Topiramat
Handelsnamen: Topamax®, Topiramat®
Synonyme: McN 4853, USL255
Englisch: topiramate
Definition
Topiramat ist ein Arzneistoff mit antikonvulsiver Wirkung, der zur Behandlung der Epilepsie und zur Migräneprophylaxe eingesetzt wird.
Chemie
Topiramat ist ein Sulfamat-substituiertes Derivat des Monosaccharids D-Fructose. Die Summenformel ist C12H21NO8S. Chemische Namen sind:
- 2,3-4,5-Bis-O-(1-methylethyliden)-beta-D-fructopyranosesulfamat
- [(1R,2S,6S,9R)-4,4,11,11-Tetramethyl-3,5,7,10,12-pentaoxatricyclo[7.3.0.02,6]dodecan-6-yl]methylsulfamat (IUPAC)
Die molare Masse beträgt 339,36 g/mol, der Oktanol-Wasser-Koeffizient (logP) 1,29. Die CAS-Nummer lautet 97240-79-4. Die Substanz liegt bei Raumtemperatur als weißes Pulver vor, hat einen bitteren Geschmack und ist in Wasser löslich.
Wirkmechanismus
Ursprünglich wurde für Topiramat eine blutzuckersenkende Wirkung beschrieben.
Der antikonvulsive Wirkmechanismus von Topiramat ist nicht vollständig geklärt. Es werden verschiedene Mechanismen vermutet, die alle eine übermäßige Erregung der Nervenzellen im ZNS verhindern, u.a.:
- Blockierung der AMPA-Rezeptoren
- Bindung an GABA-A-Rezeptoren
- Inaktivierung spannungsabhängiger Natriumkanäle
- hochaffine Bindung an die α2δ-Untereinheiten von Calciumkanälen
Aktionspotentiale, die durch anhaltende Depolarisation der Neuronen ausgelöst wurden, werden durch Topiramat in einer zeitabhängigen Art geblockt, was auf eine zustandsabhängige Blockade des Natriumkanals hinweist.
Topiramat steigerte die Aktivierung von GABA-Rezeptoren durch GABA und induziert einen erhöhten Einstrom von Chloridionen in die Neuronen.[1]
Indikationen
Topiramat ist in indiziert als
- Monotherapie bei fokalen Krampfanfällen mit oder ohne sekundär generalisierte Anfälle und primär generalisierten tonisch-klonischen Anfällen
- Zusatztherapie bei fokalen Anfällen mit oder ohne sekundärer Generalisierung oder primär generalisierten tonisch-klonischen Anfällen
sowie zur
- Behandlung von Anfällen im Zusammenhang mit dem Lennox-Gastaut-Syndrom
- Prophylaxe von Migräne-Kopfschmerzen nach sorgfältiger Abwägung möglicher alternativer Behandlungsmöglichkeiten. Topiramat ist nicht vorgesehen für die Akutbehandlung.[2]
Off-label wird Topiramat u.a. bei Bulimia nervosa, Clusterkopfschmerz und Kokainabhängigkeit eingesetzt.
Darreichungsform
Topiramat steht in Form von Filmtabletten und Hartkapseln zur oralen Anwendung zur Verfügung.
Dosierung
Topiramat wird individuell und einschleichend dosiert. Folgende tägliche Dosierungen werden empfohlen:[1]
- Monotherapie bei fokalen Krampfanfällen mit oder ohne sekundär generalisierten Anfällen und primär generalisierten tonisch-klonische Anfällen:
- Erwachsene initial 25 mg; Dosisanpassung um 25 oder 50 mg alle ein bis zwei Wochen; Zieldosis 100 bis 200 mg; maximale Tagesdosis 500 mg (in Einzelfällen bis 1000 mg)
- Kinder über 6 Jahre initial 0,5 bis 1 mg/kgKG; Dosisanpassung um 0,5 oder 1 mg/kgKG alle ein bis zwei Wochen; Zieldosis 2 mg/kgKG
- Zusatztherapie bei fokalen Krampfanfällen mit oder ohne sekundär generalisierten Anfällen und primär generalisierten tonisch-klonische Anfällen sowie zur Behandlung bei Lennox-Gastaut-Syndrom:
- Erwachsene initial 25 mg; Dosisanpassung um 25 oder 50 mg alle ein bis zwei Wochen; Tagesdosis 200 bis 400 mg
- Kinder über 2 Jahre initial 1 bis 3 mg/kgKG; Dosisanpassung um 1 oder 3 mg/kgKG alle ein bis zwei Wochen; Zieldosis bis 30 mg/kgKG
- Migräne-Prophylaxe: Erwachsene initial 25 mg; wöchentliche Dosisanpassung um 25 mg; Zieldosis 100 mg; maximale Tagesdosis 200 mg
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Nebenwirkungen
Sehr häufige unerwünschte Wirkungen
- Gewichtsabnahme
- Parästhesien, Somnolenz, Schwindel
- Nausea, Diarrhö
- Nasopharyngitis
- Fatigue
- Depression
Häufige unerwünschte Wirkungen
- Allgemein: Gewichtszunahme, Anorexie, verminderter Appetit, Anämie
