Enzephalitozoonose (Kaninchen)
Synonym: Encephalitozoon-cuniculi-Infektion
Definition
Die Enzephalitozoonose ist eine vor allem beim Kaninchen auftretenden Parasitose, die bei klinischer Manifestation zu schwerwiegenden ZNS-Störungen führen kann.
Erreger
Die Erkrankung wird durch Encephalitozoon cuniculi, ein Protozoon aus der Gruppe der Microspora, verursacht. Die Sporen sind eiförmig, zwischen 1,5 und 2,5 µm lang und haben eine dicke Wand. Jede Spore enthält einen einzelnen Kern und ein charakteristisches 5- bis 6-fach gewundenes Polrohr.
Der Erreger bleibt in der Außenwelt für längere Zeit infektiös.
Pathogenese
Kaninchen infizieren sich vorwiegend peroral durch die Aufnahme infektiöser Sporen, die wiederum von infizierten Tieren mit dem Harn ausgeschieden werden. Die genauen Pathomechanismen sind unbekannt, jedoch ist davon auszugehen, dass die Erreger zunächst die Darmepithelzellen, Makrophagen und/oder Endothelzellen befallen. Anschließend kommt es zu einer Streuung der Erreger im gesamten Organismus mit Besiedelung verschiedener Organe (Leber, Lungen, Nieren, ZNS u.ä.).
Nach drei bis vier Monaten sind insbesondere die Nieren, das Gehirn, die Augenlinsen und selten auch das Herz befallen.
Pathologie
Im Rahmen der Infektion kommt es zu charakteristischen fokalen Entzündungen. Das Sektionsbild kann stark variieren: entweder lassen sich nur wenige Läsionen nachweisen oder es kommt zur Ausbildung vieler irregulärer und eingedellter Herde, insbesondere in der Nierenrinde.
Im histologischen Schnittbild zeigt sich eine fokale bis segmentale, lymphoplasmozytäre und interstitielle Nephritis mit unterschiedlich ausgedehnter Fibrose. Zusätzlich lässt sich eine fokale und nicht-eitrige Meningoenzephalitis mit Astrogliose und perivaskulären lymphozytären Infiltraten nachweisen. Die Erreger selbst können in Entzündungsherden nur selten im histologischen Schnittbild gefunden werden. Im Gegensatz dazu zeigen sich gelegentlich Erregeransammlungen in scheinbar intakten Gewebeabschnitten.
Das klinische Bild wird v.a. durch die Läsionen im ZNS verursacht. Bei einer Beteiligung der Augenlinsen mit konsekutiver Entzündung kann es in schwerwiegenden Krankheitsfällen auch zur Ruptur der Linsenkapsel kommen, was eine generalisierte Entzündung des Auges (phakoklastische Uveitis) sowie eine ausgeprägte Katarakt nach sich zieht.
Klinik
Infektionen mit Encephalitozoon cuniculi können über Jahre hinweg inapparent verlaufen. Warum ein Teil der infizierten Kaninchen letztendlich klinische Symptome entwickeln, ist bislang (2021) nicht bekannt.
Die Krankheit manifestiert sich nach außen hin unterschiedlich – abhängig vom betroffenen Organ. Je nach Organmanifestation entwickeln sich neurologische, renale oder okuläre Symptome, wobei am häufigsten ein plötzlich auftretendes Vestibularsyndrom (Torticollis, Opisthotonus, Ataxie, Nystagmus, gelegentlich Kreisbewegungen und Rotation um die eigene Körperachse) beobachtet werden kann.
Therapie
Klinisch erkrankte Tiere können mit Fenbendazol (20 mg/kgKG p.o. für mindestens 4 Wochen) behandelt werden.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Um eine Einschleppung der Erreger in einen gesunden Bestand zu vermeiden, sind neben strengen Hygienemaßnahmen auch serologische Untersuchungen von Neuzugängen empfehlenswert. Die Erreger sind hitzeempfindlich (> 70 °C) und lassen sich mit Desinfektionsmittel (2 % Lysol, 10 % Formalin oder 70 % Alkohol) eliminieren.
Prognose
Die Prognose hängt vom Schweregrad der Symptome und von der Organmanifestation ab. Je ausgeprägter die neurologischen Krankheitszeichen sind, desto vorsichtiger ist die Prognose. Während eine chronische Niereninsuffizienz bei der renalen Form eine schlechte Prognose aufweist, kann die phakoklastische Uveitis chirurgisch gut behandelt werden.
Zoonotische Bedeutung
Encephalitozoon cuniculi ist ein Zoonoseerreger, der sowohl andere Tiere (z.B. Hunde, Katzen, Affen, Pferde und Vögel) als auch den Menschen (insbesondere immunsupprimierte Personen) befallen kann.
Literatur
- Eckert J, Friedhoff KT, Zahner H, Deplazes P. 2008. Lehrbuch der Parasitologie für die Tiermedizin. 2., vollständig überarbeitete Auflage. Stuttgart: Enke Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG. ISBN: 978-3-8304-1072-0
Quellen
- Rodríguez-Tovar LE et al: Histochemical study of Encephalitozoon cuniculi spores in the kidneys of naturally infected New Zealand rabbits J Vet Diagn Invest 29(3):269-277, 2017, DOI: 10.1177/1040638716668559