Gonorrhö
Synonym: Tripper, Gonorrhoea, GO, Gonorrhoe
Englisch: gonorrhea
Definition
Die Gonorrhö (GO) ist eine durch Infektion mit Neisseria gonorrhoeae hervorgerufene sexuell übertragbare Erkrankung (STD). Der Erreger wurde 1879 von Albert Neisser entdeckt.
Etymologie
Epidemiologie
Die Gonorrhö war bis zur Einführung der Antibiotika in die Therapie eine gefürchtete Geschlechtskrankheit. Mit der Verbreitung der Penicilline nahm die Inzidenz der Gonorrhö in den 1950er Jahren deutlich ab.
Laut einem Bericht der WHO von 2021 ist die Gonorrhö mit geschätzten 82,4 Millionen Neuerkrankungen in 2020 weltweit die zweithäufigste STD.[1] Durch die zunehmende Verbreitung von antibiotikaresistenten Erregerstämmen (insbesondere gegen Cephalosporine) gewinnt die Gonorrhö als Krankheitsbild daher zunehmend an Bedeutung.
Erreger
Neisseria gonorrhoeae ist ein gramnegatives diplokokkenförmiges Bakterium. Bei Infektion siedelt sich der Erreger in den Schleimhäuten an. Mögliche Eintrittspforten sind daher neben den Geschlechtsorganen (v.a. Urethra, Cervix uteri) auch der Pharynx, das Rektum und die Konjunktiven. Der Mensch ist der einzige Wirt für Neisseria gonorrhoeae. Die Inkubationszeit beträgt 3 bis 10 Tage.
Übertragung
Der Erreger der Gonorrhö ist gegenüber äußeren Einflüssen sehr empfindlich. Eine Infektion ist daher nur bei ungeschütztem Schleimhautkontakt, hauptsächlich in Form von Geschlechtsverkehr möglich. Eine "Handtuchinfektion" durch kontaminierte Gegenstände ist nahezu ausgeschlossen. Bei Kontakt erregerhaltiger Substanzen mit der intakten Haut ist in der Regel keine Infektion zu befürchten.
Klinik
Die Gonorrhö manifestiert sich bei Mann und Frau unterschiedlich. Beim Mann verläuft die Infektion zu etwa 90 % symptomatisch, bei der Frau hingegen nur zu 50 %. Je nach Eintrittspforte kann es auch zu Affektionen in atypischer Lokalisation (z.B. Pharyngitis, Proktitis) kommen.
Gonorrhö des Mannes
Beim Mann äußert sich die Gonorrhö zunächst in Form einer Urethritis. Die Urethritis äußert sich durch den Ausfluss von gelb-grünlichem Eiter (oft morgens als sog. "Bonjour-Tröpfchen"). Die Öffnung der Urethra ist meistens gerötet, die Miktion schmerzhaft (Dysurie, Algurie).
Bei Aufsteigen des Erregers entlang der Urethra kann es zur entzündlichen Beteiligung des Epididymis und der Prostata kommen. Ein in diesem Rahmen entstehender Verschluss der Samenkanälchen des Nebenhodens kann eine Infertilität bedingen.
Ein asymptomatischer Verlauf findet sich bei ca. einem Fünftel der betroffenen Männer.
Gonorrhö der Frau
Bei der Frau ist ein zunächst asymptomatischer Verlauf der Gonorrhö üblich (bis zu 70 % der Fälle). Die zunächst entstehende Urethritis und Zervizitis mit Dysurie wird von betroffenen Patientinnen häufig als banale Beschwerde fehlgedeutet. Weiterhin kann es zu einer Entzündung der Bartholin-Drüsen kommen.
Im weiteren Verlauf kommt es dann in ca. einem Viertel der Fälle allerdings zur aufsteigenden Infektion mit entzündlicher Beteiligung der inneren Geschlechtsorgane (Salpingitis, Oophoritis, Endometritis) und des Peritoneums. Folge ist häufig eine Tubensterilität.
