Wunderbaum
Synonyme: Rizinus, Ricinuspflanze, Christuspalme
Englisch: castor plant
Definition
Der Wunderbaum, botanisch als Ricinus communis bezeichnet, ist eine Gift- und Arzneipflanze aus der Familie der Wolfsmilchgewächse (Euphorbiaceae).
Eigenschaften
Es handelt sich um eine staudenartige Pflanze, die in Mitteleuropa als einjährige, etwa 2 m groß werdende Zierpflanze gedeiht. Die 5- bis 7-fach handförmig geteilten Blätter sind groß und wechselständig. Der Blütenstand ist eine endständige Rispe; dabei sind die männlichen Blüten unten und die weiblichen Blüten im oberen Teil der Rispe. Die stachelige Fruchtkapsel weist drei Fächer auf, welche mehrere Samen enthalten.
Pharmazeutische Drogen
Die Rizinuspflanze wird vor allem in Indien, China und Brasilien angebaut. Weitere Anbaugebiete befinden sich in Teilen der Ukraine, Kaukasus, Paraguay, Thailand und Äthiopien. Im Folgenden werden die pharmazeutischen Drogen und deren Inhaltsstoffe angegeben, welche der die Pflanze liefert.
Semen Ricini
Semen Ricini, Wunderbaum-Samen: oval geformte, abgeflachte Samenfrucht des Wunderbaums. Glatte und meist variabel gefleckte Oberfläche. 9-22 mm lang und 6-15 mm breit. Die Samen zeichnen sich durch ihren Gehalt an Rizinusöl aus und sind durch den Gehalt von Ricin stark toxisch.
Oleum Ricini
Oleum Ricini, Rizinusöl: fettes Öl, das durch Kaltpressung der geschälten Samen gewonnen wird, bestehend aus den Triglyceriden Ricinolsäure (80-87%), Ölsäure, Linolsäure, Palmitinsäure, Stearinsäure und Dihydroxystearinsäure. Da Ricin nicht lipidlöslich (fettlöslich) ist, ist das Rizinusöl frei von Ricin (es verbleibt bei der Kaltpressung im Samen). Rizinusöl hat einen hohen Stellenwert in der chemischen Industrie und in der Pharmazie. Die Anwendung als Laxans erfolgt nur noch selten.
Toxikologie
Ricin ist ein Eiweiß-Giftstoff aus der Gruppe der Toxalbumine. Es hat bei peroraler Aufnahme für den Menschen eine mittlere letale Dosis von 1 mg/ kg Körpergewicht. Bei Applikation in die Bauchhöhle wird die letale Dosis bei einer Maus mit 0,10 Mikrogramm/ kg Körpergewicht angegeben. Für Kinder sind 5 bis 6 Samen, für Erwachsene 10 bis 20 Samen tödlich.
Weiterhin ist das toxische Alkaloid Ricinin, ein Pyridin-Derivat, in allen Pflanzenteilen nachweisbar. Die Samen enthalten 0,2 %, getrocknete Blätter und Blütenstände zwischen 0,32 und 0,55 % Ricinin.
Wirkmechanismus
Auf molekularer Ebene wirkt Ricin durch Hemmung der Proteinbiosynthese in den Zellen. Zugrunde liegt dabei eine Interaktion mit den Ribosomen, welche daraufhin inaktiviert werden.
Symptome
Die ersten Anzeichen der Intoxikation treten erst nach einer Latenzzeit von mehreren Stunden bis Tagen auf. Diese sind Symptome einer schweren Gastroenteritis, Übelkeit, Emesis, Schwächegefühl, Tachykardie, Unterleibsschmerzen, Flüssigkeitsverlust (u.a. Diarrhoe → Exsikkose), Halsschmerzen, bronchiale Beschwerden, Krämpfe, Mydriasis und Nierenversagen. Der Tod kann durch Atemlähmung eintreten. Des Weiteren besitzt Ricin hämagglutinierende und proteolytische Eigenschaften. Hautkontakt und Einatmen von ricinhaltigen Stäuben (z.B. bei Arbeiten in einer Rizinusmühle) kann zu allergischen Symptomen führen.
Therapie
Es liegt kein spezifisches Antidot vor, demnach muss die Therapie einer Intoxikation mit Rizinussamen symptomatisch erfolgen. Im Vordergrund stehen resorptionsvermindernde Maßnahmen (frühstmöglich Aktivkohle, Natriumsulfat) und Magenspülung. Bei Krämpfen kann auf Benzodiazepine zurückgegriffen werden. Die Möglichkeit der künstlichen Beatmung ist sicherzustellen. Wichtig ist weiterhin eine ausreichende Zufuhr von Flüssigkeit und Elektrolyten. Ein ggf. auftretender Schock wird intensivmedizinisch behandelt.
Hinweise
Ricin ist als potentieller chemischer Kampfstoff eingestuft, welcher am wirksamsten ist, wenn er intravenös oder inhalativ appliziert wird. Geringe Dosen Ricin verringern experimental ferner das Wachstum bestimmter Tumoren, wodurch die Substanz für die Forschung von Interesse ist.
Literatur
- Roth et al.: Giftpflanzen - Pflanzengifte, Nikol Verlag, Karlsruhe/ München, 2008.