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Fesselbeinfraktur (Pferd)

Englisch: fracture of the proximal phalanx, P1 fracture

1. Definition

Als Fesselbeinfrakturen bezeichnet man verschiedene Frakturen des Fesselbeins (Phalanx proximalis) beim Pferd.

2. Vorkommen

Fesselbeinfrakturen zählen zu den am häufigsten vorkommenden Frakturen beim Pferd. Aufgrund der großen Belastung der Vordergliedmaßen bei Sportpferden kommen Frakturen gehäuft an den vorderen Fesselbeinen vor.

Dabei finden sich bei Sportpferden (v.a. Vollblutpferden) insbesondere Sagittal- bzw. Längsfrakturen. Dorsale Längsfrakturen hingegen sind äußerst selten und meistens an den Hinterbeinen anzutreffen. Trümmerfrakturen betreffen hauptsächlich Sportpferde (Rennpferde sowie Westernpferde).

3. Klassifizierung

Neben Fissuren kann man verschiedene Arten von Fesselbeinfrakturen unterscheiden. Grundsätzlich differenziert man zwischen einer Trümmerfraktur ("comminuted") und einer Fraktur mit zwei Knochenfragmenten ("non-comminuted"). Zusätzlich unterscheidet man noch dorsale bzw. palmare/plantare osteochondrale Chip-Frakturen.

3.1. Non-comminuted-Frakturen

"Non-Comminuted"-Frakturen können anhand ihrer Frakturlinien in sechs Typen unterteilt werden:

Fraktur-Typ Besonderheiten
Sagittalfraktur
dorsale Längsfraktur
  • Beginn in der proximalen Gelenkfläche
  • biartikulär oder Mündung in dorsaler Substantia compacta
  • vollständig oder unvollständige Fraktur
distale Fraktur
  • Fraktur der distalen Gelenkfläche (Krongelenk)
  • artikulär
Palmare/plantare Fesselbeinbasisfraktur
  • Fraktur der palmaren/plantaren Knochenbasis
  • artikulär
Epiphysenfraktur
Schräg- oder Querfraktur
  • schräg oder quer verlaufende Fraktur

3.2. Comminuted-Frakturen

Trümmerfrakturen können aus unterschiedlich vielen Knochenfragmenten bestehen. Man unterscheidet zwischen:

Fraktur-Typ Besonderheiten
einfache Stückfrakturen
  • 3 einzelne Knochenfragmente
intakte Substantia compacta
  • "intact strut of bone"
  • intakte Kompakta über die gesamte Knochenlänge
keine intakte Substantia compacta
  • "severe comminuted"
  • keine intakte Kompakta auf gesamter Knochenlänge

4. Ätiologie

Ursachen einer Fesselbeinfraktur sind entweder unphysiologische Druck- und Zugverhältnisse am Knochen oder an den umliegenden Weichteilstrukturen (Sehnen und Bänder) sowie Stress- sowie Ermüdungsfrakturen.

5. Pathogenese

Wird der Knochen während der Belastung in längsverlaufender Richtung komprimiert (axial verlaufende Kraft), während gleichzeitig eine von lateral nach medial verlaufende Rotation erfolgt (Torsionskraft), kommt es aufgrund der ungleichen Druck- und Zugverhältnissen zur Fraktur. Aufgrund dessen finden sich Fesselbeinfrakturen häufig bei Sportpferden sowie Westernpferden während der Höchstleistung (z.B. enge Wendung).

6. Klinik

Das klinische Bild einer Fesselbeinfraktur hängt vom Fraktur-Typ und vom Grad der Dislokation ab. In den meisten Fällen sind betroffene Pferde akut lahm, haben ein vermehrt gefülltes Fesselgelenk sowie eine geschwollene Fesselregion.