Eine Vaginitis ist im Rahmen der Gonorrhö bei der erwachsenen Frau nicht möglich, da das Vaginalepithel nicht durch den Erreger durchdrungen wird.
Gonorrhö des Neugeborenen
Während des Durchtritts durch den Geburtskanal kann sich das Neugeborene bei der Mutter infizieren, wenn diese an einer Gonorrhö leidet. Häufig sind auch Chlamydien beteiligt. Die Infektion äußert sich dann als Gonokokken-Konjunktivitis (Gonoblenorrhö). Bei Neugeborenen wird deshalb bei Bedarf eine Credé-Prophylaxe durchgeführt.
Gonorrhö bei Kindern
Die Gonorrhö bei Mädchen führt zu einer Vulvovaginitis gonorrhoica infantum. Ihre Entstehung wird durch die fehlende Östrogenstimulation des Vaginalepithels vor der Pubertät begünstigt. Tritt eine Gonokkeninfektion bei Kindern auf, besteht immer der Verdacht auf einen sexuellen Missbrauch.
Extragenitale Infektion
Durch Infektionen im Rahmen von Oral- und Analverkehr entsteht eine Pharyngitis bzw. Proktitis.
Generalisierte Gonorrhö
Eine hämatogene Aussaat der Erreger ist bei der Gonorrhö unüblich (1 % der Fälle). Prädisponierende Faktoren sind dabei die Infektion mit bestimmten Stämmen von N. gonorrhoeae und Immundefekte.
Symptome einer generalisierten Infektion sind:
- Fieberschübe
- Vaskulitis der Akren (v.a. blutige Pusteln)
- Arthritis
- Endokarditis
- Sepsis
Diagnostik
Wegweisend ist der direkte lichtmikroskopische Nachweis des Erregers. Dazu wird das Sekret der Urethra bzw. der Zervix auf einen Objektträger ausgestrichen, hitzefixiert und mit der Gram-Färbung oder Methylenblau angefärbt. Unter dem Lichtmikroskop sind dann zwischen Granulozyten gelegene gramnegative Diplokokken zu erkennen.
Alternativ können die Erreger molekulargenetisch mithilfe einer Gonokokken-PCR aus dem Abstrich nachgewiesen werden.
Zur Sicherung der Diagnose sollte der Abstrich der mikrobiologischen Diagnostik (Anzucht in Kultur) zugeführt werden. In diesem Rahmen ist auch Resistenztestung möglich. Da die Erreger rasch absterben, schließt ein negativer kultureller Befund eine GO nicht aus.
Koinfektion
Eine Gonorrhö tritt häufig zusammen mit einer genitalen Chlamydien- und/oder Mykoplasmeninfektion auf. Diese sollte daher im Rahmen der Diagnostik immer einbezogen werden.
Der Patient sollte auf die Möglichkeit einer gleichzeitig zugezogenen Syphilis und/oder HIV-Infektion hingewiesen werden.
Prophylaxe
Die Prophylaxe besteht in der Verwendung von Kondomen beim Geschlechtsverkehr. Eine Impfung gegen Neisseria gonorrhoeae ist zur Zeit (2023) nicht verfügbar. In klinischen Studien konnte jedoch eine verminderte Infektionsrate unter Personen festgestellt werden, die gegen Meningokokken der Gruppe B geimpft waren.[2]
Therapie
Neisseria gonorrhoeae verfügt über ausgezeichnete Mechanismen der Resistenzentwicklung, was eine wirksame antimikrobielle Standardtherapie erschwert. Ein Resistenztest ist daher empfehlenswert. In Deutschland beinhaltet die kalkulierte Antibiotikatherapie der unkomplizierten Gonorrhö bei fehlendem Erregernachweis meist eine einmalige i.m.- oder i.v.- Gabe von 1 bis 2 g Ceftriaxon und die p.o.-Gabe von 1,5 g Azithromycin. Falls keine i.v. oder i.m.-Gabe möglich ist, wird einmalig 800 mg Cefixim und 1,5 g Azithromycin p.o. gegeben. Bei ausstehendem Therapieerfolg sollte ein Antibiogramm erstellt und die Therapie dementsprechend angepasst werden.
