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Erythropoetin

(Weitergeleitet von Erythropoietin)

von altgriechisch: ἐρυθρός ("erythros") - rot und ποιεῖν ("poiein") - machen
Handelsnamen: Erypo®, NeoRecormon®
Synonyme: Erythropoietin, Epoetin, erythropoetischer Faktor, Hämatopoeitin, Hämopoietin, EPO
Englisch: erythropoietin

1. Definition

Erythropoetin, kurz EPO, ist ein Glykoprotein-Hormon, das die Bildung der Erythrozyten aus Vorläuferzellen im Knochenmark (Erythropoese) steuert. Es gehört zur Gruppe der Zytokine.

2. Biochemie

2.1. Struktur

Chemisch gesehen ist humanes Erythropoetin Polypeptid aus 165 Aminosäuren. Die Molekülmasse beträgt etwa 34 kDa. Die Sekundärstruktur besteht aus vier α-Helices mit benachbarten Schleifen. Der Kohlenhydratanteil beträgt rund 40 % der gesamten Molekülmasse. Er setzt sich aus einer O-glykosidisch (Ser 126) und drei N-glykosidisch (Asn 24, Asn 38 und Asn 83) gebundenen Seitenketten zusammen.

2.2. Syntheseort

Bei Erwachsenen wird Erythropoetin hauptsächlich, d.h. zu 85 - 90 %, in der Niere gebildet, und zwar in den peritubulären Fibroblasten ("Norn-Zellen").[1][2] Von hier gelangt es auf dem Blutweg an seine Zielzellen im Knochenmark. Geringere Mengen (10 - 15 %) werden auch in den Leberzellen (Hepatozyten) synthetisiert. Umgekehrt ist das Verhältnis beim Fetus. Hier ist die Leber der primäre Ort der Erythropoetin-Synthese. Kurz nach der Geburt wird die Produktion jedoch reduziert.

Eine Erythropoetinsynthese findet in geringem Umfang auch in anderen Organen statt, u.a. im Gehirn, in der Gebärmutter, im Hoden, in Zellen der Haarfollikel und in der Milz. Im Gehirn wird EPO von Astrozyten und Neuronen produziert und stimuliert vermutlich bei Hypoxie die Proliferation neuronaler Stammzellen.[3]

2.3. Synthese

Der Stimulus für die Produktion von Erythropoetin ist eine verminderte Sauerstoffsättigung (Hypoxie) in den Nierenarterien. Sie führt zur Verlagerung der α-Untereinheit des "Hypoxie-induzierten Faktors" (HIF) vom Zytoplasma in den Zellkern der EPO-exprimierenden Zellen.

Im Zellkern bindet HIF-α an die zugehörige β-Untereinheit (HIF-β), wodurch das fertige Heterodimer HIF-1 entsteht. HIF-1 bindet an CREB und einen weiteren Transkriptionsfaktor, das p300. Dadurch entsteht ein Komplex aus 3 Proteinkomponenten, der durch Bindung an das 3'-Ende des EPO-Gens die Transkription in die zugehörige mRNA einleitet. In den Ribosomen erfolgt schließlich die Translation in das Protein Erythropoetin.

Bei normaler Sauerstoffsättigung wird HIF2-α konstant an 2 Prolinresten hydroxyliert. Diese Modifikation führt zur Bindung an das VHL-Protein. Der neu entstandene Molekülkomplex wird dann durch Ubiquitinligasen markiert und in den Proteasomen abgebaut. Auf diese Weise wird die EPO-Transkription unterdrückt.

Das zur medikamentösen Therapie verwendete, rekombinante Erythropoetin wird gentechnisch hergestellt.

3. Physiologie

Nachdem Erythropoetin in den Blutstrom ausgeschüttet worden ist, bindet es im Knochenmark an Erythropoetin-Rezeptoren auf der Membranoberfläche von Erythroblasten, was zur Teilung und Reifung der Zellen führt.

4. Labormedizin

Im Rahmen der erweiterten Anämiediagnostik kann der Erythropoetin-Spiegel bestimmt werden. Dies kommt zum Beispiel bei Dialysepatienten infrage. Zudem wird der Erythropoetin-Spiegel als Tumormarker zur Verlaufsbeurteilung bei Tumoren mit paraneoplastischer Erythropoetinbildung gemessen.

4.1. Material

Für die Diagnostik wird 1 ml Serum benötigt.

4.2. Referenzbereiche

Die normale Plasmakonzentration beträgt 5 bis 25 U/l.

Hinweis: Referenzwerte sind häufig vom Messverfahren abhängig und können von den o.a. Werten abweichen. Ausschlaggebend sind die Referenzwerte, die vom Labor angegeben werden, das die Untersuchung durchführt.

4.3. Erniedrigte Erythropoetinspiegel

Erniedrigte Erythropoetinspiegel finden sich insbesondere bei

Bei chronischen Entzündungen führen Entzündungsmediatoren wie Interleukin-1 und TNF-alpha zu einer Hemmung der EPO-Bildung. Dies trägt zur Entstehung einer Anämie bei chronischer Erkrankung bei.[4]

4.4. Erhöhte Erythropoetinspiegel

Erhöhte Erythropoetinspiegel finden sich unter anderem in folgenden Situationen:

5. Pharmakologie

Erythropoetin kann auch therapeutisch angewendet werden. Dabei werden verschiedene gentechnologisch hergestellte Erythropoetine unterschieden:

Weiterhin existiert ein gentechnologisches EPO-Analogon mit deutlich längerer Wirkdauer: Darbepoetin alfa (Aranesp®)

Je nach Präparat ist eine subkutane oder eine intravenöse Applikation möglich.

5.1. Indikationen

Indikationen sind insbesondere:

Weiterhin wird EPO missbräuchlich zur illegalen Leistungssteigerung (Doping) verwendet.

Darüber hinaus scheint Erythropoetin zusammen mit inflammatorischen Zytokinen und multipotenten Stammzellen im Rahmen einer topischen Anwendung die Wundheilung zu fördern und eine Narbenbildung zu vermindern. Bei einer nekrotisierenden Skleritis des Auges stimuliert EPO die Angiogenese, verringert die Apoptose und kann so einem Fortschreiten der Skleritis entgegenwirken. Der Einsatz von EPO bei diesen Indikationen erfolgt zur Zeit (2025) off-label.

In klinischen Studien wurde EPO zur Behandlung therapieresistenter Depressionen eingesetzt.[5]

5.2. Nebenwirkungen

Eine häufige Nebenwirkung ist eine dosisabhängige Blutdruckerhöhung mit Kopfschmerzen. Bei Malignompatienten kann es zu vermehrten thromboembolischen Komplikationen kommen. In Einzelfällen können Antikörper gegen Erythropoetin vorliegen (pure red cell aplasia).

Hauptursache einer unzureichenden EPO-Wirkung ist Eisenmangel, sodass bei einem Serumferritin unter 100 µg/l begleitend 200 bis 300 mg Fe2+ pro Tag verabreicht wird.

5.3. Kontraindikationen

Wichtige Kontraindikationen sind eine schwere Hypertonie sowie Durchblutungsstörungen (kardial, zerebral, peripher) incl. Thromboembolien. Weiterhin darf EPO nicht bei Kindern unter 3 Jahren sowie bei refraktärer Anämie mit Blastenexzess angewendet werden. Bei Epilepsie, Thrombozytose und chronischer Leberinsuffizienz besteht eine relative Kontraindikation.

6. Quellen

  1. Jelkmann, Regulation of erythropoietin production. J Physiol; 2011
  2. Kragesteen BK et al. The transcriptional and regulatory identity of erythropoietin producing cells. Nat Med. 2023
  3. Noguchi CT et al.: Role of erythropoietin in the brain Crit Rev Oncol Hematol. 2007 Nov; 64(2): 159–171. Published online 2007 May 4. doi: 10.1016/j.critrevonc.2007.03.001
  4. IMD Labor Berlin - Erythropoetin (EPO) und Anämie, abgerufen am 16.11.2022
  5. Miskowiak et al., Recombinant Human Erythropoietin for Treating Treatment-Resistant Depression: A Double-Blind, Randomized, Placebo-Controlled Phase 2 Trial - Neuropsychopharmacology, abgerufen am 14.01.2025

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