Atemregulation
Synonyme: Atmungssteuerung, Atemsteuerung
Englisch: control of ventilation
Definition
Unter Atemregulation fasst man die Steuerungsvorgänge zusammen, welche die Atmung bzw. die Ventilation an die aktuelle Stoffwechselsituation anpassen. Dadurch wird die ausreichende Versorgung der Körperzellen mit Sauerstoff gewährleistet.
Physiologie
Gesteuert wird die Atmung im Wesentlichen durch das Atemzentrum in der Medulla oblongata, das zum autonomen Nervensystem zählt. Eine Änderung des Atemzeitvolumens ist möglich über eine Anpassung der Atemfrequenz und des Atemzugvolumens.
Ausschlaggebend ist dabei die Reaktion von Chemorezeptoren auf den Kohlendioxid-Gehalt, beziehungsweise den Kohlendioxid-Partialdruck des Blutes. Übersteigt dieser einen gewissen Schwellenwert, setzt der Atemreiz ein. Rezeptoren, die auf den pH-Wert des arteriellen Blutes sowie einen Sauerstoffmangel (Hypoxie) reagieren, haben nur eine zweitrangige Bedeutung als Atemreiz.
Die Atemexkursionen des Thorax und des Zwerchfells werden durch die rhythmische Tätigkeit spezialisierter Neurone in der Medulla oblongata (u.a. der Prä-Bötzinger-Komplex), Pons und im oberen Halsmark koordiniert. Im respiratorischen Netzwerk lassen sich inspiratorische und exspiratorische Neuronen unterscheiden. Die Bildung der Steuerungsimpulse dieser Neuronen verläuft zwar autonom, wird aber ständig durch periphere Einflüsse an die Bedürfnisse des Körpers angepasst.
Mechanosensorische Atemreize
Bei körperlicher Anstrengung wird das Atemzentrum sowohl durch propriozeptive Signale aus der Muskulatur als auch durch eine zentrale Mitinnervation von motorischen Zentren stimuliert. Diese Feed-forward-Steuerung ermöglicht eine Anpassung der Atmung, noch bevor sich die Blutgase verändern:
- Propriozeptoren (Muskelspindeln, Gelenkrezeptoren) senden afferente Impulse über spinale Bahnen in die Medulla oblongata.
- Motorische Kortexareale, welche die Arbeitsmuskulatur aktivieren, erregen gleichzeitig die respiratorischen Neurone ("central command“).
Bei zu starker Lungendehnung verkürzt der Hering-Breuer-Reflex vermittelt über den Nervus vagus die Inspiration zum Schutz der Alveolen. Als Gegenstück zum Hering-Breuer-Reflex beendet der Head-Reflex auf einen Reiz (z.B. Kältereiz) eine forcierte Exspiration und führt zu einer tiefen Inspiration.
Der juxtakapilläre Reflex wird z.B. durch interstitielle Flüssigkeitsansammlungen (Lungenödem) ausgelöst und hemmt die Inspiration.
Während der Inspiration steigt die Herzfrequenz im Rahmen der vegetativen Steuerung des Herzens an (respiratorische Arrhythmie). Ursache ist die enge Verbindung zwischen dem Prä-Bötzinger-Komplex als zentralem Atemrhythmusgenerator und vegetativen Kerngebieten.
Chemosensorische Atemreize
Zentrale Chemorezeptoren in der Medulla oblongata messen den CO₂-Gehalt sowie den pH-Wert im Liquor. Eine Stimulation erfolgt bei Anstieg des CO₂-Gehalts oder einem Abfall des pH-Wertes. Unter Normalbedingungen ist der CO₂-Anstieg der stärkste Atemantrieb. Ein Anstieg des CO₂-Partialdrucks auf über 70 mmHg dämpft hingegen das Atemzentrum und führt zur CO₂-Narkose.
Periphere Chemorezeptoren liegen im Glomus caroticum. Diese werden ebenfalls durch einen Anstieg des CO₂-Partialdrucks und einem Abfall des pH-Wertes, zusätzlich aber auch durch einen Abfall des O₂-Partialdrucks aktiviert.
Eine Anpassung der Chemorezeptoren an längerfristig veränderte Partialdruckverhältnisse erfolgt schon nach wenigen Tagen. Insbesondere bei chronischer Hyperkapnie wird dann der erniedrigte O₂-Partialdruck zu einem starken Atemantrieb.
Eine metabolische Störung des Säure-Base-Haushalts kann durch Anpassungen der Atmung kompensiert werden. Ein niedriger pH-Wert stimuliert das Atmungszentrum, sodass es zur Hyperventilation kommt und vermehrt CO₂ abgeatmet wird. Ein zu hoher pH-Wert kann wiederum das Atmungszentrum dämpfen, sodass vermehrt CO₂ zurückgehalten wird.
Unspezifische Atemreize
Stimulierend auf das Atmungszentrum wirken:
- Fieber, Schmerz
- Leichte Hypothermie
- Progesteron (z.B. in der Schwangerschaft)
Pathologische Atmungsformen
Störungen der Atemregulation sind meist Ausdruck einer schweren Grunderkrankung. Typische Beispiele sind: