Schilddrüsenhormonsynthese
Definition
Als Schilddrüsenhormonsynthese wird der biochemische Prozess bezeichnet, über den im menschlichen Körper Thyroxin (T4), Triiodthyronin (T3) und andere Schilddrüsenhormone produziert werden. Die Hormonsynthese kann mittels negativer Rückkopplung durch die produzierten Hormone in der Hypophyse und im Hypothalamus gehemmt werden. Thyroxin und seine Derivate entstehen aus der aromatischen Aminosäure Tyrosin.
Biochemie
Überblick
Die Schilddrüsenhormonsynthese findet am apikalen Zellpol der Thyreozyten der Schilddrüsenfollikel statt. Die Schilddrüsenhormone sind zwar Tyrosinderivate, die Synthese erfolgt aber nicht an freiem Tyrosin, sondern an Tyrosinresten des Thyreoglobulins. Thyreoglobulin ist in Form von Makromolekülketten als Kolloid im Lumen der Follikel gespeichert. Seine Biosynthese und posttranslationale Modifikation ist abhängig vom hypophysären (TSH) und damit indirekt von hypothalamischen Steuerhormonen (TRH).
Iodination
Iod ist der entscheidende Bestandteil der Schilddrüsenhormone. Es wird in der Schilddrüse zur Hormonproduktion gesammelt. Die Anreicherung von Iodid in den Follikelepithelzellen der Schilddrüse wird als Iodination bezeichnet. Iod wird über einen Na+/I--Symporter auf der basalen Seite der Epithelzellen der Follikel transmembranär aufgenommen, und dann auf der luminalen Zellseite über einen apikalen Anionentransporter (Pendrin) in das Kolloid abgegeben. Dabei wird es etwa 20-50fach angereichert. Um die Iodaufnahme aufrecht zu erhalten, sorgt die an der basalen Zellmembran gelegenen Na+/K+-ATPase stetig dafür, dass die aufgenommenen Natriumionen aus der Zelle geschleust werden.
Iodisation
Das negativ geladene Iod muss zunächst radikalisiert werden. Diese Umwandlung des aufgenommenen Iodids und seinen Einbau in das Thyreoglobulin bezeichnet man als Iodisation. Die Radikalisierung erfolgt durch H2O2, das durch die NADPH-Oxidase gebildet wird. Die Substituierung selbst wird durch das an der apikalen Membran gelegene Enzym Thyreoperoxidase (TPO) katalysiert. Es überträgt die Iodionen-Radikale auf den aromatischen Ring der Tyrosinreste in der Thyreoglobulin-Kette (Tg-Kette). Wenn ein Iod übertragen wird, entsteht Monoiodtyrosin (MIT), bei zwei Iod dementsprechend Diiodtyrosin (DIT).
- 2I- + ½ O2 + Tyrosylrest → I- + OH- + Monoiodtyrosylrest (MIT)
- 2I- + ½ O2 + Monoiodtyrosylrest → I- + OH- + Diiodtyrosylrest (DIT)
Im Rahmen der Iodisation wird vor allem DIT gebildet, etwas weniger MIT. Auch iodfreies Tyrosin ist noch in geringem Umfang vorhanden. Sowohl DIT, als auch MIT und Tyrosin sind dabei mit ihren Alanylresten an Thyreoglobulin gebunden.
Konjugation
Zum Teil können von der Alanyl-Peptidkette die Hydroxyphenylreste und deren Iod-haltige Derivate von DIT, MIT und Thyrosin als Semichinonradikale abgespalten werden:
- 3,5-Di-Iod-4-Hydroxyphenyl-Rest von DIT
- 3-Mono-Iod-4-Hydroxyphenyl-Rest von MIT
- Hydroxyphenyl-Rest von Tyrosin
Sie werden dann mit anderen, noch im Thyreoglobulinverband eingebundenen DIT-, MIT- und Tyrosin-Resten konjugiert, was auch als "Kopplung" bezeichnet wird. Chemisch gesehen findet eine Veretherung statt, die durch die Thyreoperoxidase vermittelt wird. Dabei gibt es 3 x 3, d.h. insgesamt 9 Kombinationsmöglichkeiten, bei der acht 4-fach-, 3-fach-, 2-fach- oder 1-fach-iodierte Thyronin-Abkömmlinge (Iodothyronine) und ein nicht-iodiertes Thyronin entstehen. Die wichtigsten Abkömmlinge sind:
- Thyroxin (T4)
- Triiodthyronin (T3)
- Reverse-T3 (rT3)
Weiterhin entstehen:
- 3,5-Diiodthyronin (3,5-T2)
- 3',5'-Diiodthyronin (3',5'-T2)
- 3,3'-Diiodthyronin (3,3'-T2)
- 3-Monoiodthyronin (3-T1)
- 3'-Monoiodthyronin (3'-T1)
- Thyronin (T0)
Die Stimulation der Iodination (Iodid-Trapping) und Iodisation durch TSH hat zur Folge, dass bei der Synthese und Sekretion der Schilddrüsenhormone T4 bei weitem überwiegt (etwa 100 µg/Tag). Die 3-fach iodierten Iodothyronine (T3, rT3) werden dagegen in deutlich geringerem Umfang (etwa 10%) produziert. Alle anderen Iodothyronine haben quantitativ nur eine untergeordnete Bedeutung.
