Tonsilla palatina
von lateinisch: palatum - Gaumen
Synonym: Tonsilla palatina
Englisch: palatine tonsil
Definition
Die Tonsilla palatina oder Gaumenmandel ist ein mandelförmiges lymphatisches Organ, das zwischen dem vorderen und hinteren Gaumenbogen lokalisiert ist.
Anatomie
Topographie
Die Gaumenmandeln sind paarig angelegt und bilden den wichtigsten Teil des Waldeyerschen Rachenrings. Sie befinden sich im posterioren Bereich der Mundhöhle am Isthmus faucium - im Übergang zum Rachen (Pharynx), zwischen Arcus palatoglossus und Arcus palatopharyngeus. Dieser Bereich wird entsprechend als "Tonsillarbucht" oder Fossa tonsillaris bezeichnet. Dort sind die Gaumenmandeln in eine bindegewebige Kapsel eingebettet.
In der Nähe der Gaumenmandel liegt der Musculus constrictor pharyngis superior.
Aufbau
Die Tonsilla palatina hat eine ellipsoide Form, die beim Erwachsenen etwa 2-3 cm lang und 1-2 cm breit ist. Die dem Isthmus faucium zugewandte Seite weist etwa 10-15 kleine Öffnungen auf, die als Fossulae tonsillae bezeichnet werden. Von ihnen gehen tiefe Krypten (Cryptae tonsillae) ab, die mit mehrschichtigem, unverhorntem Plattenepithel überzogen sind und eine deutliche Oberflächenvergrößerung bewirken. Sie wird auf etwa 300 cm2 pro Tonsille geschätzt.
Unter dem Epithelgewebe liegt lymphoretikuläres Bindegewebe, in dem sich zahlreiche Primär- und Sekundärfollikel befinden. Die der Oberfläche zugewandte Seite der Sekundärfollikel zeigt verstärkte Lymphozytenansammlungen, so genannte Lymphozytenkappen.
Die Krypten sind verzweigt, liegen relativ dicht nebeneinander und geben der Gaumenmandel insgesamt ein zerklüftetes Aussehen. In den Krypten sammeln sich gelegentlich Speisereste an, die zusammen mit abgeschilferten Epithelzellen und Leukozyten so genannte Tonsillarpfröpfe ("Tonsillolithen") bilden. Sie sind mitunter als weiße Erhebungen auf der Oberfläche der Mandel sichtbar.
Außerhalb der Tonsilla palatina befinden sich muköse Speicheldrüsen, die meist neben der Tonsille münden.
Gefäßversorgung
Die arterielle Gefäßversorgung der Gaumenmandel ist variabel. Sie erfolgt meist durch einen Ramus tonsillaris der Arteria palatina ascendens, aber auch durch direkte Rami tonsillares aus der Arteria facialis. Ferner können kleinere Gefäßäste (Arteriae palatinae minores) aus der Arteria palatina descendens mitwirken. Mit einigen Anteilen liegt die Tonsilla palatina auch im Versorgungsgebiet der Rami dorsales linguae aus der Arteria lingualis.
Der venöse Abfluss wird über Plexus venosus pharyngeus und die Vena jugularis interna gesichert.
Die Lymphe fließt über die Nodi lymphatici submandibulares in die Nodi lymphatici cervicales profundi ab.
Innervation
Die Gaumenmandeln werden sensibel über Fasern des Nervus glossopharyngeus (IX. Hirnnerv) und des Nervus vagus (X. Hirnnerv) innerviert. Über die Nervi palatini minores erhalten sie sensible Fasern aus dem Nervus maxillaris (V2), die über das Ganglion pterygopalatinum laufen.
Embryologie
Die Tonsillenbucht sowie die Tonsilla palatina entstehen aus der 2. Schlundtasche, einer Einstülpung zwischen dem 2. und 3. Kiemenbogen. Aus dem Entoderm dieser Schlundtasche bilden sich Epithelknospen, die in das umliegende Mesenchym einwachsen. Im Laufe der 20. SSW differenziert sich dieses Mesenchymgewebe zu lymphatischem Gewebe.
Histologie
Die Tonsilla palatina besteht wie die anderen Tonsillen aus lymphatischem Gewebe mit zahlreichen Lymphfollikeln. Auf ihrer pharyngealen Seite ist sie mit Plattenepithel bedeckt, das in die Krypten hineinzieht. In den Krypten ist der Epithelverbund aufgelockert. Teilweise fehlt eine Basalmembran. Dadurch wird ein intensiver Kontakt der aufgenommenen Antigene mit den subepithelialen Immunzellen ermöglicht.
Zum umgebenden Gewebe hin wird die Tonsilla palatina durch eine Bindegewebskapsel von ihrer Umgebung abgegrenzt, von der ausgehend Septen ins Innere ziehen und die Tonsille weiter in Läppchen unterteilen.
Immunologie
Die Tonsilla palatina gehört zum Mukosa-assoziierten lymphatischen Gewebe (MALT) und ist damit Teil des Immunsystems. Gemeinsam mit den anderen Tonsillen dient sie der Infektabwehr. Sie stellt eine Barriere für Krankheitserreger dar, die z.B. über die Mundschleimhaut in den Rachen gelangen wollen. Damit ist sie eine wichtige Abwehrstation für mögliche Infektionen des Gastrointestinaltrakts und der Atemwege.
Die B-Lymphozyten aus der Tonsilla palatina können alle 5 Immunglobulinklassen exprimieren. Wenn sie in vitro mit Antigenen wie Diphtherietoxin, Polioviren Streptococcus pneumoniae, Haemophilus influenzae oder Staphylococcus aureus inkubiert werden, produzieren sie schnell spezifische Antikörper. Darüber hinaus findet eine relevante T-Zell-Reaktion mit gesteigerter Zytokinproduktion durch T-Helferzellen statt.
Klinik
Die Entzündung der Gaumenmandel (Tonsillitis) ist eine der häufigsten HNO-Erkrankungen. Sie betrifft vor allem Kinder und kann akut oder chronisch verlaufen. Bei rezidivierenden Tonsillitiden wird das Gewebe häufig durch eine Tonsillektomie entfernt. Die Indikation zu einer Tonsillektomie wird heute (2020) angesichts der immunologischen Rolle der Tonsillen zurückhaltender gestellt als in der Vergangenheit.
Eine unphysiologische Vergrößerung der Tonsilla palatina ohne Entzündung bezeichnet man als Tonsillenhyperplasie.