Auch im angelsächsischen Raum wird als First-Line-Therapie eine Kombination aus Azithromycin und Ceftriaxon empfohlen, gegen die allerdings auch schon erste Resistenzen aufgetreten sind.[3]
Bei einem Verlauf ohne Komplikationen ist alternativ die orale Gabe von Ciprofloxacin (Chinolon) oder Spectinomycin (Aminoglykosid) über einen ausreichend langen Zeitraum wirksam. Bei Problemen bezüglich der Compliance ist eine parenterale Therapie mit Ceftriaxon (Cephalosporin) zu empfehlen.
Die Gabe von Penicillin G bzw. Penicillin V ist nicht zu empfehlen, da insbesondere in Großstädten (z.B. London) viele Antibiotikaresistenzen bestehen. Auch gegen Cephalosporine und Chinolone treten weltweit mehr und mehr Resistenzen auf.
Komplizierte Verläufe erfordern die parenterale Gabe von möglichst breit wirksamen Antibiotika, die möglichst auch gegen Chlamydien wirken. Um einen Ping-Pong-Effekt vorzubeugen sollten Sexualpartner stets mitbehandelt werden.
Therapie von Kindern
Bei einer Gonokokkeninfektion bei Kindern über 2 Jahre und < 45 kg Körpergewicht werden einmalig 20 bis 50 mg/kgKG (max. 1 g) Ceftriaxon i.v. verabreicht.
Im Falle einer Ophthalmia neonatorum gilt folgendes Therapieschema:
- Körpergewicht von < 2.500 g: einmalig i.v. oder i.m. 50 mg/kgKG Ceftriaxon
- Körpergewicht von ≥ 2.500 g: einmalig 125 mg Ceftriaxon
Alternativ kann wie folgt therapiert werden:
- Neugeborene < 7. Lebenstag: 50 mg/kgKG Cefotaxim i.v. in 2 Einzeldosen für einen Tag
- Neugeborene > 7. Lebenstag: 100 mg/kgKG Cefotaxim i.v. in 3 Einzeldosen für einen Tag
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Meldepflicht
Seit einer Anpassung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) im Jahr 2022 sind alle Nachweise von Infektionen mit Neisseria gonorrhoeae in Deutschland meldepflichtig.[4]
Konsiliarlabor
Das Konsililabor für Gonokokken-Erkrankungen in Deutschland ist angesiedelt am Robert-Koch-Institut in Berlin. Das Labor sammelt Isolate von Neisseria gonorrhoeae, um die Resistenzentwicklung zu beobachten (Gonokokken-Resistenzsurveillance Go-Surv-AMR).
Literatur
- Laborlexikon.de; abgerufen am 29.03.2021
- aktuelle AWMF-Leitlinie Diagnostik und Therapie der Gonorrhoe; abgerufen am 29.03.2021
Quellen
- ↑ Gonorrhoea: latest antimicrobial global surveillance results and guidance for vaccine development, 22 November 2021 Departmental news, WHO.int, abgerufen am 12.12.2022
- ↑ Petousis-Harris H. et al.: Effectiveness of a group B outer membrane vesicle meningococcal vaccine against gonorrhoea in New Zealand: a retrospective case-control study. Lancet 2017
- ↑ UK case of Neisseria gonorrhoeae with high-level resistance to azithromycin and resistance to ceftriaxone acquired abroad. Health Protection Report Advanced Access Report Volume 12 Number 11 29 March 2018
- ↑ RKI - Umsetzung der neu eingeführten Meldepflichten nach §7 Abs. 3 IfSG: Meldung von Neisseria gonorrhoeae und Chlamydia trachomatis (Serotypen L1-L3), abgerufen am 07.06.2023
um diese Funktion zu nutzen.