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Kaposi-Sarkom

nach dem österreichisch-ungarischen Hautarzt Moritz Kaposi (1837-1902)
Synonyme: Sarcoma idiopathicum multiplex haemorrhagicum, Morbus Kaposi

1. Definition

Das Kaposi-Sarkom, kurz KS, ist eine vermutlich durch das Humane Herpesvirus 8 (HHV-8) induzierte Neoplasie lymphatischer Endothelzellen. Es kann Haut- und Schleimhäute sowie innere Organe betreffen. Das Kaposi-Sarkom ist ein niedrig-gradiger, infiltrativ und lokal-aggressiver, selten metastasierender Tumor.

2. ICD11-Codes

  • 1C60.30 - Kaposi-Sarkom assoziiert mit HIV-Erkrankung assoziiert mit Malaria
  • 1C61.30 - Kaposi-Sarkom assoziiert mit HIV-Erkrankung assoziiert mit Tuberkulose
  • 2B57 - Primäres Kaposi-Sarkom
    • 2B57.0 - Kaposi-Sarkom der Lunge
    • 2B57.1 - Kaposi-Sarkom der Haut
    • 2B57.2 - Kaposi-Sarkom des Gastrointestinaltrakts
    • 2B57.Y - Kaposi-Sarkom in anderer Region
    • 2B57.Z - Kaposi-Sarkom, nicht näher bezeichnet

3. Einteilung

Man unterscheidet fünf Formen:

Form Klinik Risikofaktoren Verlauf
Klassisches KS
  • insbesondere ältere Menschen
  • Männer >> Frauen
  • mittlerer Osten, Osteuropa, Mittelmeerraum
Kaposi-Sarkom iatrogener Immunsuppression
  • meist nur Hautbefall
  • selten mukosal und viszeral
  • meist geringer Hautbefall
  • Regression nach Reduktion der Immunsuppression oder Umstellung der Immunsuppressiva
Endemisches KS
  • insbesondere Subsahara-Region
  • meist bei HIV-negativen Patienten
  • bei Kindern schlechte Prognose
  • bei Erwachsenen indolent
HIV- und IRIS-assoziiertes KS
  • meist multiple Läsionen (Gesicht, Körperstamm, Extremitäten)
  • in 20 % Befall Schleimhäute
  • in 15 % Organbefall
  • Neigung zu Tumor-assoziierten Ödemen
  • ohne ART aggressiver Verlauf
  • mit ART eher indolent
KS bei MSM ohne HIV-Infektion
  • meist wenige Läsionen der Haut (alle Körperregionen)
  • selten mukosal und viszeral
  • Oralverkehr
  • keine HIV-Infektion oder Immunsuppression
  • meist indolent

4. Epidemiologie

Entsprechend der Pathogenese korreliert die Prävalenz des Kaposi-Sarkoms mit der Verbreitung von HHV-8-Infektionen. Die HHV-8-Seroprävalenz erreicht über 40 % in der Subsahara-Region, 10 bis 30 % im Mittelmeerraum und < 5 % in Nordeuropa. Die Inzidenz in der Allgemeinbevölkerung liegt bei ca. 1,5 Fällen pro 100.000 Personen pro Jahr. Bei einer HIV-Infektion liegt die Inzidenz bei ca. 482 pro 100.000 Personen pro Jahr, wobei die Inzidenz unter effektiver antiretroviraler Therapie auf 181 pro 100.000 Personen pro Jahr sinkt.

4.1. Klassisches KS

Das klassische KS tritt bei Männern 2- bis 17-mal häufiger auf. Betroffen sind insbesondere Personen osteuropäischer und mediterraner Herkunft. Die Erstmanfestation erfolgt typischerweise nach dem 60. Lebensjahr. Risikofaktoren sind:

  • vorangegangene HHV-8-Infektion
  • erhöhtes Alter

Die Mortalität ist bei Patienten mit klassischem KS im Vergleich zur Normalbevölkerung nicht wesentlich gesteigert.

4.2. Endemisches KS

Das endemische KS findet sich in Äquatorialafrika und ist nicht mit einer HIV-Infektion assoziiert. Es ist vor allem bei Kindern und adoleszenten Männern verbreitet.

4.3. KS bei iatrogener Immunsuppression

Bei langfristiger Immunsuppression können iatrogene KS entstehen. Nach Absetzen oder Umstellung der Medikation kann sich die Erkrankung wieder zurückbilden. Kaposi-Sarkome machen 5 % der Malignome nach Organtransplantation aus. Eine Organtransplantion erhöht das Risiko um das 50 bis 500fache im Vergleich zur Normalbevölkerung.

4.4. Epidemisches, HIV-assoziierte KS

Das epidemische, HIV-assoziierte KS ist die häufigste AIDS-definierende Neoplasie und der häufigste Subtyp des KS. Der Verlauf ist sehr variabel. Nach Einleitung einer antiretroviralen Therapie bilden sich HIV-assoziierte KS häufig ohne zusätzliche Behandlung zurück. Bei Immunrekonstitutionssyndrom (IRIS) wurden schwere und neuaufgetretene Kaposi-Sarkome beschrieben. Die Mortalität ist assoziiert mit der CD4-Zellzahl.

