Sinusstenose
Synonyme: duralvenöse Sinusstenose, Stenose des duralen Sinus, Stenose des Sinus durae matris
Englisch: venous sinus stenosis
Definition
Die Sinusstenose bezeichnet eine umschriebene Einengung eines der Sinus durae matris mit daraus resultierendem erhöhtem venösem Abflusswiderstand und Druckanstieg im intrakraniellen Venensystem. Sie betrifft bevorzugt den Übergangsbereich zwischen Sinus transversus und Sinus sigmoideus und spielt eine zentrale Rolle in der Pathophysiologie der idiopathischen intrakraniellen Hypertension (IIH).
Epidemiologie
Die tatsächliche Prävalenz von Sinusstenosen in der Allgemeinbevölkerung ist bislang (2025) nicht abschließend geklärt, da systematische bevölkerungsbasierte Studien mit venöser Manometrie fehlen. In bildgebungsbasierten Untersuchungen werden zufällige, meist asymptomatische Engstellen im lateralen Sinussystem bei etwa 5-7 % der untersuchten Personen beschrieben. Ein erheblicher Anteil dieser Befunde entspricht jedoch anatomischen Varianten oder hypoplastischen Abschnitten und besitzt keine hämodynamische Relevanz. Die Nachweisrate hängt außerdem von der verwendeten bildgebenden Methodik ab.
Bei Patienten mit idiopathischer intrakranieller Hypertension stellt die Sinusstenose den mit Abstand häufigsten morphologischen Befund dar. In über 90 % der Fälle finden sich bilaterale, teils symmetrische Engstellen im Übergangsbereich zwischen Sinus transversus und Sinus sigmoideus. Dabei sind vorwiegend Frauen im zweiten bis vierten Lebensjahrzehnt, häufig mit Adipositas und teilweise assoziierter obstruktiver Schlafapnoe, betroffen.
Auch bei Patienten mit pulsatilem Tinnitus wird eine venöse Sinusstenose deutlich häufiger nachgewiesen als in der Normalbevölkerung. In dieser Patientengruppe liegt die Prävalenz zwischen 20 % und 50 %.
Anatomie
Sinusstenosen treten bevorzugt im lateralen Sinussystem auf, insbesondere im Übergangsbereich zwischen Sinus transversus und Sinus sigmoideus. Diese Region gilt aufgrund ihrer anatomischen Konfiguration und der engen Beziehung zum angrenzenden Knochen als Prädilektionsstelle. Der Verlauf der Sinus innerhalb der Dura mater ist starr fixiert, sodass bereits geringfügige extramurale Druckerhöhungen zu einer lumenrelevanten Kompression führen können. Das laterale Sinussystem zeigt eine ausgeprägte interindividuelle Variabilität. Bei den meisten Menschen ist der rechte Sinus transversus dominant, während die linke Seite hypoplastisch oder aplastisch sein kann. Diese Asymmetrie bedeutet jedoch nicht automatisch eine hämodynamische Relevanz.
Bei pathologischen Stenosen zeigt sich morphologisch meist eine spindelförmige oder segmentale Lumenreduktion, seltener eine bandförmige Einschnürung. In der Mehrzahl der Fälle handelt es sich nicht um strukturelle Wandveränderungen, sondern um eine extramurale Kompression durch erhöhten duralen Druck oder durch kollabiertes Duragewebe. Histologisch sind die betroffenen Abschnitte von einer Verdickung der duralen Matrix und gelegentlich einer Intimahyperplasie begleitet. Nur selten liegt eine intrinsische, fibröse oder thrombotische Wandläsion vor.
Ätiologie
Die Sinusstenose kann unterschiedliche Ursachen haben, die sich funktionell in primäre (intrinsische) und sekundäre (extrinsische) Formen gliedern lassen:
Primäre Sinusstenose
Primäre Stenosen beruhen auf anatomischen oder strukturellen Veränderungen der Sinuswand. Dazu zählen kongenitale Hypoplasien, narbige oder fibroelastische Wandverdickungen, intimale Plaques sowie residuelle Veränderungen nach abgelaufener Sinusvenenthrombose. In seltenen Fällen werden intraluminale Membranen oder Klappenstrukturen beobachtet, die den Flusswiderstand lokal erhöhen. Diese primären Formen sind typischerweise persistierend und verursachen einen chronisch erhöhten Abflusswiderstand.
