Dysenterie (Schwein)
Synonym: Schweinedysenterie
Englisch: swine dysentery
Definition
Als Dysenterie bezeichnet man eine durch Brachyspira hyodysenteriae verursachte Infektionskrankheit der Schweine.
Erreger
Brachyspira hyodysenteriae ist ein Bakterium aus der Gattung Brachyspira innerhalb der Klasse der Spirochaetes. Der Erreger besitzt 22 bis 28 Endoflagellen (Axialfibrillen), die eine Fortbewegung durch Rotation um die Längsachse ermöglichen. Die Bakterien sind gramnegativ (kaum anfärbbar), obligat anaerob, schlank, spiralförmige und 0,2 bis 0,4 x 6 bis 11 µm groß.
Es können 9 Serogruppen unterschieden werden. Alle sind an das Schwein adaptiert und kolonisieren den Dickdarm.
Epidemiologie
Eine Infektion mit Brachyspira hyodysenteriae betrifft vor allem Lauf- und Mastschweine und selten ältere oder jüngere Tiere. Die Erregerübertragung erfolgt fäkal-oral und wird durch inapparent infizierte Schweine sowie Nagetiere und unbelebte Vektoren (kontaminiertes Futter, Fahrzeuge) begünstigt.
Durch immunsupprimierende Faktoren (Futterwechsel, Transport, Stallklima, Hygienemängel, Umstallung) kann es zu einer klinisch manifesten Erkrankung kommen (Faktorenkrankheit).
Virulenzfaktoren
Zu den Virulenzfaktoren werden Endotoxine und Hämolysine gezählt.
Pathogenese
Schweine nehmen den infizierten Kot meist während der Futteraufnahme oral auf. Nach der Passage des oberen Verdauungstraktes vermehren sich die Bakterien in der Schleimhaut des Dickdarms. Es kommt zu einer gesteigerten Schleimproduktion und einer nekrotisierenden Enteritis mit Vaskulitis.
Klinik
Erkrankte Tiere zeigen eine verminderte Futteraufnahme und daraus resultierende Wachstumseinbußen. Während der akuten Phase kann auch Fieber auftreten. Aufgrund der pathologischen Dickdarmveränderungen leiden die Schweine an charakteristischem zementfarbigem, dünnbreiig-bröckligem Kot. Im weiteren Krankheitsverlauf können sich auch große Mengen an Schleim- und Blutbeimengungen sowie Fibrin und nekrotisches Material im Kot befinden. Die Tiere magern stark ab, sind geschwächt und dehydriert.
Perakute Krankheitsverläufe sind möglich, treten jedoch selten auf.
Pathologie
Makroskopisch sichtbare Veränderungen sind nur auf den Dickdarm beschränkt. Die Schleimhaut ist deutlich ödematös, gerötet und mit Schleim- und Fibrinauflagerungen sowie Blut bedeckt. Bei chronischen Krankheitsverläufen ist eine fortschreitende Nekrose erkennbar.
Im histologischen Schnittbild sind vor allem dilatierte und schleimgefüllte Krypten, eine erhöhte Anzahl an Becherzellen und nekrotische Darmepithelien auffallend.
Kulturelle Anzucht
Eine kulturelle Anzucht kann auf speziellen Nährböden (z.B. Trypticase-Soja-Agar mit Zusatz von Blut und Hemmstoffen) für mindestens 3 Tage bei 41 °C erfolgen. Als besonders geeignet erweisen sich Stichinzisionen mit der Impföse, da so das anaerobe Wachstum verbessert und die Kontaminationsrate verringert werden kann.
Diagnose
Eine Diagnose ergibt sich aus der Klinik, der Pathologie und dem Erregernachweis inkl. Erregertypisierung. Die kulturelle Anzüchtung von Brachyspiren ist keine Standardmethode. Sie ist schwierig und erfordert ein optimales Probenmaterial, das unter streng anaeroben Bedingungen ins Untersuchungslabor versandt wurde. Für eine Kultivierung sind Kotproben Kottupfern vorzuziehen, da so eine erhöhte Erregeranzahl gewährleistet werden kann.
Die kultivierten Brachyspiren können zur weiteren Typisierung mittels PCR oder biochemischen Methoden differenziert werden. In der Routinediagnostik hat sich die Triplex-PCR durchgesetzt (Kombination aus Schleimhautgeschabsel aus Colon und Ileum oder Kot). Mithilfe dieser speziellen PCR kann ein gleichzeitiger Nachweis von Brachyspira hyodysenteriae, Lawsonia intracellularis und Brachyspira pilosicoli erfolgen.
Differenzialdiagnosen
- Infektion mit anderen Brachyspiraarten
- Infektion mit Lawsonia intracellularis
- Salmonellose
- Coronaviren
- Escherichia coli
- Rotaviren
Therapie
Die Dysenterie muss antibiotisch behandelt werden. In Frage kommen Pleuromutiline, Makrolide oder Lincosamide. Die Therapie kann grundsätzlich über das Trinkwasser oder Futter verabreicht werden. Stark erkrankte Tiere müssen parenteral behandelt werden.
Obwohl eine kulturelle Anzüchtung mit nachfolgendem Resistenztest schwierig ist, ist sie - insbesondere bei ausbleibendem Therapieerfolg - aufgrund der Resistenzlage angezeigt.
Prophylaxe
Prophylaktisch muss auf ein striktes Hygienemanagement und eine Optimierung der Haltungsbedingungen geachtet werden. Bei Neuzukäufen (insbesondere aus fremden Betrieben) muss eine fachgerechte Quarantäne erfolgen.
Quellen
- Mayr, Anton, Rolle, Michael. Medizinische Mikrobiologie, Infektions- und Seuchenlehre. 8., überarbeitete Auflage. Enke-Verlag, 2007.
- Skriptum, Universitätsklinik für Schweine. Veterinärmedizinische Universität Wien. Brachyspira spp. Version 1.
- Skriptum Erkrankungen des Magen/Darmtraktes, Universitätsklinik für Schweine. Veterinärmedizinische Universität Wien.
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