4.5. KS bei MSM ohne HIV-Infektion

Kaposi-Sarkome treten zunehmend häufiger bei jüngeren HIV-negativen MSM aus geographischen Regionen mit einer niedrigen HHV-8-Seroprävalenz (z.B. Frankreich, England oder Deutschland) auf. Der Verlauf ähnelt dem klassischen KS. CD4-Zellzahl und CD4/CD8-Ratio korrelieren mit der Krankheitsschwere.

5. Ätiopathogenese

Die genaue Ursache des Kaposi-Sarkoms ist derzeit (2022) unklar. Ob es sich um eine maligne Neoplasie oder um eine angioproliferative Erkrankung handelt, ist umstritten. Eine HHV-8-Infektion führt nicht zwangsläufig zur Manifestation einer HHV-8-assoziierten Erkrankung, jedoch sind alle 5 Subtypen mit einer HHV-8-Infektion assoziiert. In über 95 % aller Fälle lässt sich die Virus-DNA nachweisen. Das Virus infiziert lymphatische Endothelzellen, führt zur Störung ihrer mesenchymalen Differenzierung, induziert die Zytokinexpression und fördert eine abnormale Neoangiogenese.

HHV-8 wird insbesondere über Speichel, aber auch sexuell, vertikal und über Blutprodukte übertragen. Weitere mit HHV-8-assoziierte Malignome sind der multizentrische Morbus Castleman (MCD), primäre Effusionslymphome, intravaskuläre großzellige B-Zell-Lymphome (IVBZL), Angiosarkome, und inflammatorische myofibroblastische Tumore.

Das Auftreten und die Progression von KS wird weiterhin durch Immundefekte, Immunsuppression und/oder niedrige CD4-Zellzahlen begünstigt. Außerdem wird eine genetische Prädisposition vermutet.

6. Klinik

6.1. Klassisches KS

Das klassische KS ist charakterisiert durch uni- oder bilateral auftretende, rote oder schwarzbraune Maculae, die oft mit Ödemen assoziiert sind. Typischerweise ist die untere Extremität beteiligt. Die Flecken entwickeln sich im Verlauf zu rotbraunen Plaques und knotigen Tumoren. Verschiedene Stadien können dabei zeitgleich nebeneinander auftreten. Die einzelnen Tumoren können über Jahre unverändert bleiben oder sich rasch ausbreiten und an Zahl und Größe zunehmen. Lymphabflussstörungen mit deutlichen Schwellungen ganzer Extremitäten, des Skrotums oder des Gesichts sind möglich, ebenso Einblutungen, zentrale Nekrosen und Ulzerationen. Auch ausgeprägt hyperkeratotische bzw. verruköse Formen kommen vor.

6.2. Endemischer KS

Beim endemischen KS werden vier klinische Typen unterschieden:

  • benigne Verlaufsform: langsam und wenig aggressiv fortschreitende noduläre Läsionen der Haut, ähnlich des klassischen KS. Insbesondere bei Männern mittleren Alters.
  • lokal-aggressive Verlausform: kutane Läsionen mit aggressiver Infiltration in Weichgewebe und Knochen. Meist letaler Verlauf innerhalb 5 bis 7 Jahren.
  • diffus-aggressive Verlaufsform: diffuser mukokutaner und viszeraler Befall. Ungünstige Prognose.
  • fulminante Verlaufsform: Lymphadenopathie und Befall viszeraler Organe; selten Hautbefall. Fulminant-aggressiver Verlauf. Insbesondere bei Kleinkindern.

6.3. Epidemisches, HIV-assoziierte KS

Das epidemische, HIV-assoziierte KS ähnelt dem klassischen Typ, weist jedoch unterschiedliche Prädilektionsstellen auf: Das initiale Tumorgeschehen manifestiert sich vor allem an Nasenspitze, Augenlidern, Glans penis oder Ohr, oft auch am Rumpf entlang der Hautspaltlinien. Charakteristisch sind kleine, himbeerrote Maculae, die in braune Plaques und rote Tumoren übergehen. Ein Befall der Schleimhäute und innerer Organe kommt vor.

6.4. Iatrogenes KS

Beim iatrogenen KS kommt ein Befall von Haut, Schleimhaut und inneren Organen vor. Der Verlauf ist aggressiver als bei der klassischen Form. Andererseits bilden sich die Erscheinungen nach Absetzen oder Wechsel der immunsupprimierenden Medikation meist zurück.

6.5. KS bei MSM

Beim KS bei MSM ohne HIV-Infektionen wird ein meist indolenter Verlauf mit kutanem Befall beschrieben. Prädilektionsstelle ist die Genitalregion.

