Deszendierende Schmerzhemmung
Synonyme: deszendierende Hemmung, absteigende Schmerzhemmung, endogene Schmerzhemmung
Definition
Die deszendierende Schmerzhemmung beschreibt einen zentralen Mechanismus der physiologischen Schmerzmodulation über absteigende Bahnen des Gehirns.
Anatomie
Zentraler Effektor der deszendierenden Schmerzhemmung ist das periäquäduktale Grau (PAG), das Afferenzen aus dem primär sensorischen Kortex (S1), dem limbischen System (z.B. von der Amygdala) und dem Hypothalamus empfängt. Eine Stimulation des Nucleus paraventricularis des Hypothalamus löst u.a. eine Analgesie aus.
Das PAG verfügt über eine hohe Dichte von Opioidrezeptoren. Weiter distal in der ventromedialen Medulla oblongata unterscheidet man den wichtigen serotoninergen Weg über die Raphe-Kerne (primär Nucleus raphe magnus) und den noradrenergen Weg über den Locus coeruleus. Beide führen zum Hinterhorn des Rückenmarks.
Physiologie
Die Modulation der Nozizeption wird in der Regel durch hemmende Interneurone bewerkstelligt. Diese nutzen inhibierende Transmitter wie GABA und endogene Opioide (z.B. Enkephalin, Dynorphin, Endorphin). Endorphin bindet an μ-Opioidrezeptoren, Enkephalin an δ-Opioidrezeptoren und Dynorphin an κ-Opioidrezeptoren.
Neurophysiologisch unterscheidet man eine präsynaptische und eine postsynaptische Modulation. Im ersten Fall werden präsynaptische Opioidrezeptoren verwendet, die Calciumkanäle hemmen und damit die Freisetzung der Transmitter unterbinden. Im zweiten Fall werden postsynaptische Kaliumkanäle aktiviert, was zur Hyperpolarisation der nachgeschalteten Zellen führt.
Funktion
Die deszendierende Hemmung ist dauerhaft wirksam. Sie wird in Abhängigkeit des zirkadianen Rhythmus moduliert und bei Stress-Situationen aktiviert. So sind deszendierende Hemmbahnen dafür verantwortlich, dass man unmittelbar nach einer Unfall-bedingten Verletzung keine Schmerzen empfindet.
Klinik
Eine Störung der deszendierenden Hemmung kann in schwerwiegender Hyperalgesie, Allodynie oder Spontanschmerzen resultieren.
Bei Gegenirritationsverfahren wie der TENS wird vermutet, dass sie über eine gezielte Aktivierung der deszendierenden Hemmung die Schmerzwahrnehmung abmildern und das Schmerzgedächtnis modulieren können.
Literatur
- Physiologie. Pape H, Kurtz A, Silbernagl S, Hrsg. 9., vollständig überarbeitete Auflage. Stuttgart: Thieme; 2019. doi:10.1055/b-006-163285
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