Rötelnembryopathie
nach dem australischen Augenarzt Sir Norman McAllister Gregg (1892-1966)
Synonyme: Konnatale Röteln, Rötelnembryofetopathie, Gregg-Syndrom, Embryopathia rubeolosa
Englisch: rubella embryopathy, fetal rubella syndrome
Definition
Die Röteln-Embryopathie ist eine durch diaplazentare Übertragung des Röteln-Virus von der Mutter auf den Embryo ausgelöste embryonale Erkrankung. Sie stellt eine schwerwiegende Komplikation der mütterlichen Röteln dar.
Bei Kindern und Erwachsenen verlaufen die Röteln in der Regel selbstlimitierend und ohne größere Komplikationen.
Nomenklatur
Erfolgt die Röteln-Infektion im ersten Trimenon, spricht man von einer Röteln-Embryopathie. Bei einer Infektion ab dem zweiten Trimester nutzt man korrekterweise den Begriff Röteln-Fetopathie. Der erste Begriff dominiert jedoch im klinischen Sprachgebrauch, da die Schädigungsrate ab dem zweiten Trimenon deutlich abnimmt.
Pathogenese
Infiziert sich eine Frau während der Schwangerschaft mit dem Röteln-Virus, kann dieses im Rahmen seiner generalisierten Ausbreitung im Körper über die Plazenta auf den Fetus übergehen. Die Infektion mit dem Rötelnvirus stört beim Fetus Zellteilungen und Differenzierungsvorgänge und führt entweder zum Abort oder zur Embryopathie und Röteln-Syndrom des Neugeborenenen. Die Schwangere selbst kann bei einem üblich milden Verlauf der Röteln asymptomatisch sein.
Epidemiologie
Die Rötelnembryopathie hat eine Inzidenz von 1 auf 10.000 Geburten. Diese niedrige Inzidenz ist auf die breitflächige Impfung (MMR-Impfung) und konsequente Pränataldiagnostik zurückzuführen.
Risiko
Je früher im Verlauf einer Schwangerschaft die Infektion der Mutter mit Röteln erfolgt, desto wahrscheinlicher ist eine Rötelnembryopathie. Das Risiko einer Embryopathie ist daher im ersten Trimenon am höchsten. Bei Infektion der Mutter vor der 12. Schwangerschaftswoche kommt es in etwa einem Drittel der Fälle zur Rötelnembryopathie. Im ersten Monat der Schwangerschaft wird das Röteln-Virus sogar zu 60 % auf den Embryo übertragen. Das Risiko fällt nach dem dritten Monat stetig bis auf ein Restrisiko von ca. 10 % im 4. Monat ab.
In den folgenden Abschnitten der Schwangerschaft ist das Risiko einer Übertragung relativ gering. Jedoch können auch im letzten Trimenon stattfindende Infektionen zur Schädigung des Feten führen.
Symptomatik
Die Röteln-Embryopathie kann eine Vielzahl von Fehlbildungen verursachen, hauptsächlich betroffene Organsysteme sind das ZNS, Auge, Ohr und Herz. Beobachtet werden:
- geistige Retardierung
- Hepatosplenomegalie, Hepatitis
- Petechien
- Mikrozephalie
- Enzephalitis
- Myokarditis
- Glaukom
- Katarakt
- Fehlbildungen der Retina
- Innenohrschwerhörigkeit bzw. Taubheit
- Kongenitale Herzfehler (häufig Ductus Botalli apertus, Pulmonalstenose, Fallot-Tetralogie)
- Wachstumsverzögerung
Die klassische Symptomtrias (Gregg-Trias) besteht aus angeborenem Herzfehler, Innenohrtaubheit und Katarakt.
Bei schwer verlaufenden Infektionen des Embryo kann es zum Abort kommen. Möglich ist jedoch auch eine neonatale Infektion ohne Fehlbildung oder eine nach der Geburt bestehende passagere Symptomatik. Bezüglich des klinischen Bildes ist der Übergang zur Röteln-Fetopathie oft nicht klar abgrenzbar, jedoch bestehen die Symptome dann in der Regel nur vorübergehend.
Etwa 10 % der infizierten Neugeborenen versterben (Mortalität) infolge der Erkrankung.
Diagnostik
Bei der charakteristischen Symptomkonstellation oder anamnestischen Hinweisen seitens der Mutter ist der Nachweis des Virus aus Blut, Urin oder Speichel anzustreben. Die Bestimmung des Immunstatus bei Schwangeren durch einen Hämagglutinationshemmtest und durch ELISA ist nur indiziert, wenn kein Nachweis über zwei Rötelnimpfungen vorliegt. Auch ein IgM-Nachweis beim Neugeborenen oder die Bestimmung eines IgG-Titers ab der 22. Schwangerschaftswoche sind möglich. Ein Nachweis über PCR kann in einem Chorionzottenbiopsat oder im Fruchtwasser durchgeführt werden.
Therapie
Nach Infektion des Embryo ist eine kausale Therapie nicht möglich. Ausschlaggebend ist daher die Prävention der Rötelnembryopathie durch Sicherung des mütterlichen Impfschutzes. Daher sollte vor geplanten Schwangerschaften ein Röteln-Titer bestimmt werden und bei nicht ausreichendem Schutz nachgeimpft werden.
Die Impfung einer bereits Schwangeren wird nicht empfohlen. Sie kann zu einer Infektion des Ungeborenen mit dem Impfvirus führen, hat aber in der Regel keine Röteln-Embryopathie zur Folge. Bei Kontakt einer Schwangeren mit an Röteln erkrankten Personen sollte innerhalb der folgenden zwei Tage eine passive Immunisierung mit Röteln-Antiserum durchgeführt werden - die Wirkung ist jedoch unsicher. Bei Nachweis von IgG-Antikörpern der Mutter ist eine Immunität durch Impfung oder vorherige Erkrankung anzunehmen. Die Schwangere sollte bis zum Ende des 4. Monats regelmäßig auf eine frische Infektion getestet werden.
Bei Nachweis einer Röteln-Infektion der Mutter (Klinik, Serologie) und abzusehenden Missbildungen des Kindes ist bis zum 4. Monat ein Schwangerschaftsabbruch in Erwägung zu ziehen.
Prophylaxe
Die wirksamste Prophylaxe ist die Impfung gegen Röteln. Die Masern-Mumps-Röteln-Schutzimpfung sollte nach aktueller (2019) Impfempfehlung der STIKO zum ersten Mal im Alter von 11 bis 14 Monaten und zum zweiten mal im 15. bis 23. Lebensmonat durchgeführt werden.[1]
Vor der Schwangerschaft sollte bei Schwangeren der Titer für Röteln-Antikörper bestimmt werden. Bei nicht ausreichendem Impschutz sollte die Impfung vor der Schwangerschaft nahgeholt bzw. aufgefrischt werden. Schätzungen zufolge haben bis zu 7 % der Schwangeren in Deutschland keine ausreichende Immunisierung gegen Röteln.
Quellen
- ↑ RKI - Epidemiologisches Bulletin, 22.08.2019, abgerufen am 23.09.2019