7. Diagnose

Anamnese sowie klinische und orthopädische Untersuchung ergeben den Verdacht auf eine Fesselbeinfraktur. In diesem Fall darf keine diagnostische Anästhesie durchgeführt werden, da sonst die Gefahr einer verstärkten Dislokation entsteht. Die Diagnosesicherung erfolgt letztendlich mithilfe röntgenologischer Untersuchungen in mindestens vier Ebenen (dorsopalmar/plantarer-, lateromedialer-, dorsolatero-palmaro/plantaromedial-obliquer- und dorsomedial-palmaro/plantarolateral-obliquer-Strahlengang).

8. Therapie

Die Wahl der geeigneten Therapie hängt von den Art der Fraktur ("non-comminuted" vs. "comminuted"), dem Verlauf und die Länge der Frakturlinien, dem Grad der Dislokation und dem Verwendungszweck des Pferdes (Sportpferd vs. Freizeitpferd) ab.

8.1. Non-comminuted-Frakturen

Bei "non-comminuted"-Frakturen unterscheidet man grundsätzlich zwischen folgenden Behandlungsmethoden:

Fraktur-Typ Behandlungsmethode
Typ-1-Sagittalfraktur
  • konservativ (Kompressionsverband und Boxenruhe) oder
  • Zugschrauben (häufiger, komplikationsärmer)
Typ-2-Sagittalfraktur
  • Zugschrauben
  • inkl. Castverband
Typ-3-Sagittalfraktur
  • Zugschrauben oder
  • Plattenosteosynthese
  • inkl. Castverband
dorale Längsfraktur
  • konservativ (Kompressionsverband und Boxenruhe) oder
  • Zugschrauben inkl. Castverband
distale Fraktur
Epiphysenfraktur
  • konservativ (Kompressionsverband und Boxenruhe)
Schräg- oder Querfraktur
  • Zugschrauben (nicht disloziert) oder
  • Plattenosteosynthese (disloziert)
  • inkl. Castverband

8.2. Comminuted-Frakturen

Die Therapie von Trümmerfrakturen ist deutlich komplizierter und aufgrund der Komplikationsrate grundsätzlich nur für Pferde vorgesehen, die nach erfolgter Heilung als Zucht- oder Weidepferde gehalten werden. Eine Rückkehr in den Sport ist meist nicht mehr möglich. Die Therapie zielt daher darauf ab, die Integrität des Gelenks wieder herzustellen und die Fraktur zu stabilisieren.

Bei Trümmerfrakturen muss zwischen folgenden Behandlungsmethoden ausgewählt werden:

  • konservativ: Castverband
  • chirurgisch:
    • Fixateur externe (Transfixations-Pin-Cast oder ein ähnlicher Fixateur)
    • Zugschrauben mit/ohne Fixateur externe
    • offene Reposition und Transfixations-Pin-Cast
    • offene Reposition, Zugschrauben und Castverband
    • offene Reposition, Plattenosteosynthese, Zugschrauben und Castverband
    • offene Reposition, Plattenosteosynthese, Zugschrauben und Fixateur externe

9. Literatur

  • Baxter GM. 2011. Adams and Stashak's Lameness In Horses. Sixth edition. Wiley-Blackwell Publishing, Ltd. ISBN: 978-0-8138-1549-7/2011.
  • Auer JA, Stick JA, Kümmerle JM, Prange TP. 2019. Equine Surgery. Fifth edition. Elsevier, Inc. ISBN: 978-0-323-48420-6
  • Brehm W, Burk J, Delling U, Hagen J, Köhler M, Litzke LF, Nowak M, Rijkenhuizen A, Schusser GF, Tietje S, Troillet A. Krankheiten des Bewegungsapparats. In: Brehm W, Gehlen H, Ohnesorge B, Wehrend A (Hrsg.). 2017. Handbuch Pferdepraxis. 4., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Enke Verlag in Georg Thieme Verlag KG. 849-1148. ISBN: 978-3-13-219621-6
  • Nunamaker DM, Nash RA. 2008. A tapered-sleeve transcortical pin external skeletal fixation device for use in horses: development, application, and experience. Vet Surg 37(8):725-32. doi: 10.1111/j.1532-950X.2008.00461.x

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