Sekundäre Sinusstenose
Sekundäre Stenosen entstehen durch extrinsische Kompression des Sinuslumens infolge eines erhöhten intrakraniellen Drucks. Bei der IIH führt der gesteigerte Druck im Subarachnoidalraum zu einer Einengung der lateralen Sinus durch die umgebende Dura mater. Der dadurch bedingte venöse Rückstau verstärkt die intrakranielle Druckerhöhung, was wiederum die Kompression des Sinus weiter fördert. Es resultiert ein Circulus vitiosus aus venöser Hypertension und Liquorresorptionsstörung. Auch raumfordernde Prozesse, postoperative Narbenzüge oder benachbarte durale Verdickungen können sekundär eine Kompression bewirken.
Pathophysiologie
Pathophysiologisch führt eine Sinusstenose zu einem erhöhten transstenotischen Druckgradienten und zu turbulenten Strömungsverhältnissen. Der ansteigende venöse Druck reduziert die Druckdifferenz zwischen Subarachnoidalraum und venösem Kompartiment, wodurch die Liquorresorption über die Arachnoidalzotten beeinträchtigt wird. Der Liquor staut sich, der intrakranielle Druck steigt weiter an, und die Stenose verstärkt sich. Langfristig können durch chronische Druckbelastung und turbulente Flussverhältnisse sekundäre strukturelle Umbauprozesse der Dura auftreten, darunter Verdickung, Elastizitätsverlust und Intimahyperplasie. Diese führen zu einer Fixierung der Engstelle, selbst wenn der intrakranielle Druck wieder abnimmt.
Symptome
Eine isolierte Stenose ohne Druckgradient bleibt in der Regel asymptomatisch. Erst bei funktionell relevanter Abflussbehinderung entstehen Beschwerden, die überwiegend durch eine venöse Hypertension und den Anstieg des intrakraniellen Drucks vermittelt werden.
Leitsymptom ist der chronische Kopfschmerz, meist druckartig, holozephal und positionsabhängig verstärkt. Er kann sowohl intermittierend als auch dauerhaft auftreten. Visuelle Symptome sind häufig und umfassen vorübergehende Sehstörungen, Papillenödeme, unscharfes Sehen sowie Doppelbilder infolge einer Abduzensparese. Unbehandelt kann eine progrediente Stauungspapille zur sekundären Optikusatrophie führen.
Ein weiteres charakteristisches Symptom ist der pulsatile Tinnitus, der durch turbulente Strömungsverhältnisse im Bereich der Stenose entsteht. Er wird typischerweise einseitig wahrgenommen, korreliert mit der Seite der Engstelle und verschwindet gelegentlich bei Kompression der ipsilateralen Vena jugularis. Seltener treten Schwindel, retroorbitaler Druck oder unspezifische kognitive Beeinträchtigungen auf. Fokal-neurologische Defizite, Bewusstseinsstörungen oder epileptische Anfälle sind untypisch.
Diagnostik
Die Diagnose einer Sinusstenose beruht auf dem Nachweis einer venösen Engstelle in der Bildgebung in Kombination mit einem funktionell relevanten Druckgradienten. Ziel ist es, zwischen einer anatomischen Variante ohne Bedeutung für den Blutfluss und einer krankhaften, klinisch relevanten Verengung zu unterscheiden.
Diagnostische Radiologie
Die venöse MR-Angiographie ist die Methode der Wahl. Besonders die kontrastverstärkte MRA erlaubt eine zuverlässige Beurteilung des lateralen Sinussystems und ist der nicht kontrastierten TOF-MRA überlegen. Weiterhin kann eine venöse Phasenkontrastangiographie (PCA) verwendet werden. Sie erlaubt eine direkte, quantitative Messung der Flussgeschwindigkeit und Flussrichtung im venösen Sinussystem ohne den Einsatz von Kontrastmittel.
