Kauen
Synonyme: Kauakt, Mastikation, Kauvorgang, Kaubewegung
Englisch: mastication
Definition
Das Kauen bzw. die Mastikation ist eine mechanische Leistung des Kauapparats, die dazu dient, feste Nahrung so zu zerkleinern und mit Speichel zu vermischen, dass ein gleitfähiger, schluckbarer Speisebrei (Bolus) entsteht. Darüber hinaus wird durch die im Speichel vorhandenen Enzyme beim Kauen eine erste Verdauung einiger Nahrungsbestandteile erreicht.
siehe auch: Schlucken
Hintergrund
Am Kauvorgang sind primär der Ober- und Unterkiefer mit den Zähnen, die beiden Kiefergelenke, und die Kaumuskulatur beteiligt. Zusätzlich dienen die Zunge, die Wangen, der Gaumen, die Lippen und der Mundboden dem Containment und der Platzierung der Nahrung in der Mundhöhle.
Das Kauen schließt sich unmittelbar an das Abbeißen an. Die Kaubewegung ist keine einfache Scharnierbewegung, sondern eine komplexe, rhythmische Bewegung, die dreidimensional über das Kiefergelenk und die okklusalen Zahnflächen geführt wird. Dabei wird eine Auf-Ab-Bewegung mit einer Seitwärtsbewegung kombiniert.
Der Zerkleinerungsprozess wird im Wesentlichen durch die Form und Anzahl der Zähne, die Führung des Unterkiefers im Kiefergelenk, die einwirkende Muskelkraft sowie die Struktur der Nahrung beeinflusst.
Gliederung
...aus mechanischer Sicht
Den rhythmischen Verlauf des Kauens bezeichnet man als Kauzyklus. Er wird im Hinblick auf die Mechanik der Kieferbewegung in drei Phasen untergliedert:
- Öffnungsphase: Der Unterkiefer gleitet nach vorne und unten.
- Schnelle Schließphase: Der Inzisalpunkt bewegt sich nach lateral. Der Kondylus der Arbeitsseite wandert in der Fossa mandibularis nach hinten oben. Der Gelenkkopf der Balanceseite rückt nach vorne, unten und innen. Anschließend bewegt sich der Inzisalpunkt zurück in die Medianebene.
- Langsame Schließphase: Sie ist die eigentliche Phase der Krafteinwirkung, in der es zur Durchdringung der Nahrung mit den Zähnen kommt. Die langsame Schließphase beinhaltet eine kurze okklusale Haltephase vor dem nächsten Öffnen.
Mehrere dieser Kauzyklen ergeben eine Kausequenz. Sie erstreckt sich vom ersten Kauen bis zum Schluckakt.
...aus funktioneller Sicht
Aus funktioneller Sicht kann der Kauakt grob in folgende Teiltätigkeiten gegliedert werden:
- Positionieren der Nahrung zwischen den Zahnreihen
- Zerquetschen und Zerkleinern der Nahrung durch abwechselnde Kieferöffnung und Kieferschluss
- Zermahlen der Nahrung durch das Ausführen von Mahlbewegungen
Im Rahmen des Kauakts werden physiologisch Kaukräfte von etwa 30 Newton erreicht. Theoretisch lassen sich um einiges höhere Kaukräfte erzielen, eine übermäßiger Kieferschluss scheitert an der Schmerzempfindung bei zu starken Aufeinanderdrücken der Zahnreihen.
Positionierung der Nahrung
Durch die Muskulatur von Lippen, Wangen und Zunge werden aufgenommene Nahrungshappen zwischen den Zahnreihen positioniert und festgehalten.
Zerquetschen und Zerkleinern
Durch wiederholtes Öffnen und Schliessen des Kiefers wird ein Kaudruck erzeugt und die Nahrung wirkungsvoll zerkleinert.
Die Öffnung des Kiefers erfolgt durch Kontraktion der Mundbodenmuskulatur und des Musculus pterygoideus lateralis. Das Öffnen des Kiefers wird durch die Schwerkraft erleichtert. Bei einer Lähmung des Mundbodens kann der Musculus pterygoideus lateralis den Kiefer auch alleine öffnen. Bei starker Öffnung des Kiefers wird der Kopf durch Kontraktion der Nackenmuskulatur nach dorsal geneigt.
Das Schliessen des Kiefers erfolgt durch die Zusammenarbeit von Musculus temporalis, masseter und pterygoideus medialis. Der stärkste Kieferschliesser ist der Musculus temporalis. Seine Kraft wird lediglich von der aus Musculus masseter und Musculus pterygoideus medialis gebildeten Muskelschlinge übertroffen.
Zermahlen
Für ein wirkungsvolles Zermahlen der Nahrung ist ein abwechselndes Vor- und Zurückschieben des Unterkiefers erforderlich. Dadurch wirken die Zahnreihen wie ein Mühlstein auf die Nahrung ein.
Der untere Kopf des Musculus pterygoideus lateralis bewirkt dabei das Vorschieben der Mandibula, die Rückführung erfolgt hauptsächlich durch die horizontal verlaufenden Muskelfasern des Musculus temporalis.
Funktion
Der Kauakt dient der Zerkleinerung von zugeführter fester Nahrung, der Bildung eines schluckbaren Bissens und der Durchmischung des entstehenden Speisebreis mit Speichel. Das Kauen ist ein wichtiger Schritt für die Vorbereitung und das Einsetzen der Verdauung.
Durch die Zerkleinerung der Nahrung wird eine größere Oberfläche für den Angriff von Enzymen des Speichels (z.B. Amylase, Zungenlipase) geschaffen. Durch Aufweichung und Zermahlen wird eine gefahrlose Passage der Nahrung durch die Schlundenge und Speiseröhre ermöglicht.
Klinik
Das Kauen kann durch Zahnverlust, Kieferfrakturen, Erkrankungen des Kiefergelenks und andere Pathologien erschwert oder auch unmöglich sein. Diese Einschränkungen können einen Gewichtsverlust nach sich ziehen.
Schmerzen, die beim Kauen auftreten, bezeichnet man als Claudicatio masseterica.
Das Kauen von Nahrungsmitteln, die abrasiv wirken, führt zu einem allmählichen Verlust von Zahnhartsubstanz, den man als Demastikation bezeichnet.
Das krankhafte Kauen an den Fingernägeln nennt man Onychophagie.
Trivia
Zirkusartisten gelingt es mithilfe eines gezielten Trainings regelmäßig, durch den Schluss ihres Kiefers das Vielfache ihres Körpergewichts sicher festzuhalten.