Sinus-Stenting
Definition
Das Sinus-Stenting bezeichnet ein endovaskuläres, neuroradiologisches Verfahren zur Rekonstruktion eines Sinus durae matris bei hämodynamisch relevanter Stenose. Ziel ist die Wiederherstellung des physiologischen venösen Abflusses und die Reduktion des intrakraniellen Drucks, insbesondere bei therapierefraktärer idiopathischer intrakranieller Hypertension (IIH) oder pulsatilem Tinnitus.
Indikationen
Hauptindikation ist die idiopathische intrakranielle Hypertension mit nachgewiesener beidseitiger oder dominanter Sinusstenose und persistierender Symptomatik trotz konservativer Therapie. Voraussetzung für das Stenting ist ein transstenotischer Druckgradient von ≥ 8-10 mmHg in der Kathetermanometrie. Weitere Indikationen umfassen den pulsatilen Tinnitus durch lokalisierte Sinuswanddefekte oder Divertikel mit begleitender Stenose sowie selten sekundäre Sinuskompressionen, etwa postoperativ oder nach Thrombose.
Anatomische Zielregionen
Das Stenting betrifft überwiegend den lateralen venösen Abflussweg, insbesondere den Übergang zwischen Sinus transversus und Sinus sigmoideus. In etwa 90 % der Fälle erfolgt der Zugang auf der Seite des dominanten Sinus transversus. Bei bilateraler Stenose wird in der Regel zunächst die stärker betroffene Seite behandelt. Selten sind Stentimplantationen im Bereich des Sinus sagittalis superior oder des Sinus rectus erforderlich, da diese Abschnitte anatomisch stabiler sind und seltener komprimiert werden.
Durchführung
Das Verfahren wird unter Lokalanästhesie oder Analgosedierung über einen transfemoralen venösen Zugang durchgeführt. Nach Katheterisierung des dominanten Sinus transversus erfolgt eine präinterventionelle Venographie mit simultaner Druckmessung. Nach Bestätigung eines relevanten Druckgradienten wird ein selbstexpandierender Metallstent (meist aus Nitinol oder Cobalt-Chrom-Legierung) in den stenosierten Abschnitt implantiert. Das Stentlumen wird angiographisch kontrolliert und gegebenenfalls durch Ballondilatation optimiert. Der Eingriff dauert in der Regel 45–90 Minuten und kann ambulant oder kurzstationär durchgeführt werden. Postinterventionell erfolgt eine duale Thrombozytenaggregationshemmung mit Acetylsalicylsäure und Clopidogrel über drei bis sechs Monate, gefolgt von einer Monotherapie für weitere 6-12 Monate. Eine lebenslange Behandlung ist in der Regel nicht erforderlich.
Wirksamkeit
Prospektive Kohorten- und Registerstudien belegen eine hohe klinische Erfolgsrate des venösen Sinus-Stentings. In über 85 % der Fälle kommt es zu einer signifikanten Senkung des intrakraniellen Drucks und zur raschen Rückbildung der Symptome. Die RIVER-Studie als erstes multizentrisches, prospektives Register mit dediziertem venösen Stent zeigte eine deutliche Reduktion des Liquoreröffnungsdrucks, eine Verbesserung der Sehkraft und eine stabile Offenheitsrate von über 95 % nach zwölf Monaten. Auch bei pulsatilem Tinnitus führt das Stenting in über 80 % der Fälle zu einer vollständigen oder weitgehenden Symptomfreiheit. Die Verbesserung korreliert direkt mit der Reduktion des venösen Druckgradienten und der Normalisierung der Strömungsprofile.
Komplikationen
Periprozedurale Komplikationen sind relativ selten. Am häufigsten treten lokale Hämatome oder passagere Kopfschmerzen auf. Schwerwiegende Ereignisse wie Sinusruptur, Stentmigration, venöse Dissektion oder intrakranielle Blutung sind in weniger als 2 % der Fälle beschrieben.
In-Stent-Stenosen und Thrombosen sind die wichtigsten Spätkomplikationen und treten bei konsequenter Thrombozytenaggregationshemmung in etwa 5-10 % der Fälle auf. Diese können meist durch Re-Stenting oder Ballondilatation erfolgreich behandelt werden. Langzeitnachuntersuchungen zeigen stabile klinische und angiographische Ergebnisse über mehr als fünf Jahre, mit dauerhaftem Erhalt der Offenheit und anhaltender Symptomkontrolle.
Literatur
- Patsalides A et al. The River study: the first prospective multicenter trial of a novel venous sinus stent for the treatment of idiopathic intracranial hypertension. J Neurointerv Surg. 2025