Deiodierung
Neben der De-Novo-Synthese in der Schilddrüse können einige Schilddrüsenhormone auch durch Deiodierung in peripheren Körperzellen gebildet werden. Diese Reaktion wird enzymatisch durch die Selen-abhängigen Deiodasen Dio1, Dio2 und Dio3 gesteuert. Es handelt sich dabei ausschließlich um Deiodierungen an Position 5', also am äußeren Phenyl-Ring, und an Position 5, also am inneren Tyrosyl-Ring der Iodothyronine. Die Positionen 3' und 3 können durch Deiodasen nicht abgebaut werden. Mögliche Deiodierungen sind:
- T4 → T3: Die wichtigste Konversion ist die 5'-Deiodierung durch Dio 2 und Dio 1. T4 wird ausschließlich in der Schilddrüse synthetisiert. Es wirkt lang, aber gering und hat eine Halbwertzeit von ca. 8 Tagen. Es ist ein Depot- und Prohormon für das eigentliche Hormon T3, das an T3-Rezeptoren anbindet. Nur freies T4 (fT4) und freies T3 (fT3) wird von der Zelle aufgenommen. T3 wird zum geringeren Teil (ca. 20 %) in der Schilddrüse synthetisiert, aber zu 80% in der Peripherie aus T4 gebildet. Die Wirkung von T3 ist im Vergleich zu T4 kurz (ca. 24 Stunden), das Hormon hat aber eine deutlich stärke Affinität zum Schilddrüsenhormonrezeptor, ist also wirksamer.
- T4 → rT3: Reverse T3 entsteht bei der 5-Deiodierung durch Dio 3 und Dio 1 und ist biologisch inaktiv. Physiologisch werden nur geringe Mengen von rT3 aus T4 konvertiert - vor allem als Ausweichkonversion bei höherem T4-Anfall. Unter pathologischen Bedingungen entsteht rT3 durch Konversionsstörungen, z.B. bei Abschwächung der 5'-Deiodierung (Dio 2 + Dio 1). T4 wird dann nicht zu T3, sondern überwiegend zu rT3 konvertiert, was man als Low-T3-Syndrom bezeichnet.
- rT3 → 3,3'-T2: Dieser Reaktion liegt eine 5'-Deiodierung mit Dio 2 und Dio 1 zugrunde. Physiologisch handelt es sich um eine Abbaureaktion. Beim Low-T3-Syndrom kann es zu einem verminderten Abbau kommen.
- T3 → 3,3'-T2: Ist ebenfalls eine Abbaureaktion mit 5-Deiodierung via Dio 3 und Dio 1.
Die Deiodierungen 3',5'-T2 → 3'-T1 und 3,5-T2 → 3-T1 sind weitere mögliche Abbaureaktionen, die in der Literatur nicht beschrieben, aber plausibel sind.
Regulation
Das Schilddrüsen stimulierende Hormon (TSH) leitet den Prozess der Thyroxinausschüttung in das Blut ein. Dabei wird endozytotisch Follikelflüssigkeit aufgenommen. Das Endosom verschmilzt intrazellulär mit einem Lysosom mit Verdauungsenzymen, sodass das Tg-Molekül durch diese proteolytisch gespalten wird und das Thyroxin ungebunden vorliegt. Durch Exozytose verlassen die Hormone die Schilddrüsenzelle und gelangen mit dem Blutkreislauf in den gesamten menschlichen Körper. In den Zielzellen wird das T4 mithilfe von Transportproteinen durch die Plasmamembran transportiert, wo es mittels Deiodinase zu vielfach aktiverem T3 abgebaut wird.
Schilddrüsenhormone hemmen zudem die Aktivität der thyrotropen Zellen der Hypophyse und die Ausschüttung von TRH im Hypothalamus. Das bedeutet, dass bei hohem T3 und T4-Spiegel die Schilddrüsenhormonsynthese inhibiert wird (negative Rückkopplung).
Klinik
Störungen, die die Hormonbiosynthese der Schilddrüse betreffen sind:
- Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose)
- Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose), was zu Kretinismus oder zum Myxödem führen kann
Podcast
Literatur
- Manuskript "Schilddrüsenhormonsynthese" von Dr. med. Paul Wolters
- D. S. Cooper, P. W. Ladenson. The Thyroid Gland. In: D. G Gardner und D. Shoback. Greenspan's Basic & Clinical Endocrinology. McGraw-Hill, New York 2011. ISBN 9780071622431. S. 163-226
- P. Kopp. Thyroid Hormone Synthesis. In: L. E. Bravermann, D. S. Cooper. Werner & Ingbar's The Thyroid. Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia 2013. ISBN 9781451120639. S. 48-74
- Mondal S, Raja K, Schweizer U, Mugesh G. Chemistry and Biology in the Biosynthesis and Action of Thyroid Hormones. Angew Chem Int Ed Engl. 2016 Jun 27;55(27):7606-30. doi: 10.1002/anie.201601116. PMID 27226395.
Bildquelle
- Bildquelle Podcast: © Carly Mackler / Unsplash
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