die Therapie wird deshalb kontrovers diskutiert.
Dutasterid
Alternativ zu Finasterid kann auch Dutasterid in einer Dosis von 0,5 mg/d p.o. für mindestens 6 Monate eingenommen weden.
Weitere Interna
Unterstützend können folgende Wirkstoffe eingesetzt werden:
- Nikotinsäure p.o.
- Vitamin-B-Komplex (ohne Vitamin B1)
Haartransplantation
Bei Männern mit starker androgenetischer Alopezie kann eine Haartransplantation erwogen werden. Die okzipitalen Haarfollikeln behalten auch am neuen Ort ihre Androgenresistenz. Nach 3-6 Monaten sollte ein normales Haarwachstum eintreten. Der Eingriff sollte nur in einer Einrichtung erfolgen, die über eine entsprechende Erfahrung verfügt. Unfachmännisch ausgeführte Haartransplantationen führen zu einem ungünstigen kosmetischen Ergebnis.
Kunsthaarimplantationen sind wegen Fremdkörperreaktionen obsolet.
Weitere Therapieansätze
Diskutiert wird eine positive Wirkung von folgenden Substanzen, wobei die Datenlage derzeit (2020) unzureichend ist:
- Extrakte von grünem Tee (Epigallocatechingallat)
- Sägepalmenfrüchte (Sabalis serrulatae fructus)
- Extrakte von Citrullus colocynthis
- Extrakte von Cuscuta reflexa
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