Kalkulierte Antibiotikatherapie
Synonyme: kalkulierte Chemotherapie, empirische Antibiotikatherapie, "ungezielte Antibiotikatherapie" (obsolet), "blinde Antibiotikatherapie" (obsolet)
Definition
Bei der kalkulierten Antibiotikatherapie wird ein unbekannter, typischerweise bei einer bestimmten Krankheit zu erwartender Keim mit einem Breitspektrumantibiotikum behandelt, z.B. Amoxicillin mit Clavulansäure oder mit einer Kombination aus mehreren Antibiotika (Cephalosporine der 3. Generation + Aminoglykosid).
Hintergrund
"Kalkuliert" bedeutet in dem Zusammenhang, dass man aufgrund des klinischen Bildes, aber noch vor der exakten Erregerdiagnose, mit einer bestimmten Auswahl an Erregern "rechnet" und gegen diese ein Antibiotikum einsetzt, was erfahrungsgemäß ("empirisch") wirksam ist. Die Bezeichnungen "ungezielte" oder "blinde" Therapie sind unpassend, da eine kalkulierte Antibiotikatherapie weder ungezielt noch blind sein sollte.
Klinisches Beispiel
Besteht zum Beispiel ein Verdacht auf eine bakterielle Meningitis wird eine sofortige Antibiose mit Cefotaxim oder Ceftriaxon + Ampicillin eingeleitet. Die Cephalosporine wirken gegen die häufigsten Erreger der Meningitis Meningokokken, Pneumokokken, Haemophilus influenzae, Staphylokokken, Streptokokken und Ampicillin wirkt zusätzlich gegen Listerien.
Vor- und Nachteile
Durch den schnellen Therapiebeginn soll das Risiko für das Auftreten von Komplikationen verringert werden. Ein Nachteil besteht jedoch in der Förderung von Resistenzen.
Hintergrund
Welches Antibiotikum bzw. welche Kombination verwendet wird, hängt von verschiedenen Variablen ab, die in die Kalkulation eingehen.
- Art und Schwere der Erkrankung - lebensbedrohliche Infekte werden oft mit anderen Antibiotika behandelt als harmlose
- Krankengeschichte und Vorbefunde des Patienten mit Hinweisen auf Resistenzkeime - eine Rezidivpneumonie bei einem COPD-Patienten wird anders behandelt als eine einfache, ambulant erworbene Pneumonie (CAP); eine Sepsis bei einem Patienten mit bekannter MRSA-Besiedlung anders als eine Sepsis ohne multiresistente Erreger in der Anamnese
- Umgebung, in der die Erkrankung erworben wurde - dies betrifft das Thema Krankenhausinfektion vs. ambulant erworbene Infektion, es spielen aber auch geografische Faktoren eine Rolle, z. B. die wesentliche höhere Wahrscheinlichkeit, im Mittelmeerraum oder in Indien hochresistente Bakterien anzutreffen
Zur richtigen kalkulierten Antibiotikatherapie existieren viele Leitlinien und Richtlinien, herausgegeben unter anderem durch die Paul-Ehrlich-Gesellschaft. Hierin fließen auch aktuelle epidemiologische Gesichtspunkte ein.
Krankenhäuser sind angehalten, aufgrund eigener Resistenzstatistiken angepasste Leitlininen für ihre Behandlungssituationen zu erstellen ("listen to your hospital").
Bei Vorliegen einer Erreger- und Resistenzbestimmung muss die kalkulierte Antibiotikatherapie überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Wenn möglich, sollte eine Deeskalation vorgenommen werden. Schmalspektrumantibiotika wirken, sofern der Erreger sensibel ist, oft besser als Reserveantibiotika, die vor allem dazu gedacht sind, Resistenzen zu umgehen.
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