7. Stadien

Es existiert keine allgemein akzeptierte Stadieneinteilung.

7.1. ...nach Mitsuyasu und Groopman

Die Stadieneinteilung nach Mitsuyasu und Groopman berücksichtigt die Ausbreitung und die Allgemeinsymptome:

  • Stadium I: umschrieben kutan (< 10 Herde oder eine anatomische Region)
  • Stadium II: disseminiert kutan (> 10 Herde oder > 1 anatomische Region)
  • Stadium III: ausschließlich viszeral
  • Stadium IV: kutan und viszeral
  • Stadium IVA: ohne Allgemeinsymptomatik
  • Stadium IVB: mit Fieber und/oder Gewichtsverlust

7.2. ...nach ACTG

Die AIDS Clinical Trials Group (ACTG) entwickelte 1988 das TIS-Klassifikationssystem für HIV-assoziierte Kaposi-Sarkome:

  • Tumor (T):
    • T0: lokalisiert (z.B. nur in der Haut und/oder Lymhpknoten)
    • T1: ausgedehnt (Ödem, ausgedehnte orale Beteiligung und/oder viszerale Beteiligung außer Lymphknoten)
  • Immunsystem (I):
    • I0: CD4-Zellzahl ≥ 200 Zellen/mm³
    • I1: CD4-Zellzahl < 200 Zellen/mm³
  • Systemischer Status (S):
    • S0: keine systemische Erkrankung (keine opportunistischen Infektionen oder Soor in der Annamnese, keine B-Symptomatik, Karnofsky-Index ≥ 70)
    • S1: systemische Erkrankung (Vorgeschichte von opportunistischen Infektionen oder Soor, mindestens ein B-Symptom, Karnofsky-Index < 70 und/oder Vorhandensein einer anderen HIV-bedingten Erkrankung, z.B. einer neurologischen Erkrankung oder eines Lymphoms)

8. Diagnostik

Die Verdachtsdiagnose eines Kaposi-Sarkoms wird klinisch gestellt. Die Diagnosebestätigung erfolgt primär durch histopathologische Untersuchung nach tiefer Biopsie. Allen Patienten sollten bei Erstdiagnose ein HIV-Test angeboten werden. Bei vermutetem oder bekanntem viszeralen Befall wird eine Ganzkörper-Computertomographie (CT) durchgeführt. Je nach Befund kommen z.B. eine Ösophagogastroduodenoskopie, eine Koloskopie und eine Bronchoskopie in Frage.

8.1. Histopathologie

Die Tumorzellen exprimieren CD31, CD34 und den lymphatischen Endothelmarker Podoplanin. Molekularbiologisch können HHV-8-DNA oder immunhistochemisch HHV-8-positive Zellkerne nachgewiesen werden.

8.2. Radiologie

Der radiologische Befund bei einem Kaposi-Sarkom ist meist unspezifisch und abhängig von der Tumorlokalisation.

siehe Hauptartikel: Kaposi-Sarkom (Radiologie)

9. Differenzialdiagnosen

10. Therapie

Je nach Klinik werden lokale oder systemische Therapien eingesetzt. Bei ausschließlich kutanem Befall mit einzelnen stabilen, asymptomatischen Läsionen kann auf eine Therapie verzichtet werden. Ausgedehnte Schleimhautläsionen, Lymphknotenbeteiligung, viszeraler Befall sowie rasch progrediente bzw. disseminierte Verläufe machen eine systemische Behandlung notwendig. Bei HIV-Infektion sollte umgehend eine ART eingeleitet oder optimiert werden. Bei iatrogenem KS wird die Immunsuppression modifiziert oder abgesetzt.

Lokaltherapeutische Optionen sind beispielsweise:

Systemische Therapiemöglichkeiten sind:

Da eine Heilung in der Regel nicht möglich ist, ist das Ziel der Behandlung die Kontrolle über den Krankheitsverlauf und die Reduktion der Symptome. Man unterscheidet:

  • Komplettes Ansprechen (Complete Response):
    • Komplettes Verschwinden der Läsionen für mindestens 4 Wochen
  • Partial Response:
    • 50 % oder mehr Rückgang der Zahl der Läsionen
    • 50% oder mehr Rückgang der Größe der Läsionen bzw. Rückgang der Schichtdicke
    • Keine neuen Läsionen, mehr als 25 % Größenzunahme oder Ödemzunahme
  • Stable disease:
    • Jedes Ansprechen, das nicht die oben genannten Dimensionen erreicht
  • Progressive Disease:
    • Neue Läsionen
    • Größenzunahme, Volumen-/Dickenzunahme vormals flacher Läsionen
    • Zunahme des assoziierten Ödems

11. Leitlinie

12. Literatur

13. Quellen

Bijan Fink
Peer reviewed am 20.01.2023 von Bijan Fink
Stichworte: AIDS, Eponym, HIV, Sarkom
Fachgebiete: Dermatologie

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