Mesenchymale Stammzelle
Synonym: mesenchymale Stromazelle
Englisch: mesenchymal stem cell, MSC
Definition
Mesenchymale Stamzellen, kurz MSCs, sind die Stammzellen des Bindegewebes, die sich zu Adipozyten, Myozyten, Chondroblasten, Osteoblasten und Knochenmarksstromazellen differenzieren können. Sie wachsen adhärent und formieren Fibroblasten-ähnliche Kolonien.
Vorkommen
Mesenchymale Stammzellen finden sich überwiegend im Knochenmark, in gewissem Maße kommen sie aber auch im Blut, im Fettgewebe, in der Skelettmuskulatur, in den Bandscheiben, in der Plazenta und im Bindegewebe der Haut vor. Eine Unterstützungsschicht der dorsalen Aorta in der aorto-gonadalen-mesonephrischen Region (AGM) wird als embryologischer Ursprung der MSCs angenommen. Dass mesenchymale Stammzellen in so vielen Gewebearten vorkommen, lässt sich dadurch erklären, dass diese Zellen wahrscheinlich identisch mit den perivaskulären Zellen (Perizyten) der allgegenwärtigen Blutkapillaren sind.
Biochemie
Differenzierung
Mesenchymale Stammzellen sind heterogen und können in verschiedenen Geweben mit unterschiedlicher Mikroumgebung wachsen. Die Umgebung beeinflusst dabei ihre Differenzierungsfähigkeit. Aus Fettgewebe isolierte MSCs benötigen für die chondrogene Differenzierung nicht nur TGF-β, sondern zusätzlich BMP6. Im Gegensatz dazu können aus dem Knochenmark isolierte MSCs allein mit TGF-β zur chondrogenen Differenzierung angeregt werden. Sie können sich auch zu neuronalen, epithelialen oder endothelialen Zellen differenzieren. Bis jetzt ist kein spezifischer Oberflächenmarker für MSCs identifiziert, da sie in unterschiedlichen Mikroumgebungen manche ihrer Oberflächenmarker verlieren, dafür aber andere, unspezifische Marker produzieren - ihre Multipotenz behalten sie jedoch immer bei.
Kultivierung
Mesenchymale Stammzellen lassen sich in Zellkulturen vermehren und in vitro in unterschiedliche Zellen und Gewebe ausdifferenzieren. Die Art der Differenzierung lässt sich durch Aktivierung bzw. Unterdrückung von Genen aktiv steuern. Die erfolgreiche Kultivierung ist von verschiedenen Faktoren abhängig, unter anderem von der Zelldichte, von der Zusammensetzung des Kulturmediums, der Anzahl der Zellpassagen und der Seneszenz der Zellen sowie vom Sauerstoffgehalt der Umgebung.[1]
Funktionen
Als Stammzellen sind die mesenchymalen Stammzellen multipotent, das heißt sie können noch in eine Vielzahl von Zellen differenzieren (siehe oben). So können sie einen Zellverlust ausgleichen und damit alte, defekte Zellen ersetzen oder Zellen, die durch Traumen verloren gegangen sind. Darüber hinaus besitzen sie immunmodulatorische Eigenschaften.
Im Knochenmark sind die mesenchymalen Stammzellen ein wichtiger Teil der Knochenmarksnische: Hier sezernieren sie viele Proteine, die als Bestandteil der Extrazellulärmatrix wichtig für die Funktion der hämatopoetischen Stammzellen sind, aus denen sich die Zellen des Blutsystems entwickeln.
Wichtige sezernierte Proteine sind Fibronektin, Kollagen, Laminin und Proteoglykane. Eine besondere Bedeutung für die Steuerung der Entwicklung der hämatopoetischen Stammzellen ist auch der direkte Zell-Zell-Kontakt.
Medizinische Bedeutung
Tissue engineering
Die Methode des tissue engineerings, die Anzucht von Geweben in vitro, ist im Moment noch Gegenstand intensiver Forschung; therapeutische Interventionen konzentrierten sich bislang auf die Anzucht von Gewebe, das ausschließlich aus einer Zellart besteht, wie das Knorpelgewebe. Hierfür werden schon weiter differenzierte Zellen eingesetzt. Stammzellen, wie die mesenchymalen Stammzellen, sind für das tissue engineering aber besonders interessant auf Grund ihrer Fähigkeit zur Differenzierung in verschiedene Gewebe und zum self-renewal. Unter „self-renewal“ wird eine Zellteilung verstanden, bei der mindestens wieder eine Stammzelle mit identischem Replikations- und Differenzierungspotential entsteht. Stammzellen können sich somit exzessiv teilen und anschließend in das gewünschte Gewebe differenzieren. Daher wird aktuell intensiv geforscht, mit dem Ziel, zukünftig diese Stammzellen für die Therapie einsetzen zu können.
Krebs
Mesenchymale Stammzellen wirken immunsuppressiv: Unter anderem über die Sekretion von Interleukin 6 hemmen sie die Aktivität und Proliferation von B- und T-Lymphozyten.
Krebszellen nutzen dies aus und rekrutieren gezielt mesenchymale Stammzellen, um sich vor dem Immunsystem zu schützen.
Des Weiteren gibt es Hinweise, dass Tumorzellen die Stromazellen in ihrer unmittelbaren Umgebung - und somit auch die mesenchymalen Stammzellen - verändern. Daraufhin sezernieren die Stromazellen vermehrt Faktoren, die das Wachstum der Tumorzellen fördern. Es entsteht ein "Tumormilieu", das die Progression der Krebserkrankung fördert. Diese Interaktion zwischen Stroma- und Tumorzellen zu unterbinden, stellt daher einen interessanten Ansatz für neue Therapien dar.
Immuntherapie
Gepoolte mesenchymale Stromazellen werden therapeutisch bei der Behandlung der Graft-versus-Host-Reaktion eingesetzt.
Quellen
- ↑ Katarzyna Drela, Luiza Stanaszek, Adam Nowakowski, Zuzanna Kuczynska, and Barbara Lukomska: Experimental Strategies of Mesenchymal Stem Cell Propagation: Adverse Events and Potential Risk of Functional Changes Stem Cells Int. 2019; 2019: 7012692. Published online 2019 Mar 6. doi: 10.1155/2019/7012692 PMCID: PMC6431404 PMID: 30956673corresponding author
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