Diskographie
Synonyme: Diskografie, Diskogramm, intradiskale Injektion, intradiskale Infiltration
Definition
Die Diskografie ist eine invasive Kontrastmittel-gestützte Darstellung der Bandscheibe. Sie wird typischerweise bei Patienten mit chronischem therapierefraktärem Rückenschmerz durchgeführt, die denen eine diskogene Schmerzursache vermutet wird, aber kein bildmorphologisches Korrelat gefunden werden konnte.
Hintergrund
Ursprünglich wurde ein Diskogramm angefertigt, um präoperative Aussagen über die Konfiguration von Bandscheibenvorfällen zu erhalten. Durch Punktion des Nucleus pulposus und Applikation von Kontrastmittel kann eine differenzierte Beurteilung des Ausmaßes des Vorfalls und von Sequestrationen vorgenommen werden.
Inzwischen dient die Diskografie eher der Diagnostik eines mutmaßlich diskogenen Schmerzes, wenn andere Pathologien fehlen bzw. differenzialdiagnostisch ausgeschlossen werden können. Die Innervation der Bandscheibe ist normalerweise auf den äußeren Anulus fibrosus beschränkt. Pathologisch veränderte Bandscheiben können jedoch eine Neoinnervation des Nucleus pulposus zeigen. Durch Risse des Anulus fibrosus kann zudem neurotoxisches Material aus dem Nucleus pulposus in den innervierten Teil des Anulus fibrosus eindringen.
Durch Punktion des Nucleus pulposus der mutmaßlich betroffenen Bandscheibe und Applikation von Kontrastmittel kann ggf. der bekannte Rückenschmerz durch den erhöhten intradiskalen Druck provoziert werden. Dabei dient die Diskografie dazu, die Indikation für ein folgendes perkutanes Therapieverfahren (z.B. perkutane Laser-Diskus-Dekompression (PLDD), Hydrodiskektomie, intradiskale elektrothermale Therapie) oder alternativ die Operationsindikation zur Segmentfusion oder zur Implantation einer Bandscheibenprothese zu stellen. Im Rahmen der Diskografie können darüber hinaus schmerz- und entzündungshemmende Medikamente verabreicht werden. Man spricht hier von einer intradiskalen Injektion.
Die Punktion der Bandscheibe kann jedoch die Bandscheibendegeneration begünstigen. Umgekehrt kann die Injektion von autologen Wachstumsfaktoren (z.B. thrombozytenreichem Plasma) oder Stammzellen (z.B. Autologous Disc Cell Transplantation) regenerative Effekte haben.
Durchführung
Vorbereitung
Eine Diskografie kann unter Durchleuchtung, CT- oder MR-Bildgebung erfolgen. Die Punktionsstelle wird großflächig mit Povidon-Iod desinfiziert und mit sterilen Tüchern abgedeckt.
Schmerzstillende und entzündungshemmende Medikamente sollten am Interventionstag abgesetzt werden, da es sonst zu falsch-negativen Ergebnisse kommen kann. Bei stärkster Opiatabhängigkeit besteht umgekehrt die Gefahr von falsch-positiven Ergebnissen. In diesem Fall kann die Durchführung der Intervention unter intravenöser Opioidgabe erwogen werden.
Zugangsweg
Früher wurde für die Diskografie ein intrapedikulärer bzw. transduraler Zugang verwendet. Aufgrund der notwendigen zweifachen Duraperforation wird diese Technik nur in Sonderfällen und nie oberhalb von L2/L3 eingesetzt (wegen der Gefahr der Myelonverletzung).
Heutzutage wird in der Regel ein lateraler, extrapedikulärer Zugang benutzt.
Vorzugsweise wird die Bandscheibe von der Seite punktiert, die der schmerzhaften Seite gegenüberliegt, sodass der Einfluss des Einstichschmerzes auf die Gesamtwahrnehmung minimiert wird. Gibt der Patient einen eher zentralen Schmerz an, kann die Seite frei gewählt werden.
Sondierung
Es existieren 2-Sonden-Systeme, bei denen zunächst eine dickere Sonde (z.B. 18/22 G) bis zum Anulus vorgeschoben wird und anschließend eine dünnere Sonde (z.B. 22/25 G) in den Nucleus pulposus eingeführt wird. Des Weiteren existieren Systeme, mit denen die Druckabgabe und Messung des intradiskalen Drucks standardisiert durchgeführt werden können.
