OBS-Tendinitis (Pferd)
Synonym: Tendinitis der oberflächlichen Beugesehne
Englisch: superficial digital flexor tendinitis, SDFT
Definition
Als OBS-Tendinitis bezeichnet man eine entzündliche Verletzung der oberflächlichen Beugesehne (OBS) beim Pferd.
Epidemiologie
Die OBS-Tendinitis stellt die zweithäufigste Sehnenverletzung bei Warmblut- und Rassesportpferden dar (29 %). Am häufigsten ist der Fesselträger mit rund 32 % aller Sehnenverletzungen betroffen.
OBS-Tendinitiden kommen vermehrt an der Vordergliedmaße vor und betreffen hauptsächlich Sportpferde. Die Erkrankung kann aber auch bei allen anderen Rassen gefunden werden.
Einteilung
Die OBS-Tendinitis wird anhand ihrer Ausdehnung (Größe der Läsion) und ihrer Lokalisation an der Gliedmaße wie folgt unterteilt.
...nach Schweregrad
- geringgradig: bis 15 % der "cross-sectional-area" (CSA)
- mittelgradig: 15 bis 30 % der CSA
- hochgradig: über 30 % der CSA
...nach Lokalisation
- proximaler Metakarpus/Metatarsus (eher bei alten, nicht sportlich genutzten Pferden)
- mittlerer Metakarpus/Metatarsus (häufigste Lokalisation)
- distaler Metakarpus/Metatarsus
- Aufzweigung in der Fesselregion
In der klinischen Anwendung wird die Lokalisation der Läsion häufig anhand von verschiedenen Zonen in sieben Level unterteilt (Level 1 bis 7).
Ätiologie
Auslöser einer OBS-Tendinitis sind chronische Überbelastungen (z.B. intensives Training, Pferderennen) und rezidivierende Traumata, die zu Mikroverletzungen der Sehne führen.
Biomechanik
Während des Galopps wird das Fesselgelenk bei der Fußung überstreckt (Hyperextension). Dabei entstehen kurzzeitig große Zugkräfte, die auf die oberflächliche Beugesehne wirken. Aufgrund des Aufbaus (Kollagenfasern u.ä.) funktioniert die oberflächliche Beugesehne bei starken Zugkräften wie ein elastisches Bungee-Seil, das kurzzeitig gedehnt wird und sich anschließend wieder verkürzt. Während Höchstleistungen kann die Sehne auf diese Weise um maximal 16 % gedehnt werden (physiologisches Limit).
Pathogenese
Die Pathogenese ist derzeit (2020) noch nicht vollständig geklärt. Es wird jedoch angenommen, dass Sehnenschäden im mittleren Metakarpalbereich deshalb entstehen, weil hier die meisten Zugkräfte auf die Sehne wirken. Durch die zentrale Lage und sich wiederholende Traumata, die wiederum zu Mikroverletzungen der Kollagenfasern führen, kommt es letztendlich zur Bildung größerer Läsionen.
Klinik
Betroffene Pferde zeigen eine Stützbeinlahmheit unterschiedlichen Grades. Der Metakarpus weist eine typische Schwellung auf ("bananenförmig"), ist deutlich druckdolent und vermehrt warm. Bei der Palpation erscheint die Sehne entweder geschwollen-weich (Akutstadium) oder auch fibrotisch-derb (chronisches Stadium).
Die Verletzung befindet sich häufig im mittleren Drittel des Metakarpus.
Diagnose
Anamnese, klinische und orthopädische Untersuchung geben erste Hinweise auf eine Verletzung der Beugesehnen. Mithilfe von diagnostischen Anästhesien und Röntgenuntersuchungen können mögliche Differenzialdiagnosen ausgeschlossen werden.
Die endgültige Diagnose wird mittels Ultraschall gestellt. Hierbei sind die palmaren bzw. plantaren Sehnen sowohl im Längs- als auch im Querschnitt zu kontrollieren. Läsionen innerhalb der Sehnen lassen sich so meist als hypoechogene Zonen darstellen.
Therapie
Aufgrund des häufigen Vorkommens und der betroffenen Pferde (v.a. Sportpferde), sind in der Literatur etliche verschiedene Therapiemöglichkeiten beschrieben. Grundsätzlich muss man zwischen konservativen und chirurgischen Methoden unterscheiden.
Konservativ
In der akuten Phase ist die OBS-Tendinitis regelmäßig zu kühlen (z.B. Kühlpads, mehrmals täglich 10 Minuten lang mit Wasser abspritzen u.ä.) und topisch mit Dimethylsulfoxid (DMSO) zu versorgen. Betroffene Pferden sollten systemisch NSAIDs bekommen (z.B. Phenylbutazon) und einen Stützverband tragen. Der verletzte Abschnitt kann intraläsional mit mesenchymalen Stammzellen (MSC, z.B. aus dem Sternum entommen) oder mit plättchenreichem Plasma (PRP) therapiert werden. Zusätzlich kann eine Stoßwellentherapie durchgeführt werden.
Wichtig jedoch ist, dass die Tiere strikte Boxenruhe einhalten. Diese muss für mindestens vier Wochen verordnet werden, bevor ein Aufbautraining begonnen werden kann. Folglich ein Beispiel für den zeitlichen Ablauf eines Aufbauprogramms nach einer OBS-Tendinitis:
Trainingslevel | Woche | Dauer und Intensität |
---|---|---|
0 | 1 bis 4 | Boxenruhe |
1 | 5 bis 8 | 2x täglich 10 Minuten Schrittgehen |
Kontrollultraschall nach 2 Monaten | ||
2 | 9 bis 12 | täglich Schrittprogramm |
3 | 13 bis 20 | 30 Minuten täglich Schrittprogramm mit Reiter |
Abhängig von der Klinik und der Größe der Läsion können auch bis zu 6 Monate kontrolliertes Bewegungsprogramm notwendig sein, bis keine Lahmheit mehr sichtbar ist.
Chirurgisch
Bei einer OBS-Tendinitis kann neben einer Tenoskopie der Karpalbeugesehnenscheide bzw. der Fesselbeugesehnenscheide auch eine Sehnensplittung in longitudinaler Richtung durchgeführt werden. Diese soll zu einer Revaskularisation und Einwanderung von Zellen führen, sodass die Heilung der Läsion unterstützt wird.
Die Desmotomie des Unterstützungsbandes der tiefen Beugesehne (Ligamentum accessorium) wird kontrovers diskutiert. Ein positiver Effekt konnte bislang wissenschaftlich nicht belegt werden.
Quellen
- Baxter GM. 2011. Adams and Stashak's Lameness In Horses. Sixth edition. Wiley-Blackwell Publishing, Ltd. ISBN: 978-0-8138-1549-7/2011.
- Witte S, Dedman C, Harriss F, Kelly G, Chang YM, Witte TH. 2016. Comparison of treatment outcomes for superficial digital flexor tendonitis in National Hunt racehorses. Vet J 216:157-63. doi: 10.1016/j.tvjl.2016.08.003.
- Ross MW. 1997. Surgical Management of Superficial DigitalFlexor Tendinitis. Proceedings of the Annual Convention of the AAEP.
- Smith RKW. 2008. Tendon and Ligament Injury. Proceedings of the Annual Convention of the AAEP.
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