Knochenmarksnische
Definition
Die Knochenmarksnischen sind spezielle Orte im Knochenmark, wo sich die hämatopoetischen Stammzellen befinden. Die Nischen bestehen aus speziellen Zellen, die durch die Produktion von beispielsweise Zytokinen das Schicksal der hämatopoetischen Stammzellen während der Hämatopoese bestimmen (Ruhestadium/ Proliferation/ Differenzierung).
Die starke Abhängigkeit der Stammzellen von ihren Nischen wird durch Beobachtungen bekräftigt, die zeigen, dass wenn Nischen verschwinden auch die Stammzellen zugrunde gehen. Auf der anderen Seite expandieren bei einer Vergrößerung der Nische auch deren Stammzellen.
Zusammensetzung der Knochenmarksnischen
Die Nischen bestehen aus Osteoblasten und -klasten, Mesenchymzellen, Adipozyten, Endothelzellen und Makrophagen. Neben der schon erwähnten Zytokinproduktion haben sie jeweils noch spezifische Aufgaben:
- Mesenchymzellen: Sie bilden das Gerüst, in dem sich die blutbildenden Zellen entwickeln können.
- Adipozyten: Sie dienen als Platzhalter. Ist eine gesteigerte Hämatopoese nötig, können sie ihr Fett freisetzen und somit Platz für die neuen Blutzellen machen.
- Endothelzellen: Sie bilden die Wand der Sinusoide im Knochenmark, durch die die neuen Blutzellen in das Blut übertreten können.
- Makrophagen: Sie phagozytieren apoptotische unreife Blutzellen und alte Erythrozyten und geben deren Eisen an die neugebildeten Erythrozyten weiter.
Unterteilung der Knochenmarksnischen
Bei den Nischen kann zwischen osteoblastischer und vaskulärer Nische unterschieden werden, die den Stammzellen jeweils unterschiedliche Bedingungen bieten.
Osteoblastische Nische
Diese osteoblastische Nische - auch endostale Nische genannt - befindet sich in der Nähe des Endosts. Sie beherbergt die sogenannten „long-term“ hämatopoetischen Stammzellen. Die „long-term“ Stammzellen haben noch eine ausgeprägte Fähigkeit zum self-renewal, der Selbsterneuerung und befinden sich überwiegend im Ruhestadium (Quieszenz). In der osteoblastischen Nische herrscht eine starke Hypoxie, die vermutlich essentiell für den Verbleib der Stammzellen im Ruhestadium ist. Eine wichtige Rolle scheint dabei der Hypoxie-induzierte Faktor Hif zu spielen.
Kommt es zu einem Wachstumsstimulus, so wechseln die Stammzellen von der osteoblastischen zur vaskulären Nische (vermutlich vermittelt über das Chemokin und Adhäsionsprotein CXCL-12).
Vaskuläre Nische
Die vaskuläre Nische bietet die geeigneten Bedingungen zur Proliferation und Differenzierung der Stammzellen. Die "long-term" Stammzellen differenzieren hier zu den "short-term" Stammzellen, deren Fähigkeit zur Selbsterneuerung limitiert ist und weiter zu den Progenitorzellen. Die Progenitorzellen verfügen über kein Selbsterneuerungs-Potenzial mehr, ihre Proliferationsrate ist jedoch sehr hoch. Somit können sie viele Blutzellvorläufer produzieren, die immer weiter differenzieren bis letztlich zu den reifen Blutzellen.
Die vaskuläre Nische befindet sich in der Nähe der Sinusoide so dass die neu gebildeten Blutzellen direkt in die Blutbahn übertreten können.
Knochenmarksnischen und Krebs
Hämatopoetische Stammzellen und Progenitorzellen können vermutlich durch Mutationen zu sogenannten Tumorstammzellen werden. Tumorstammzellen teilen viele Eigenschaften mit den normalen Stammzellen (wie die Fähigkeit zur Selbsterneuerung und Differenzierung) und haben die Fähigkeit zur Tumorgenerierung.
Im Gegensatz zu den normalen Stammzellen sind die Tumorstammzellen aber wahrscheinlich nicht abhängig von ihren Nischen und können auch ohne deren Stimulation proliferieren und differenzieren – und somit tumoröses Gewebe bilden.
Zudem gibt es Hinweise darauf, dass die Tumorstammzellen ihrerseits auch die Nische verändern: Unter physiologischen Bedingungen bietet die Nische bei Abwesenheit von Wachstumsstimuli antiproliferative Bedingungen. Bei Nischen, die Tumorstammzellen beherbergen, scheinen hingegen Signalwege, die die Proliferation und Differenzierung der Stammzellen fördern, verstärkt aktiv zu sein. Die Nischen würden somit das Wachstum von Tumoren zusätzlich fördern.
Aus diesem Grund wird aktuell nach Möglichkeiten geforscht, die Nischen therapeutisch zu beeinflussen und somit auch das Tumorwachstum. Hierfür ist aber noch viel Arbeit nötig, da bei den zugrunde liegenden Signalwegen noch viele Unklarheiten herrschen.