MERS-CoV
Synonyme: Middle East Respiratory Syndrome Coronavirus, MERS-assoziiertes Coronavirus“
Englisch: Middle East respiratory syndrome coronavirus, MERS-CoV, EMC/2012, "Saudi SARS"
Definition
MERS-CoV, ist ein Virus aus der Gattung der Coronaviren, das erstmals 2012 identifiziert wurde. Die Infektion mit dem Virus verursacht eine akut auftretende, grippeähnliche Erkrankung, das Mittlerer-Osten-Atemwegssyndrom ("Middle East respiratory syndrome"), kurz MERS. Es handelt sich dabei um eine potentiell lebensbedrohliche Infektionskrankheit, die häufig in eine Pneumonie und danach zum Teil in ein akutes Atemnotsyndrom (ARDS) übergeht.
Eigenschaften
MERS-CoV gehört zur Gruppe der Betacoronaviren. Der Erreger ist ein behülltes, einzelsträngiges RNA-Virus mit +-Polarität ((+)ssRNA). Sein Genom lässt sich phylogenetisch in 2 Kladen (A und B) einteilen. Die ersten Infektionen erfolgten durch Klade A, die neueren Infektionen werden offenbar durch Klade B ausgelöst. MERS-CoV unterscheidet sich genetisch von SARS und anderen Coronaviren, die beim Menschen Erkältungskrankheiten auslösen, wie HCoV-OC43 oder HCoV-HKU1.
MERS-CoV besitzt eine hohe Affinität zu Bronchialepithelzellen, die keine Zilien tragen. Das Virus umgeht die Mechanismen der angeborenen Immunität und hemmt die Interferonproduktion in diesen Zellen. Dieser Tropismus ist für einen Atemwegserreger ungewöhnlich, da die meisten Viren die in den Atemwegen häufiger vorkommenden, zilientragenden Epithelzellen befallen.
Das Virus dockt zur Infektion an den Dipeptidylpeptidase 4-Rezeptor (DPP-4) auf der Zelloberfläche an - auch als CD26 bekannt. Dieser Rezeptor wird beim Menschen vor allem im Bronchialepithel und in den Nieren exprimiert.
Erregerreservoir
MERS-CoV ist genetisch eng mit bei Fledermäusen vorkommenden Coronaviren verwandt. Deshalb wurden als Infektionsquelle zunächst Fledermäuse in Betracht gezogen. Neuere Untersuchungen deuten jedoch darauf hin, dass Kamele die Infektion auf den Menschen übertragen. Antikörper gegen MERS-CoV konnte wiederholt im Blutserum von Kamelen nachgewiesen werden. Zudem bestand in einigen Erkankungsfällen enger Kontakt zu Kamelen. Kamele sind aber ggf. nur Zwischenwirte, so dass Fledermäuse den Coronaviren als eigentliches, natives Erregerreservoir dienen.
Epidemiologie
Die erste dokumentierte Infektion mit MERS-CoV trat im Juni 2012 in Saudi-Arabien auf. Ein zweiter Fall wurde im September 2012 in Qatar gemeldet. Molekularbiologische Untersuchungen legen jedoch nahe, dass das Virus bereits mehrere Monate vorher in der Population zirkulierte, ohne entdeckt worden zu sein.
In den Folgemonaten bis Juni 2013 wurden mindestens 60 Erkrankungsfälle registriert, u.a. in Jordanien, Qatar, Saudi Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAR), Tunesien, Deutschland, England, Frankreich und Italien. Insgesamt kam es zu 38 Todesfällen.
Im April 2014 folgte der nächste größere Ausbruch von MERS-CoV in Saudi-Arabien mit mehr als 300 Erkrankungen und 100 Todesfällen.
Im Mai 2015 erkrankten in Südkorea mindestens 100 Personen, die Infektion breitete sich zunächst in Krankenhäusern durch Übertragung auf enge Verwandte, Zimmernachbarn und medizinisches Personal aus. Der Indexpatient dieses MERS-Ausbruchs hatte sich zuvor auf der Arabischen Halbinsel aufgehalten.
Übertragung
Die Übertragung von MERS-CoV erfolgt wahrscheinlich in den meisten Fällen aerogen durch Tröpfcheninfektion, wobei eine größere Anzahl an Viren benötigt wird, da nicht-zilientragende Zellen nur einen kleinen Anteil des Bronchialepithels ausmachen. Die Inkubationszeit beträgt im Mittel 12 Tage.
Die rasche Ausbreitung des Virus im April 2014 legt die Vermutung nahe, dass MERS-CoV nicht mehr vornehmlich als Zoonose, sondern direkt von Mensch zu Mensch übertragen wird. Dafür sprechen auch vereinzelte Infektionen von Krankenhauspersonal.
Klinik
Die Symptome einer Infektion mit MERS-CoV ähneln denen einer Virusgrippe. In der ersten Krankheitswoche kommt es häufig zu einer Pneumonie, die im weiteren Verlauf teilweise in ein akutes Atemnotsyndrom (ARDS) übergeht. Ein weitere Verlaufsmöglichkeit stellt der Übergang in eine sekundäre bakterielle Pneumonie dar. Typische Symptome sind:
Ein weiteres Begleitsymptom ist Durchfall. Bei schweren Verläufen kann ein akute Niereninsuffizienz auftreten. Bei Patienten mit Diabetes mellitus, malignen Tumoren oder Immunsuppression treten häufig schwere Verläufe auf.
Diagnose
Der Virusnachweis erfolgt am besten direkt per RT-PCR aus der Bronchiallavage, dem Rachenspülwasser oder dem Sputum des Patienten. Zielsequenzen des RNA-Nachweises sind Genabschnitte vor dem Gen für das Hüllprotein E (upE) und dem ORF-1a-Gen.
Eine Alternative ist der Antikörpernachweis mittels Immunfluoreszenz - allerdings kommen Kreuzreaktionen der Antikörper innerhalb der Gattung der Coronaviren vor, was die Aussagekraft des Tests einschränkt. Durch Einsatz weiterer serologischer Techniken, wie z.B. des Serum-Neutralisations-Tests oder eines Protein-Microarrays kann die Sensitivität verbessert werden.
Therapie
Zur Zeit (2021) gibt es keine Kausaltherapie. Die Behandlung ist rein symptomatisch und beschränkt sich im Wesentlichen auf die Aufrechterhaltung der Kreislauffunktion durch ausreichende Flüssigkeitsgabe und die Verhinderung von Sekundärinfektionen durch Antibiotika.
Einen möglichen therapeutischen Ansatz stellen DPP-4-Hemmer dar. Eine Kombination aus Interferon-α2b and Ribavirin kann die Replikation von MERS-CoV vermindern. Als weitere theoretische Behandlungsmöglichkeit wird die Gabe von Immunglobulinen diskutiert, die aus dem Serum infizierter Kamele gewonnen werden.
Prävention
Eine Impfung gegen MERS-CoV ist zur Zeit (2021) nicht verfügbar. Ein möglicher Impfstoff auf der Basis des genetisch modifizierten Vacciniavirus Ankara (MVA) befindet sich in der Entwicklung. Eine basale Infektionsprophylaxe kann - wie bei anderen aerogen übertragenen Virusinfektionen - durch das Tragen von FFP3-Atemschutzmasken erreicht werden.
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