Labmagengeschwür (Wiederkäuer)
Synonym: Labmagenulkus
Englisch: abomasal ulcer
Definition
Als Labmagengeschwüre bzw. Labmagenulzera bezeichnet man tief greifende Schleimhautdefekte im Labmagen (Abomasum) von Wiederkäuern.
Ätiologie
Die Ätiologie ist noch nicht vollständig geklärt. Man nimmt an, dass bei adulten Kühen vor allem Stress im Zusammenhang mit der Kalbung und assoziierten Krankheiten (Nachgeburtsverhalten, akute puerperale Metritis, akute Mastitis, Labmagenverlagerungen u.ä.) Labmagengeschwüre begünstigen. Zusätzliche Faktoren sind:
- Hochlaktation
- inadäquate Futterzusammensetzung (zu hoher Kraftfutteranteil, zu viel Silage und Grasfütterung)
- Pansenazidose
- verringerte Durchblutung der Labmagenschleimhaut aufgrund Innervationsstörungen der Gefäße
- langzeitige Gabe von Glucocorticoiden oder NSAID's
Bei Kälbern sind Labmagengeschwüre ebenso multifaktoriell (Faktorenkrankheit) bedingt und entstehen besonders beim Vorliegen folgender Faktoren:
- hohes Stresspotenzial (Transport, Gruppenbildung, Futterumstellung, Impfungen)
- Vertränken großer Milchvolumina in den ersten Lebenswochen (lokale Kompressionsischämie aufgrund Überdehung der Labmagenwand)
- Futterumstellung von reiner Milchtränke auf Raufutter
Labmagengeschwüre können auch iatrogen bedingt sein (z.B. falscher Einsatz von NSAIDs).
Epidemiologie
Labmagengeschwüre betreffen sowohl adulte Rinder als auch Kälber und treten das gesamte Jahr über auf. Blutende Labmagengeschwüre können vermehrt in der Weideperiode (Mai bis Oktober) beobachtet werden. Im Gegensatz dazu treten perforierende Labmagengeschwüre hauptsächlich im Zeitraum der Kalbung auf.
Klassifikation
Labmagengeschwüre werden anhand ihrer Pathogenese sowie Ausprägung in drei Gruppen unterteilt.
- Nicht-blutende Ulzera:
- Erosionen und oberflächliche Ulzera mit klinisch inapparentem Verlauf.
- Tiefreichende Ulzera mit oder ohne Ausbildung einer lokal begrenzten Peritonitis (Fibrinausschwitzungen auf der Serosa des Labmagens mit möglicher Verklebung bzw. Verwachsung angrenzender Organe).
- Blutende Ulzera: Symptome sowie Krankheitsverlauf sind davon abhängig, ob neben kleineren auch größere Blutgefäße in der Tela submucosa betroffen sind.
- Perforierende Ulzera: Der Magensaft frisst sich regelrecht durch alle Wandschichten des Labmagens hindurch, sodass der Inhalt in die Bauchhöhle gelangt und eine generalisierte Peritonitis mit schweren Störungen des Allgemeinbefindens entsteht.
Klinik
Das klinische Bild hängt von der Art der Ulzera ab und kann sowohl inapparent als auch perakut sein.
Nicht-blutende Ulzera
Bei nicht-blutenden und oberflächlichen Ulzera sind meist keine Symptome vorhanden, sodass keine Wachstumseinbußen bei Kälbern entstehen. Tiefreichende - jedoch unblutige Ulzera - können zu einer lokalen Peritonitis führen, die im weiteren Verlauf zu Verklebungen an angrenzenden Organen führt. Es kommt zu einer reduzierten Futteraufnahme, das Allgemeinbefinden kann gestört sein und die Tiere zeigen deutliche Schmerzsymptome im vorderen Abdomenbereich.
Blutende Ulzera
Sowohl die Symptome als auch der Verlauf der Erkrankung hängen davon ab, in welchem Ausmaß Gefäßverletzungen vorliegen. Sind größere Blutgefäße betroffen, können betroffene Tiere aufgrund der Blutverluste (in den Labmagen hinein) sterben. Diese Form der Erkrankung geht meist mit unspezifischen Symptomen wie Inappetenz, Apathie einher. Aufgrund der Anämie ist das Allgemeinbefinden stark beeinträchtigt, die Schleimhäute sind blass und die Körperoberfläche kalt. Die Tiere sind tachykard und zeigen eine ausgeprägte Tachypnoe sowie Meläna.
Perforierende Ulzera
Betroffene Tiere zeigen eine plötzliche Verschlechterung des Allgemeinbefindens. Die Tiere sind matt bis apathisch, das Abdomen ist vermehrt gefüllt und es sind ausgeprägte Schmerzsymptome erkennbar (aufgekrümmter Rücken, gesenkte Kopfhaltung).
Diagnose
Neben einer ausführlichen Anamnese ist vor allem die klinische Untersuchung ausschlaggebend für die Verdachtsdiagnose. Außerdem kann eine Untersuchung des Kots auf verdautes Blut (Guajak-Test) sowie eine Bestimmung des Hämatokrits hilfreich sein. Mittels Ultraschalluntersuchung sowie Abdominozentese bzw. (in zweifelhaften Fällen) diagnostischer Laparotomie kann die Diagnose gesichert werden.
Differenzialdiagnosen
Als Differenzialdiagnosen kommen Blutungen in proximalen Darmabschnitten (Duodenum und Jejunum), Anämie anderer Ursache, hämorrhagische Diathese und Fremdkörpererkrankung in Frage.
Therapie
Die Therapie richtet sich nach den vorliegenden Symptomen und der Ausprägung der Ulzera. Nicht-blutende Geschwüre heilen entweder spontan ab oder werden im späteren Verlauf zu perforierenden Ulzera. Durch die unterstützende Gabe von Omeprazol (bei Kälbern oral, ab Wiederkautätigkeit parenteral) kann der Ausbildung neuer Ulzera entgegengewirkt werden.
Blutende Geschwüre können meist durch eine chirurgische Intervention nicht verbessert werden. Ohne Bluttransfusion versterben die Tiere meist binnen kurzer Zeit. Perforierende Labmagengeschwüre sind nicht therapierbar. Die Prognose ist infaust, sodass betroffene Tiere aus Tierschutzgründen euthanasiert werden müssen.
Prophylaxe
Durch die Optimierung der Haltungsbedingungen kann die Ausbildung von Labmagengeschwüren weitgehend verhindert werden. Es ist auf eine artgerechte, qualitativ hochwertige Fütterung, geringe Belegdichte in Gruppen, Stressreduktion und allgemeinen Kuhkomfort zu achten.
Quelle
- A. Lorch et al. Labmagengeschwüre bei Kühen Ausgewählte Kapitel aus dem Gebiet der Inneren Medizin der Wiederkäuer. Lehrmaterialien der Klinik für Wiederkäuer der LMU München (abgerufen am 28.09.2019)
- W. Klee et al. Labmagengeschwüre bei Kälbern Ausgewählte Kapitel aus dem Gebiet der Inneren Medizin der Wiederkäuer. Lehrmaterialien der Klinik für Wiederkäuer der LMU München (abgerufen am 28.09.2019)