Die venöse CT-Angiographie bietet eine höhere räumliche Auflösung, ermöglicht die exakte Darstellung der knöchernen Grenzen und ist insbesondere für die Beurteilung von Wanddefekten, Dehiszenzen oder Divertikeln des Sinus sigmoideus von Vorteil.
Interventionelle Radiologie
Der Nachweis einer hämodynamischen Relevanz gelingt mittels katheter-basierter Venographie mit Druckmessung. Dabei werden die Druckwerte proximal und distal der Stenose erhoben. Ein transstenotischer Druckgradient von mindestens 8-10 mmHg gilt als hämodynamisch relevant und therapeutisch bedeutsam. Diese invasive Messung dient zugleich als Vorbereitung für ein mögliches endovaskuläres Stenting.
Lumbalpunktion
Zur Abklärung der IIH wird ergänzend eine Lumbalpunktion durchgeführt, um den Liquoreröffnungsdruck zu bestimmen. Der Nachweis erhöhter Liquordrücke bei gleichzeitig vorhandener Sinusstenose spricht für einen pathophysiologischen Zusammenhang.
Therapie
Das therapeutische Vorgehen bei Sinusstenose richtet sich nach der Klinik, der zugrunde liegenden Pathophysiologie und dem nachgewiesenen hämodynamischen Druckgradienten. Grundsätzlich wird zwischen konservativen Maßnahmen, interventioneller Therapie und in Ausnahmefällen chirurgischen Verfahren unterschieden.
Konservative Therapie
Bei asymptomatischen oder geringgradigen Stenosen ohne relevanten Druckgradienten ist keine spezifische Behandlung erforderlich. Im Rahmen einer IIH steht zunächst die konservative Therapie im Vordergrund, bestehend aus Gewichtsreduktion, diuretischer Medikation (meist Acetazolamid oder Topiramat) und wiederholten therapeutischen Lumbalpunktionen zur temporären Drucksenkung. Diese Maßnahmen können den intrakraniellen Druck normalisieren und in manchen Fällen eine sekundäre Sinusstenose rückbilden.
Interventionelle Therapie
Bei therapierefraktärer IIH bzw. symptomatischer Stenose mit nachgewiesenem transstenotischem Druckgradienten ≥ 8-10 mmHg gilt die endovaskuläre Stentimplantation als wirksamste Behandlung. Über einen transfemoralen venösen Zugang wird ein selbstexpandierender Metallstent in den betroffenen Abschnitt des Sinus transversus oder sigmoideus eingebracht, um das Lumen dauerhaft zu stabilisieren und den venösen Abflusswiderstand zu senken. Das venöse Sinus-Stenting führt in ca. 80-95 % der Fälle zu einer deutlichen klinischen Besserung mit rascher Reduktion des intrakraniellen Drucks, Rückbildung des Papillenödems und signifikantem Rückgang des Kopfschmerzes. Als periinterventionelle Maßnahme wird eine duale Thrombozytenaggregationshemmung (meist ASS und Clopidogrel) über mehrere Monate empfohlen, anschließend erfolgt eine langfristige Monotherapie. Komplikationen sind selten, umfassen jedoch Sinusthrombosen, Blutungen, Dissektionen, Stentmigration oder In-Stent-Stenosen. Letztere können eine Reintervention erforderlich machen, treten jedoch nur in 5-10 % der Fälle und meist innerhalb des ersten Jahres nach Implantation auf.
Chirurgische Therapie
Operative Verfahren spielen nur in Ausnahmefällen eine Rolle, etwa bei sekundärer Sinuskompressionen durch Raumforderungen, Knochenanomalien oder posttraumatische Deformitäten. Eine direkte chirurgische Rekonstruktion des Sinus ist aufgrund der anatomischen Risiken kaum durchführbar.
Literatur
- Patsalides A et al. The River study: the first prospective multicenter trial of a novel venous sinus stent for the treatment of idiopathic intracranial hypertension. J Neurointerv Surg. 2025