Lumbale Diskografie
Bei der lumbalen Diskografie wird der Patient in Bauchlage positioniert. Ein Kissen unter dem Becken verringert die Lordose. Mittels Navigationshilfe wird die Behandlungsebene im Lichtstrahl der CT-Gantry eingestellt und die Sondeneintrittsstelle auf der Haut markiert. Hilfreich ist weiterhin die Kippung der Gantry. Die Einstichstelle (ca. 4 bis 6 cm von der Mittellinie entfernt) wird zuerst lokal betäubt. Die Sonde kann ggf. manuell sanft vorgebogen werden. Anschließend wird bildgesteuert die Hohlnadel im 45- bis 60°-Winkel seitlich am Processus articularis superior vorbei medial zur austretenden Nervenwurzel durch das Neuroforamen vorsichtig in Richtung des posterolateralen Bandscheibensegments vorgeschoben. Ein stechender ausstrahlender Schmerz ist hinweisend auf einen Nervenwurzelkontakt, sodass die Sondenposition (meist in kaudale Richtung) korrigiert werden muss. Beim Durchtritt durch den Anulus verspürt man eine Widerstandsänderung. Dabei verspürt der Patient oft einen kurzen Schmerz. Sobald die Sondenspitze in der Mitte des Nucleus pulposus ist, kann mit der Injektion der Lösung begonnen werden.
Thorakale Diskografie
Die thorakale Diskografie ähnelt grundsätzlich dem lumbalen Vorgehen. Lediglich anatomische Besonderheiten wie die unterschiedliche Stellung der Facettengelenke sowie die Nähe zur Lunge müssen berücksichtigt werden.
Zervikale Diskografie
Für die zervikale Diskografie wird der Patient in Rückenlage positioniert und ein anterolateraler Zugang gewählt. Unter Bildsteuerung wird die Sonde zwischen den Weichteilen und Gefäßen sowie Ösophagus und Trachea vorgeschoben. Nach korrekter Platzierung wird Kontrastmittel injiziert.
Injektion
Die Injektion von Kontrastmittel wird bei erhöhtem notwendigem Druck nach Gabe von ca. 4 ml sowie bei Auftreten eines gleichmäßigen Schmerzes (> 6 von 10 Punkten) abgebrochen. Entscheidend ist die Kommunikation mit dem Patienten hinsichtlich folgender Aspekte:
- Treten Schmerzen auf oder eher ein Druckgefühl durch die Injektion?
- Treten die ihm bekannten Schmerzen auf (auch hinsichtlich der Verteilung)?
- Wie ist die Intensität der Schmerzen auf der VAS (0 - 10 Punkte)?
Standardkriterien für die Diagnose eines diskogenen Schmerzes sind:
- Übereinstimmender Schmerz
- Schmerz > 6 von 10 Punkten, der meist > 30 bis 60 Sekunden anhält.
- Druck von < 15 bis 50 psi über Eröffnungsdruck: Der Eröffnungsdruck liegt meist bei 5 bis 25 psi.
- Volumen: maximal 3,5 ml.
- Erfassung einer kompletten oder inkompletten Anulusruptur
- Negative Kontrolle (umliegende Bandscheibe): Teilweise wird die Diskographie der benachbarten Ebenen zur Kontrolle empfohlen.
- Schmerzhaftigkeit bei der Penetration des Längsbands und äußeren hinteren Anulus mit der Diskographiesonde.
Zur Schmerzausschaltung (für ca. 1 bis 4 Stunden postinterventionell) kann ein Lokalanästhetikum (z.B. Bupivacain) in die Bandscheibe injiziert werden.
Bei der diskogenen Infiltration werden nach korrekter Lage die entsprechenden Wirkstoffe verabreicht.
Monitoring
Während des Eingriffs sowie danach müssen die Patienten mittels Pulsoxymeter und Blutdruckmessung überwacht werden. Eine Überwachung für mindestens 2 h wird empfohlen. Für typischerweise 2 bis 7 Tage kann ein postinterventioneller Schmerz auftreten.
Kontraindikationen
Kontraindikationen für eine Diskographie sind:
- motorische Defizite,
- Kompression des Rückenmarks mit Myelopathie
- systemische Infektionen oder Entzündungen im Bereich der zu punktierenden Stelle
- fehlende Compliance
- Schwangerschaft
- Gerinnungsstörungen, Antikoagulation
- bekannte Allergien gegen die verwendeten Substanzen
- Postnukleotomiesyndrom: oft falsch-positives bzw. falsch-negatives Resultat
Kontraindikationen für eine diskogene Infiltration sind:
- nicht-diskogene Rückenschmerzen, negative Provokationsdiskographie
- aktive mäßige bis schwere lumbale Radikulopathie
- Bandscheibenvorfall (a.-p. Durchmesser des Spinalkanals < 5 mm auf der zu behandelnden Etage)
- Fraktur oder Wirbelsäulenoperation < 6 Monate
- aktive Infektion oder entzündliche Arthritis
- Steroidinjektion in der Wirbelsäule < 30 Tage
- Opioideinnahme > 30 mg/d Morphinäquivalent
- Tumorerkrankung < 5 Jahre (außer Basaliom oder Plattenepithelkarzinom der Haut)
- schwere psychische Krankheit
- Alkohol- oder Drogenmissbrauch in den letzten 5 Jahren
Komplikationen
Quellen
- Moser C, Grönemeyer D. Schnittbildgestützte Diskografie. In: Grönemeyer D, Hrsg. Mikrotherapie - Wirbelsäule. 1. Auflage. Stuttgart: Thieme; 2023
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