Polymerase-Proofreading-assoziierte Polyposis
Synonym: Polymerase-Proofreading-abhängige adenomatöse Polyposis
Englisch: Polymerase proofreading-associated polyposis
Definition
Die Polymerase-Proofreading-assoziierte Polyposis, kurz PPAP, ist ein seltenes, autosomal-dominant vererbtes Tumorprädispositionssyndrom. Es wird durch Keimbahnmutationen in den DNA-Polymerasen ε und δ verursacht, die für die Korrekturleseaktivität („proofreading“) während der DNA-Replikation verantwortlich sind. Das Syndrom wurde erstmals 2013 beschrieben.
Ätiologie
Drei DNA-Polymerasen α, δ und ɛ sind für die DNA-Replikation essenziell. Nach Initiierung der DNA-Synthese durch die Polymerase α übernehmen die Polymerasen δ oder ɛ den Folge- bzw. Leitstrang.
Die DNA-Polymerasen ε und δ besitzen eine 3’ → 5’-Exonukleaseaktivität, die Fehler beim DNA-Einbau korrigiert und somit eine hohe Genauigkeit bei der Replikation gewährleistet. Mutationen in den proofreading-Domänen führen zu einer stark erhöhten Mutationsrate („ultramutator-Phänotyp“) und fördern so die Entstehung von Neoplasien. Die Vererbung erfolgt autosomal-dominant, meist mit hoher Penetranz.
Die verantwortlichen Gene der DNA-Polymerasen sind POLE (Polymerase ε) und POLD1 (Polymerase δ). Mutationen in diesen Genen sind Schätzungen zufolge für 0,1–0,4 % der familiären Krebsfälle (insbesondere Darmkrebs) verantwortlich. Daneben existieren Hinweise auf das vermehrte Auftreten von Tumoren außerhalb des Kolons vor, z.B. Endometrium-, Hirn-, Brust-, Eierstock-, Magen-, Pankreas- und Hauttumoren.
Klinik
Das klinische Bild ähnelt dem anderer Polyposis-Syndrome, insbesondere der familiären adenomatösen Polyposis coli (FAP):
- Entwicklung multipler kolorektaler Adenome, oft bereits im jungen Erwachsenenalter
- hohes Risiko für kolorektale Karzinome
- erhöhte Inzidenz weiterer Tumoren, z. B. Endometriumkarzinome, Magenkarzinome, Hirntumoren oder Brustkrebs
Die Anzahl der Polypen ist meist niedriger als bei klassischer FAP, dennoch besteht eine erhebliche Gefahr einer malignen Entartung.
Diagnostik
Die Diagnose basiert auf dem klinischen Bild (Polyposis, familiäre Tumorhäufung) und einer molekulargenetischen Testung auf Mutationen in POLE und POLD1.
Therapie und Management
Es existieren keine spezifischen kurativen Therapien. Das Management orientiert sich an Strategien für andere hereditäre Polyposis-Syndrome:
- frühzeitige engmaschige endoskopische Überwachung des Kolons ab (Koloskopie) ab dem 15. Lebensjahr, bei unauffälligem Befund ab dem 20. Lebensjahr jährlich
- Ösophagogastroduodenoskopie spätestens ab dem 30. Lebensjahr, bei nachgewiesenen Adenomen jährlich, sonst alle 3 Jahre
- Polypektomie oder, bei hoher Polypenlast, prophylaktische Kolektomie
- gynäkologische Vorsorgeuntersuchungen bei Frauen aufgrund des Endometriumkarzinomrisikos: transvaginale Sonographie und Gebärmutterschleimhautbiopsie ab dem 35. Lebensjahr jährlich (bei Frauen mit POLD-1 Mutation)
- genetische Beratung für betroffene Familien.
- Bei Frauen kann die Möglichkeit einer risikoreduzierenden Entfernung von Gebärmutter und Eierstöcken nach abgeschlossener Familienplanung im Einzelfall erwogen werden
Da Tumoren bei PPAP oft eine extrem hohe Mutationslast aufweisen, könnten immunonkologische Therapien (z. B. Checkpoint-Inhibitoren) eine besondere Wirksamkeit entfalten. Dieser Ansatz befindet sich derzeit in der Forschung.
Literatur
- Briggs et al.:Germline and somatic polymerase ε and δ mutations define a new class of hypermutated colorectal and endometrial cancers. J Pathol., 2013
- Mur et al.: Role of POLE and POLD1 in familial cancer. Genet Med. 2020
- Universitätsklinikum Dresden: Polymerase-Proofreading-assoziierte Polyposis (PPAP), zuletzt abgerufen am 22.09.2025
- Nationales Zentrum für erbliche Tumorerkrankungen, Universitätsklinikum Bonn: Polymerase Proofreading-assoziierte Polyposis (PPAP). Zuletzt abgerufen am 22.09.2025