Analgetikanephropathie
Achtung: Du siehst nicht die aktuelle, sondern eine ältere Version dieser Seite.
Synonym: Phenacetin-Niere
1. Definition
Die Analgetikanephropathie ist eine durch jahrelangen Analgetikaabusus verursachte chronisch interstitielle Nephritis, die im Extremfall zu völligem Nierenversagen führen kann. Neben Phenacetin können auch die weitverbreiteten Schmerzmittel Acetylsalicylsäure oder Diclofenac zu einer Analgetikanephropathie führen. Das Verbot von Phenacetin im Jahre 1986 lies die Erkrankung in Deutschland jedoch nahezu verschwinden.
2. Epidemiologie
Zwischen 1 und 3 % aller Fälle einer terminalen Niereninsuffizienz entfallen auf die Analgetikanephropathie. Dabei sind Frauen wesentlich häufiger betroffen. Der Hauptgrund hierfür ist das Phänomen, nach dem Frauen schneller auf ein Schmerzmittel zurückgreifen als die meisten Männer. Personen, die regelmäßig Phenacetin oder Mischanalgetika verwenden, haben ein zwanzigfach höheres Erkrankungsrisiko.
3. Ursache
Hauptverursacher der Analgetikanephropathie war die regelmäßige Einnahme Phenacetin-haltiger Arzneimittel. Aber auch Mischanalgetika, NSAR, Codein oder ASS können bei übermäßigem Gebrauch zu der Nierenerkrankung führen.
4. Pathophysiologie
Phenacetin und die anderen o. g. Arzneistoffe sorgen für eine Hemmung der Prostaglandinsynthese. Prostaglandine sind Gewebshormone mit schmerz- und entzündungsinduzierende Wirkung. Im konkreten Fall hemmen die Wirkstoffe das Prostaglandin E2, welches u. a. eine Vasodilatation und damit eine Mehrdurchblutung des Nierenmarks verursacht. Durch die permanente arzneimittelinduzierte Hemmung entfällt die Vasodilatation mit der Folge, dass das Nierenmark permanent minderdurchblutet ist. Es entstehen Ischämien und Papillennekrosen.
5. Symptomatik
Anfangs verläuft die Analgetikanephropathie zumeist völlig asymptomatisch. Der weitere Krankheitsverlauf ist gekennzeichnet von Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit und einem braun-grauen Hautkolorit. Es zeigen sich außerdem zunehmend Zeichen einer Anämie, ausgelöst durch gastrointestinale Blutungen, Hämolyse und die Bildung von Met- und Sulfhämoglobin. Im späteren Verlauf imponieren folgende klinische Zeichen:
- häufig rezidivierende Harnwegsinfekte
- Hyponatriämie
- Hypokaliämie
- distale renal-tubuläre Azidose
- tubuläre Funktionsstörungen, dadurch verminderte Harn-Konzentrationsfähigkeit
6. Diagnose
Zunächst ist die Erhebung einer ausführlichen Anamnese essentiell, um einen evtl. Schmerzmittelabusus zu identifizieren. Hinzu kommen zahlreiche weitere Untersuchungen:
- 24-h-Sammelurin
- Nachweis einer Hämaturie (Hinweis auf Papillennekrosen)
- Nachweis einer normochromen Anämie
- Blutdruckmessung (Nachweis renale Hypertonie)
- Bestimmung des Paracetamol-Metaboliten N-Acetyl-P-Paraaminophenol im Urin
- Ausscheidungsurogramm
- Sonografie (hier zeigen sich verkleinerte Nieren mit narbigen Einziehungen und unebener Organoberfläche)
7. Differentialdiagnosen
- Amyloidose
- Multiples Myelom
- Chronisch interstitielle Nephritis anderer Genese
- Papillennekrosen anderer Genese
8. Therapie
- Einnahmestopp der auslösenden Arzneistoffe
- Behandlung der Niereninsuffizienz
9. Prognose
Findet das Absetzen der Wirkstoffe vor Eintritt einer terminalen Niereninsuffizienz ein, ist die Prognose gut.