Tumorstammzelle
Englisch: cancer stem cell
Definition
Tumorstammzellen sind Krebszellen, die essentielle Stammzelleigenschaften besitzen, wie sich selbst zu erneuern (self-renewal) und in verschiedene Zellen zu differenzieren. Diese Eigenschaften sind aber durch Mutationen modifiziert, zum Beispiel können sie unabhängig von Stimuli konstitutiv aktiv sein, und somit die Tumorstammzellen befähigen , einen Tumor zu generieren. Auch wenn vermutlich nicht alle Tumorarten aus ihnen entstehen, so konnten sie doch mittlerweile in den unterschiedlichsten Tumorentitäten (z.B. Brustkrebs, Hirntumore, kolorektale Karzinome, Pankreaskarzinome, Kopf-Hals-Tumore, HCC etc.) identifiziert werden.
Geschichte
Schon in den 1970er Jahren wurde bei Versuchen beobachtet, dass nur ein geringer Prozentsatz der isolierten Tumorzellen zur Bildung einer Zellkolonie fähig war und bei der Transplantation in eine Maus einen Tumor generieren konnte.
Später konnten auf diesen Zellen Oberflächenmarker identifiziert werden, die sie mit normalen Stammzellen gemeinsam haben.
Aufgrund dieser beiden Entdeckungen wurde postuliert, dass nur diese speziellen Krebszellen zur Tumorgenese fähig sind. Weil diese Zellen wesentliche Eigenschaften mit den Stammzellen gemein haben, wurden sie Tumorstammzellen genannt.
Als erstes konnten sie bei der Leukämie identifiziert werden, nach und nach aber in immer mehr Tumorarten wie dem Brustkrebs und Gehirntumoren.
Gegenstand aktueller Forschung ist die Suche nach tumorstammzell-spezifischen Oberflächenmarkern und Signalwegen, die Tumorstammzellen von normalen Zellen sowie von normalen Stammzellen unterscheiden. Erkenntnisse dieser Art vertiefen das Verständnis der Onkogenese und wecken die Hoffnung auf Therapien, die nebenwirkungsarm spezifisch nur die Tumorstammzellen vernichten und somit auch endgültig den Tumor sowie seine Metastasen.
Herkunft
Die Herkunft ist bisher nicht vollständig geklärt. Zur Debatte stehen die Entstehung von Tumorstammzellen aus normalen Stammzellen oder aus den weiter differenzierten Progenitorzellen. Damit aus normalen Stammzellen Tumorstammzellen werden, sind Mutationen nötig, die dazu führen, dass die Proliferation und Differenzierung auch unabhängig von Wachstumsstimuli stattfindet. Zudem ist die Differenzierung gestört – sie findet nur bis zu einem bestimmten Punkt statt und die Zellen bleiben unreif und überwiegend funktionslos.
Entstehen Tumorstammzellen aus Progenitorzellen, ist zuvor zusätzlich eine Mutation nötig, die die Zelle wieder zur Selbsterneuerung befähigt. Diese Eigenschaft hat die Progenitorzelle bei ihrer Differenzierung aus der Stammzelle zuvor verloren.
Hinweise für das Zutreffen gibt es für beide Theorien. Einige Tumorstammzellen besitzen gemeinsame Oberflächenmarker mit Stammzellen, andere gemeinsame mit Progenitorzellen.
Vermutlich treffen beide Hypothesen zu: Einige Tumorstammzellen entwickeln sich aus Stamm- andere aus Progenitorzellen.
Darüber hinaus vermuten einige Wissenschaftler, dass durch Dedifferenzierung und gleichzeitig vorhandene Plastizität ("Wandelbarkeit") von Krebszellen (non-CSCs) diese in der Lage sind, sich in Krebstammzellen (CSCs) zu verwandeln. In Hinblick auf die Mechanismen und Signalwege der Dedifferenzierung von Krebszellen in Krebsstammzellen werden intrinsische sowie extrinsische Faktoren bzw. Einflüsse diskutiert. Beispielsweise werden hier Signale ("cues") von Nachbarzellen oder -strukturen in unmittelbarer Umgebung von Tumorzellen (tumour microenvironment bzw. niche) angeführt.
Eigenschaften
Tumorstammzellen ähneln stark den normalen Stammzellen: Sie zeichnen sich aus durch
- Fähigkeit zum Self-renewal: Selbsterneuerung - bei einer Zellteilung entsteht immer auch wieder eine neue Stammzelle
- hohe Proliferations-Kapazität
- Differenzierungs-Potenzial: durch Differenzierung in verschiedene Zellen entsteht die Heterogenität der Tumore
- Quieszenz: Stammzellen befinden sich überwiegend im Ruhestadium G0
- Resistenz gegenüber Apoptose-Stimuli: zum Beispiel durch Überexpression von Mitgliedern der Bcl-2-Familie
- hohe Expression von Arzneistofftransportern: wichtig für die Resistenz der Stammzellen gegenüber Zytostatika durch das Herauspumpen dieser aus der Zelle
Durch diese Eigenschaften können sie wie normale Stammzellen Gewebe generieren. Im Gegensatz zu den normalen Stammzellen verlaufen die Signalwege bei den Tumorstammzellen allerdings dereguliert. Dadurch kommt es zu exzessiver (stimulusunabhängig konstitutiv aktiver) Proliferation, sowie gestörter Differenzierung und somit der Entwicklung eines unkontrolliert wachsenden funktionslosen Gewebes – dem Tumor.
Nur die Tumorstammzellen besitzen die hohe Proliferationskapazität, die für die Entstehung und Aufrechterhaltung des Tumors nötig sind. Auch wenn sie nur einen sehr geringen Teil des Tumors ausmachen – der überwiegende Anteil des Tumors besteht aus weiter differenzierten Zellen mit nur noch geringer Proferationskapazität – sind allein sie es, die einen Tumor generieren, aufrecht erhalten und Metastasen bilden können.
Bedeutung für die Krebstherapie
Bei einer normalen Behandlung mit Zytostatika werden überwiegend die nicht zur Tumorbildung fähigen Krebszellen vernichtet, die wie erwähnt den Hauptteil des Tumors ausmachen. Da sich Zytostatika gegen sich aktiv im Zellzyklus befindliche Zellen richten, werden die sich im Ruhestadium befindlichen Tumorstammzellen verschont. Der Tumor schrumpft stark, aber nach scheinbarer Heilung produzieren die verbliebenen Tumorstammzellen erneut einen Tumor – es kommt zu einem Rezidiv.
Andererseits kann durch eine gezielte Therapie gegen Tumorstammzellen eine wirkliche Heilung erreicht werden. Entwicklungen in dieser Hinsicht sind noch Gegenstand intensiver Forschung, erste Ergebnisse scheinen aber recht vielversprechend. Mittlerweile ist es z.B. gelungen, onkolytische Viren zu erzeugen und mit diesen CD-133-positive Krebsstammzellen im Tiermodell zu infizieren und die Krebstammzellen fast vollständig abzutöten.
um diese Funktion zu nutzen.