Perilymphfistel
Synonym: äußere Perilymphfistel
Englisch: perilymphatic fistula, round window rupture
Definition
Als Perilymphfistel, kurz PLF, bezeichnet man eine Verbindung zwischen Innenohr und Mittelohr beziehungsweise Mastoid mit Austritt von Perilymphe. Sie führt zu einem peripheren Schwindelsyndrom.
- ICD10-Code: H61.1
Abgrenzung
Als (äußere) Perilymphfistel wird i.d.R. eine Läsion im ovalen oder rundem Fenster bezeichnet. Eine Sonderform stellen innere Perilymphfisteln dar, die auf einer Dehiszenz des vorderen Bogengangs beruhen. Durch den Knochendefekt besteht eine Verbindung zum Schädelinneren ("drittes Fenster"); dabei muss jedoch keine Perilymphe austreten.
Zwar handelt es sich um ähnliche Krankheitsbilder, jedoch werden sie von einigen Autoren als getrennte Entitäten dargestellt.[1]
Epidemiologie
Ätiologie
Als Ursachen einer Perilymphfistel kommen in Frage:
- Trauma (z.B. Barotrauma, Felsenbeinfraktur)
- arrodierende Entzündungen (z.B. Cholesteatom)
- iatrogene Ursachen (z.B. im Rahmen einer Stapesplastik)
- Infektionen
- kongenitale Missbildungen (Mondini-Syndrom)
- evtl. spontane Ruptur bei Prädisposition im Rahmen von Pressmanövern, schwerem Heben oder Niesattacken (umstritten)
Durch das Abfließen der Perilymphe und den Eintritt von Luft ins Labyrinth entstehen Funktionsstörungen und ggf. irreversible Strukturschäden im Innenohr.
Symptome
Die Symptome können einen sehr unterschiedlichen Schweregrad haben, der von leichter Beeinträchtigung bis hin zum totalen Kontrollverlust des Patienten reicht. Zu den Leitsymptomen zählen
- fortschreitende Schallempfindungsschwerhörigkeit
- Gleichgewichtsstörungen: Schwank- oder Drehschwindelattacken mit Oszillopsien und Stand- und Gangunsicherheit, ausgelöst durch Druckänderungen wie Husten, Pressen, Niesen, Heben, laute Geräusche (Tullio-Phänomen)
- Tinnitus
Die Attacken dauern meist Sekunden, selten Stunden bis Tage an und können auch bei Änderung der Kopfposition oder Überwindung größerer Höhenunterschiede auftreten. Einige Betroffene berichten über ein Völle- oder Druckgefühl im Ohr oder glucksende Geräusche. Bei einem Cholesteatom können außerdem Otorrhoe und Otalgie vorhanden sein.
Diagnostik
Gerade bei wenig ausgeprägter Symptomatik sind Perilymphfisteln oft schwer zu diagnostizieren. Das klinische Bild ist wenig wegweisend. Als diagnostische Verfahren kommen in Betracht:
- Provokationstests durch Druckänderungen
- vestibulär evozierte myogene Potenziale (VEMP)
- hochauflösende Computertomographie (CT) mit Darstellung der Felsenbeine
- Untersuchung auf ein Tullio-Phänomen: vestibuläre Otolithen- oder Bogengangssymptome durch seitengetrennte laute Beschallung mit unterschiedlichen Frequenzen.
Bei den Provokationstestungen werden die Augenbewegungen z.B. mittels Frenzelbrille oder Videookulographie beobachtet. Als Auslöser dienen Valsalva-Manöver, Tragusdruckversuch und eine Untersuchung mittels Politzer-Ballon. Bei letzteren beiden lässt sich oft die betroffene Seite identifizieren. Tinnitus oder eine Hörminderung in der Audiometrie weisen ebenfalls auf das betroffene Ohr hin.
Eine hochauflösende Computertomographie dient der Diagnosesicherung und der Abgrenzung von Differenzialdiagnosen. In Einzelfällen ist eine Magnetresonanztomographie notwendig. Die Bestimmung von spezifischen Markerproteinen (z.B. Beta-Trace-Protein) aus einer Mittelohrlavage wird derzeit (2020) nicht zur Diagnose empfohlen.[2]
Als Goldstandard gilt die explorative Tympanoskopie. Hierbei wird das ovale und das runde Fenster inspiziert und die Flüssigkeitsfüllung des Innenohrs getestet. Dieses Verfahren kann ggf. durch intrathekale Fluoresceinapplikation zum Nachweis der Fistel ergänzt werden. Da Perilymphfisteln i.d.R. von selbst heilen, wird die Indikation zur Tympanoskopie zurückhaltend gestellt.
Therapie
Perilymphfisteln werden i.d.R. konservativ behandelt. Bei Persistenz oder Aggravation der Beschwerden kommt die chirurgische Therapie in Frage. Der ideale Zeitpunkt der chirurgischen Therapie wird kontrovers diskutiert.
Konservative Therapie
Konservative Maßnahmen sind eine 1- bis 3-wöchtige Bettruhe, Kopfhochlagerung sowie die Gabe von Abführmitteln, um Pressen beim Stuhlgang zu vermeiden. Auch nach Besserung ist eine mehrwöchige körperliche Schonung unter Vermeidung von schwerem Heben, Bauchpressen oder heftigem Husten notwendig. Hierunter kommt es fast immer zur Heilung.
Chirurgische Therapie
Eine chirurgische Therapie der Perilymphfistel führt in bis zu 70 % d.F. zu einer Besserung des Schwindels, jedoch nur selten zur Reduktion des Hörverlusts. Im Rahmen der Operation wird im Bereich der Fistel die Schleimhaut entfernt und autologes Gewebe (z.B. Knorpel oder Faszie) als Patch aufgetragen.
Weitere OP-Indikationen sind:
- Perilymphfistel aufgrund eines Cholesteatoms
- massive Otoliquorrhö
- akute Fazialisparese
Quellen
- ↑ Krause E. Kleine aber feine Unterschiede weisen den Weg, HNO Nachrichten. 44, 38-40(2014), Springer, abgeufen am 29.04.2020
- ↑ Bachmann-Harildstad G et al.: β-trace protein as a diagnostic marker for perilymphatic fluid fistula: a prospective controlled pilot study to test a sample collection technique. Otology & neurotology: official publication of the American Otological Society, American Neurotology Society [and] European Academy of Otology and Neurotology (Impact Factor: 1.6). 01/2011; 32(1):7-10
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