- Nervensystem: Aufmerksamkeitsstörung, Gedächtnisstörungen (Amnesie), kognitive Störungen, Eingeschränkte psychomotorische Fähigkeiten (mangelnde Fahrsicherheit), Konvulsion, Tremor, Lethargie, Hypästhesie, Nystagmus, Dysgeusie, Gleichgewichtsstörungen, Dysarthrie, Intentionstremor, Sedierung, Pyrexie, Asthenie, Gereiztheit, Gangstörung, Hypersensitivität, Bradyphrenie, Insomnie, Beeinträchtigung des sprachlichen Ausdrucksvermögens, Angst, Verwirrtheit, Desorientierung, Aggression, Agitiertheit, Stimmungsschwankungen, depressive Stimmung, Wut, anomales Verhalten
- Respirationstrakt: Dyspnoe, Epistaxis, verstopfte Nase, Rhinorrhoe
- Gastrointestinaltrakt: Erbrechen, Obstipation, Oberbauchschmerzen, Dyspepsie, Mundtrockenheit, orale Parästhesie, Gastritis
- Urogenitalsystem: Nephrolithiasis, Pollakisurie, Dysurie
- Muskuloskelettales System: Arthralgien, Muskelspasmen, Myalgie, Muskelzittern, Muskelschwäche, Brustschmerz
- Haut: Alopezie, Hautausschlag, Pruritus
- Auge: Diplopie, Sehstörungen
- Ohr: Vertigo, Tinnitus, Ohrenschmerzen
Hinweis zur Nephrolithiasis-Gefahr
Eine adäquate Flüssigkeitszufuhr während der Anwendung von Topiramat ist sehr wichtig. Die Flüssigkeitszufuhr kann das Risiko einer Nephrolithiasis reduzieren. Eine angemessene Flüssigkeitszufuhr vor und während Aktivitäten wie z.B. körperlichen Aktivitäten oder Wärmeexposition kann das Risiko von hitzebezogenen Nebenwirkungen reduzieren.
Schwangerschaft und Stillzeit
Bei Versuchstieren und beim Menschen passiert Topiramat die Plazenta. Im Nabelschnurblut wurden Konzentrationen bestimmt, die denen im mütterlichen Blut vergleichbar sind. Bei der Einnahme während des ersten Trimesters der Schwangerschaft besteht ein dosisabhängig erhöhtes Risiko (ungefähr 3-fach höhere Prävalenz) für schwerwiegende kongenitale Fehlbildungen, vor allem für Lippenspalte/Gaumenspalte, Hypospadien und Anomalien, die verschiedene Körpersysteme einschließen. Es wurde eine höhere Prävalenz von Neugeborenen festgestellt, die für ihr Gestationsalter zu klein oder zu leicht waren (Geburtsgewicht < 2500 g). Im Tierexperiment wirkt Topiramat teratogen.
Bei Frauen im gebärfähigen Alter wird empfohlen, alternative Therapiemöglichkeiten in Betracht zu ziehen. Vor dem Beginn der Behandlung mit Topiramat ist bei Frauen im gebärfähigen Alter ein Schwangerschaftstest durchzuführen. Wird Topiramat von Frauen im gebärfähigen Alter eingenommen, wird die Anwendung einer hochwirksamen Verhütungsmethode und eine vollständige Aufklärung über die bekannten Risiken einer unkontrollierten Epilepsie und die potentiellen Risiken des Arzneimittels für den Fötus empfohlen.[2]
Bei Versuchstieren und beim Menschen tritt Topiramat in die Muttermilch über. Bei gestillten Kindern, deren Mütter mit Topiramat behandelt wurden, traten Diarrhö, Schläfrigkeit, Erregbarkeit und unzureichende Gewichtszunahme auf. Ob das Stillen zu unterbrechen ist oder auf die Behandlung während der Stillzeit verzichtet werden soll, ist im Einzelfall zu entscheiden.[1]
ATC-Code
- N03AX11 - Antiepileptika
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 1,2 Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels Topiramat. ratiopharm. Abgerufen am 11.06.2023
- ↑ 2,0 2,1 Neue Beschränkungen zur Verhinderung einer Expo sition während der Schwangerschaft - Implementierung eines Schwangerschaftsverhütungsprogramms für Topiramat. Rote Hand Brief vom 02.11.2023. Abgerufen am 02.11.2023
Literatur
- Aktories K et al. Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie. 13. Aufl., München: Elsevier 2022
- Freissmuth M, Offermanns S, Böhm S. Pharmakologie und Toxikologie. 3. Aufl., Berlin : Springer 2020
- Geisslinger G et al. Mutschler Arzneimittelwirkungen: Pharmakologie - Klinische Pharmakologie - Toxikologie. 11. Aufl., Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2020
Weblinks
- Drugs.com - Topiramate. Abgerufen am 12.06.2023
- Drugbank - Topiramate. Abgerufen am 12.06.2023
- Pharmazeutische Zeitung Arzneistoffe - Topiramat. Abgerufen am 12.06.2023
- Gelbe Liste Wirkstoffe - Topiramat. Abgerufen am 12.06.2023
- PharmaWiki - Topiramat. Abgerufen am 12.06.2023
- PubChem: 5284627
- MeSH: 2027947