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Sauerstoffgabe im Rettungsdienst

Synonym: Sauerstoffabgaberichtlinie im Rettungsdienst

1. Definition

Die Sauerstoffgabe im Rettungsdienst ist situationsbedingt und v.a. krankheitsbezogen geregelt und festgelegt. Die Richtwerte unterliegen den aktuellen Studien der Notfallmedizin und müssen deshalb regelmäßig geschult und angepasst werden.

2. Hintergrund

Medizinischer Sauerstoff ist ein Notfallmedikament. Die Anwendung am Patienten setzt daher die Mindestqualifikation Rettungssanitäter voraus. In Bayern gilt eine Sonderregelung, hier wird offiziell ein Notarzt zur Sauerstoffgabe benötigt.

Die Notwendigkeit zur Sauerstoffgabe ergibt sich aus der Patientenbeurteilung (ABCDE-Schema, SAMPLE-Schema) oder dem Notfallbild (Polytrauma). Mit Hilfe der Pulsoxymetrie kann man die Sauerstoffsättigung (SpO2) nichtinvasiv messen und die Sauerstoffgabe entsprechend anpassen.

3. Ziel

Ziel der Sauerstofftherapie ist es, eine bestehende Ischämie oder Hypoxämie zu beenden, um einen bleibenden Zellschaden zu verhindern und Organfunktionen wiederherzustellen. Durch maximale Ausschöpfung der Sauerstoffkapazität mit Verbesserung der zellulären Sauerstoffversorgung sollen die negativen Effekte einer verminderten regionalen Perfusion reduziert werden.

4. Abgabemengen

In der Praxis wird die Abgabemenge von Sauerstoff in drei Fälle untergliedert, wobei sich diese auf das Vorhandensein einer Pulsoxymetrie beziehen:

4.1. Sauerstoffgabe ohne SpO2-Monitoring

Indikation: Sauerstoffabgabemenge:
alle Notfallpatienten aller Altersklassen 6-8 l/min
Z.n. Rettung aus vergifteter Atmosphäre 15 l/min
Schädel-Hirn-Trauma 15 l/min
Thoraxtrauma 15 l/min
Polytrauma 15 l/min
akute Atemwegsbehinderung mit Zyanose 15 l/min
schwere Atemnot mit Zyanose 15 l/min
Tauchunfall 15 l/min
Hyperventilation kein Sauerstoff!

4.2. Sauerstoffgabe mit SpO2-Monitoring

4.2.1. Patient mit Atemnot

In der Notfallmedizin wird meistens schon beim Ersteindruck oder bedingt durch das Notfallgeschehen häufig entschieden, dass der Patient 15 l/min Sauerstoff benötigt. Gleichzeitig leitet eine schwere Atemnot, spätestens bei Beurteilung des "B" beim ABCDE-Schema dazu, 15 l/min Sauerstoff zu verabreichen. Hier erfolgt eine unverzügliche Sauerstoffgabe, wobei erst im Anschluss ein Pulsoxymeter angelegt wird.

4.2.2. Patient ohne Atemnot

Nach dem Eintreffen der Sanitäter wird der Patient sofort über das ABCDE-Schema beurteilt, wobei parallel die apparative Diagnostik beginnt. Da das Anlegen des Fingersensors rasch erfolgen kann, sollte dies als Erstes erledigt werden. Anhand des SpO2-Wertes wird die Sauerstoffmenge so eingestellt, dass der angestrebte Zielwert (Tabelle unten) erreicht wird. Kann der Zielwert ohne zusätzliche Sauerstoffgabe erreicht werden (z.B. durch Anleitung richtiger Atmung), wird auf die Sauerstoffgabe verzichtet.

Indikationen: SpO2-Messergebnisse Zielwerte:
alle Patienten 94-98 %
Patienten mit einem akuten Koronarsyndrom (ACS) 94-96 %
Patienten mit bekannter COPD/Asthma ohne Zyanose, nach einer erfolgreichen Reanimation 88-92 %

5. Kontraindikation

Bei Intoxikation mit Paraquat ist die Sauerstoffgabe kontraindiziert.

Das Risiko einer Atemdepression bei hyperkapnischen Patienten (z.B. bei COPD) muss wegen das Risiko von hypoxischen Folgeschäden abgewogen werden. Da sich jedoch der Patient unter durchgängiger intensiver Überwachung befindet, relativiert sich das Risiko einer Atemdepression.

6. Messfehler

Es muss unbedingt beachtet werden, dass bei der Pulsoxymetrie auch Messfehler auftreten können. Auslöser für falsche Werte können sein:

  • Bei einer bestehenden Zentralisation (z.B. Unterkühlung, Schock) werden periphere Körperteile schlecht durchblutet. Aufgrund dieser Tatsache kann es zum Ausfall der Messung kommen bzw. falsch negative Werte angezeigt werden.
  • Nagellack, künstliche Fingernägel, Schmutz, Blut oder Handcreme können ebenso das Messergebnis verfälschen oder zu gar keinem Ergebnis führen.
  • Bei einfachen Pulsoxymetern, die nur zwei Wellenlängen messen, kann es im Falle einer Kohlenmonoxidvergiftung zu falsch positive Werte kommen, da diese Geräte nicht zwischen der Art der Hämoglobinsättigung unterscheiden können.
Erscheint die erfolgte Messung nicht zuverlässlig, sollte Sauerstoff immer so verabreicht werden, als würde kein Pulsoxymeter zur Verfügung stehen!

7. Diskussion

In den letzten Jahren wird der Nutzen einer großzügigen Sauerstoffgabe zunehmend angezweifelt, da Sauerstoff auch schädliche Effekte hat.[1] Gefürchtet werden:

  • Verstärkung inflammatorischer Reaktionen durch hohe Sauerstoffkonzentrationen v.a. während der Reperfusion nach Ischämie
  • Verschlechterung der Perfusionsverhältnisse um ischämische Areale durch sauerstoffgetriggerte Vasokonstriktion

Mögliche negative Effekte von Sauerstoff entstehen vermutlich durch erhöhte Sauerstoffpartialdrücke (z.B. über 300 mmHg), nicht durch einen erhöhten Sauerstoffgehalt.

Während in einigen Studien die Sauerstoffgabe mit einem schlechteren Outcome assoziiert war, konnten andere Untersuchungen (z.B. DETO2X-AMI[2]) keine nachteiligen Effekte zeigen. Auch die Leitlinienempfehlungen unterscheiden sich je nach Fachgesellschaft und Indikation. Der Deutsche Berufsverband Rettungsdienst e.V. empfiehlt eine hochdosierte Sauerstoffgabe für alle als zunächst "potentiell kritisch" eingeschätzten sowie für nach dem ABCDE-Schema als kritisch eingeschätzten Patienten. Dabei sollten 15 l/min über High-flow-Masken mit Reservoirsystem (FiO2 von 0,85) oder Demandsysteme mit aufgesetzter Maske (FiO2 von 1,0) verabreicht werden. Im Verlauf sollte dann die Notwendigkeit der Sauerstofftherapie unter Berücksichtigung der pulsoxymetrisch gemessenen Sauerstoffsättigung erneut evaluiert werden.[3]

8. Quellen

  1. Kill C et al. mSauerstoff in der Notfallmedizin, Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2013; 48: 84-89, abgerufen am 18.03.2020
  2. Hofmann R et al. Oxygen Therapy in Suspected Acute Myocardial Infarction, N Engl J Med 2017; 377:1240-1249, abgerufen am 18.03.2020
  3. DBRD-Stellungnahmee 2019, abgerufen am 18.03.2020

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