Gadotersäure
Synonyme: Gd-DOTA, Acidum gadotericum u.a.
Handelsnamen: Dotarem®, Clariscan®, Artirem®
Englisch: gadoteric acid
Definition
Bei Gadotersäure, kurz Gd-DOTA, handelt es sich um ein makrozyklisches, ionisches, paramagnetisches Kontrastmittel, das im Rahmen der Magnetresonanztomographie (MRT) zum Einsatz kommt.
Hintergrund
Gadotersäure gehört zur Klasse der stabilen makrozyklischen Chelate, bei denen das Gadoliniumion (Gd³⁺) fest in einen DOTA-Liganden (1,4,7,10-Tetraazacyclododecane-N,N’,N’’,N’’’-tetraacetat) eingebunden ist. Durch diese ringförmige Koordination besitzt Gadotersäure eine hohe thermodynamische Stabilität und kinetische Inertheit, die sie sich deutlich von den älteren linearen Kontrastmitteln unterscheidet. Das Präparat gilt als Referenzsubstanz der sicheren Gadoliniumkomplexe und wird in den aktuellen ACR- und ESUR-Leitlinien der Gruppe II (niedriges NSF- und Retentionsrisiko) zugeordnet.
Wirkmechanismus
Das paramagnetische Gadoliniumion verkürzt die T1-Relaxationszeit der Protonen in seiner Umgebung, was in T1-gewichteten Sequenzen zu einer Signalsteigerung führt. Als extrazelluläres, unspezifisches Mittel verteilt sich Gadotersäure nach i.v.-Gabe rasch im Interstitium aller gut durchbluteten Organe, ohne an Plasmaproteine zu binden oder zellulär aufgenommen zu werden. Sie passiert die intakte Blut-Hirn-Schranke nicht, reichert sich aber in Arealen mit gestörter Schrankenfunktion an (z.B. Tumoren, Entzündung, Demyelinisierung).
Pharmakokinetik
Nach intravenöser Gabe verteilt sich Gadotersäure innerhalb von Minuten im extrazellulären Flüssigkeitsraum. Die Plasmaproteinbindung ist vernachlässigbar (< 1 %). Eine physiologische Blut-Hirn-Schranke wird nicht überwunden. Eine Metabolisierung findet nicht statt. Die Elimination erfolgt ausschließlich renal durch glomeruläre Filtration, nahezu vollständig innerhalb von 24 Stunden. Die Plasmahalbwertszeit liegt bei 1,4–1,7 Stunden. Sie verlängert sich bei Niereninsuffizienz proportional zur reduzierten GFR. Aufgrund der hohen Komplexstabilität wird das Gadoliniumion nicht freigesetzt, auch nicht bei wiederholten Gaben oder moderat eingeschränkter Nierenfunktion.
Indikationen
Gadotersäure dient zur Kontrastverstärkung in der MRT des zentralen Nervensystems, des Körperstamms und der Extremitäten. Hauptanwendungsgebiete sind:
- Darstellung und Charakterisierung von Läsionen im Gehirn und Rückenmark (Tumoren, Entzündungen, postoperative Veränderungen)
- MR-Angiographie (MRA) der extrakraniellen, thorakalen und abdominellen Gefäße
- kontrastgestützte Untersuchungen von Kopf, Hals, Thorax, Leber, Nieren, Becken, Pankreas, sowie des muskuloskelettalen Systems
- ergänzend zur Herz-MRT bei Myokardnarben oder Perfusionsdefiziten
Durch seine Stabilität eignet sich Gd-DOTA auch bei Risikopatienten (eingeschränkte Nierenfunktion, pädiatrische und geriatrische Patienten).
Applikationsformen
Das Kontrastmittel wird i.v. als Injektionslösung appliziert.
Dosierung
Die Standarddosis beträgt 0,1 mmol/kgKG, entsprechend 0,2 mL/kgKG einer 0,5 mol/L-Lösung. Für MR-Angiographie oder spezielle onkologische Fragestellungen kann die Dosis auf bis zu 0,3 mmol/kg erhöht werden. In der Regel genügt eine einmalige Applikation pro Untersuchung. Bei einer GFR < 30 mL/min/1,73 m² soll die Indikation streng geprüft und eine Wiederholung erst nach ausreichendem Eliminationsintervall (> 7 Tage) erfolgen.
Nebenwirkungen
Gadotersäure ist insgesamt gut verträglich. Nebenwirkungen sind meist mild und vorübergehend. Häufig beobachtet werden:
- Zentralnervös: Kopfschmerzen, Parästhesien, Schwindel, Wärmegefühl
- Gastrointestinal: Übelkeit, selten Erbrechen
- Kardiovaskulär: Blutdruckschwankungen, Tachykardie oder Bradykardie
- Dermatologisch: Juckreiz, Urtikaria, Lokalreaktionen an der Injektionsstelle
Allergisch-anaphylaktoide Reaktionen kommen sehr selten vor (< 0,01 %). Die Inzidenz einer nephrogenen systemischen Fibrose (NSF) unter Gd-DOTA ist extrem niedrig; unter kontrollierten Bedingungen wurden keine gesicherten Fälle beobachtet. Eine Gadoliniumretention im Gehirn und in Knochen ist nachweisbar, bleibt jedoch bei makrozyklischen Komplexen quantitativ minimal und nach aktuellem (2025) Kenntnisstand ohne klinisch relevante Konsequenzen (siehe: Gadolinium-Ablagerungskrankheit).
Kontraindikationen
- Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff bzw. anderen gadolinium-haltigen Kontrastmitteln
- relative Kontraindikation bei GFR < 30 mL/min/1,73 m² (nur nach strenger Indikation)
- Schwangerschaft: Anwendung nur bei zwingender Indikation; bevorzugt makrozyklische Mittel wie Gd-DOTA, da sie als sicherste Gadoliniumverbindungen gelten.
- Stillzeit: Nach heutigem Kenntnisstand ist ein Abstillen nicht erforderlich; nur Spuren gelangen in die Muttermilch, die enteral kaum resorbiert werden. Stillen kann unmittelbar nach der Untersuchung fortgesetzt werden.