Respiratorische Sinusarrhythmie
Synonym: respiratorische Arrhythmie, RSA
Englisch: respiratory sinus arrhythmia, RSA
Definition
Als respiratorische Sinusarrhythmie, kurz RSA, bezeichnet man eine physiologische Herzfrequenzvariabilität in Synchronisation zur Atmung (Respiration).
Physiologie
Übersicht
Bei der Inspiration steigt die Herzfrequenz an, bei der Expiration nimmt sie wieder ab. Die Ursache dieser atemsynchronen Schwankung der Herzfrequenz ist aktuell (2019) noch Gegenstand der Forschung.
Ältere Erklärungsmodelle führen die respiratorische Sinusarrhythmie auf hämodynamische Effekte zurück. Während der Einatmung wird der intrathorakale Druck negativ, was zu einem erhöhten Blutrückstrom in die großen herznahen Venen führt. Das erhöhte Blutangebot soll über Rezeptoren im rechten Herzvorhof zu einer reflektorischen Frequenzsteigerung des Herzens führen. Dieser einfache Mechanismus ist mittlerweile umstritten.
Aktuell (2019) vermutet man, dass die RSA durch ein komplexes Steuerungssystem aus tonischen und phasischen Prozessen im zentralen und peripheren Nervensystem reguliert wird.[1] An der RSA beteiligte Systeme sind unter anderem:
- zentrale Mustergeneratoren, vor allem im Atemzentrum,
- die autonome Innervation des Herzens,
- der Barorezeptor- und Chemorezeptorreflex,
- Dehnungsrezeptoren in der Lunge
Die möglichen Einflüsse dieser Systeme werden in den folgenden Abschnitten näher erklärt.
Zentrale Mustergeneratoren
Zentrale Mustergeneratoren (CTGs) für die respiratorische Sinusarrhythmie sind neuronale Netzwerke in der Medulla oblongata. Dieses Netzwerk moduliert das autonome Nervensystem synchron zur Aktivität des Nervus phrenicus, jedoch unabhängig von der Lungenfüllung:
- Bei Inspiration wird der Nucleus dorsalis nervi vagi gehemmt und der Sympathikus aktiviert; folglich steigt die Herzfrequenz.
- Bei Expiration wird der Vaguskern leicht aktiviert und der Sympathikus leicht gehemmt; folglich sinkt die Herzfrequenz.
Autonome Innervation des Herzens
Der Sinusknoten des Herzens wird sowohl durch sympathische als auch parasympathische Fasern innerviert. Die parasympathischen Fasern (Nervus vagus) senken die Herzfrequenz, sympathische Fasern steigern sie. Obwohl respiratorische Rhythmen sowohl in sympathischen als auch in vagalen Nervenkernen gezeigt werden konnten, hat der Sympathikus wahrscheinlich nur einen geringen Einfluss auf die RSA.
Barorezeptoren
Barorezeptoren registrieren die Dehnung in den Gefäßwänden der Aorta und im Sinus caroticus und leiten die Impulse über den Nervus glossopharyngeus und Nervus vagus zum Nucleus tractus solitarii. Bei einer Veränderung des Blutdrucks reagieren sie durch Hemmung des Sympathikus (Barorezeptorreflex). Sie sind aber auch bei gleichbleibendem Blutdruck kontinuierlich aktiv und bewirken eine starke Aktivierung des Vaguskerns. Diese tonische Aktivierung führt bei der Expiration zum Absinken der Herzfrequenz. Bei Inspiration haben diese Rezeptoren nur einen geringen Effekt.
Chemorezeptoren
Periphere Chemorezeptoren im Glomus aorticum und Glomus caroticum registrieren Veränderungen im Sauerstoffpartialdruck, während zentrale Chemorezeptoren den Kohlendioxidpartialdruck des Blutes konstant halten. Eine experimentell induzierte Hyperkapnie vergrößerte die RSA ohne den Vagotonus bzw. die Herzfrequenz zu beeinflussen. Dies kann durch verbesserten Perfusion-Ventilation-Match zur Verkleinerung des Totraums führen. Eine experimentell induzierte Hypoxie erhöht die Herzfrequenz und den Blutdruck, vermindert aber die RSA.[2]
Dehnungsrezeptoren der Lunge
Ein wichtiger Mechanismus für die RSA ist die phasische Modulation der Vaguskerne durch das Atemzentrum und die pulmonalen Dehnungsrezeptoren ("pulmonary stretch receptors") in der Lunge. Der zentrale Mustergenerator für die Atmung aktiviert Neurone des Nervus phrenicus, die zur Inspiration und damit zur Aktivierung der pulmonalen Dehnungsrezeptoren führen. Die Dehnungsrezeptoren hemmen wiederum die respiratorischen Neurone des Atemzentrums. Das wird als Hering-Breuer-Reflex bezeichnet.
Funktion
Die Bedeutung der respiratorischen Sinusarrhythmie für den Organismus ist noch ungeklärt. Es wird vermutet, dass die RSA den pulmonalen Gasaustausch durch Anpassung der Ventilation an die Perfusion verbessert (Ventilation-Perfusion-Match).[2]
Klinische Bedeutung
Die respiratorische Arrhythmie ist ein Normalbefund, der vor allem bei Kindern und Jugendlichen auftritt.
Forschung
Die respiratorische Sinusarrhythmie kann als nichtinvasiver Marker der vagalen Kontrolle des Herzens angesehen werden. Entsprechend ist die Messung der RSA über Pulsoxymetrie oder EKG ein etabliertes Standardverfahren in der autonomen Funktionsdiagnostik zur Überprüfung der Parasympathikusaktivität. Weiterhin wird die RSA-Messung für eine Vielzahl an Studien verwendet:
- Studien zur Physiologie (Ausdauer, autonome Kontrolle, zirkadianer Rhythmus)
- Psychologische Studien (Stress, Aufmerksamkeit, Lernprozesse, Sozialverhalten)
- Klinische Studien (kardiovaskuläre Erkrankungen, Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom, Autismus, Schizophrenie)
Der kognitive und behaviorale Einfluss auf den RSA wird durch Projektionen höherer Hirnzentren auf die Mustergeneratoren erklärt.
Quellen
- ↑ Berntson GG et al. Respiratory sinus arrhythmia: autonomic origins, physiological mechanisms, and psychophysiological implications, Psychophysiology. 1993 Mar;30(2):183-96, abgerufen am 17.07.2019
- ↑ 2,0 2,1 Yasuma F, Hayano J Respiratory Sinus Arrhythmia, Chest, 125(2), 683-690, abgerufen am 17.07.2019
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