Korpuskuläre hämolytische Anämie
Definition
Eine korpuskuläre hämolytische Anämie ist eine Form der Blutarmut (Anämie), bei der veränderte Hämoglobinmoleküle, Membran- oder Enzymdefekte zu einem verfrühten Zerfall von Erythrozyten (Hämolyse) führen.
Klassifikation
Bei den korpuskulären hämolytischen Anämien liegt meist ein genetischer Defekt zugrunde, der entweder das Hämoglobinmolekül, bestimmte Enzyme des erythrozytären Stoffwechsels, die Zellmembran oder das Zytoskelett verändert. Selten können auch erworbene Störungen zur korpuskulären Hämolyse führen.
Angeborene Störungen
Angeborene Hämoglobinopathien
Hämoglobinopathien sind Erkrankungen, die durch eine gestörte Struktur, Funktion oder Bildung von Hämoglobin entstehen. Sie entstehen meist durch genetische Defekte. Unterschieden werden:
- Strukturelle Hämoglobinopathien: z.B. Sichelzellsyndrome, instabile Hämoglobine
- Thalassämien: z.B. α-Thalassämien, β-Thalassämien
- Thalassämische Hämoglobinvarianten z.B. Hämoglobin E, Hb-Lepore
- hereditäre Persistenz fetalen Hämoglobins
siehe Hauptartikel: Hämoglobinopathie
Angeborene Membrandefekte der Erythrozyten
Die Zellmembran und das Zytoskelett des Erythrozyten sind entscheidend für die Funktion der Zelle, sodass eine Störung fast jeder Komponente zu einer Hämolyse führt. In der Regel findet sich ein Verlust der bikonkaven Form des Erythrozyten. Die drei wichtigsten Formen sind:
Die Erkrankungen weisen starke Überschneidungen auf: So können beispielsweise alle drei Formen durch Mutationen im SLC4A1-Gen entstehen.
Angeborene Enzymdefekte der Erythrozyten
Angeborene Störungen bestimmter Enzyme des Erythrozyten führen zu einer gestörten Stoffwechsellage. Dabei kann der genetische Defekt die Glykolyse, das Redoxsystem (Hexosemonophosphatweg) oder den Nukleotidstoffwechsel betreffen. Die vier häufigsten enzymopenischen hämolytischen Anämien sind:
- Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase-Mangel
- Pyruvatkinase-Mangel
- Pyrimidin-5'-Nukleotidase-Mangel
- Glucose-6-phosphat-Isomerase-Mangel
Erworbene Störungen
- Erworbene Hämoglobinopathien entstehen meist durch Medikamente oder Toxine (z.B. durch Nitrobenzol, Primaquin, Sulfonamide, Kohlenmonoxid)
- Eine Form des erworbenen Membrandefekts besteht bei der paroxysmalen nächtlichen Hämoglobinurie (PNH).
Labordiagnostik
Wenn die Erythropoese die verkürzte Lebensdauer der Erythrozyten kompensieren kann, ist die Anämie nur grenzwertig oder gar nicht vorhanden. In solchen Fällen kann die Verdachtsdiagnose durch Bestimmung der Retikulozytenzahl erhärtet werden (erhöht).
Bei Krankheiten, die mit einer verkürzten Erythrozytenlebensdauer einhergehen, ist die rechnerische Beziehung von HbA1c und Durchschnittsblutzucker nicht mehr gegeben, die Ergebnisse sind falsch niedrig.