Leishmaniasis braziliensis
Englisch: Leishmaniasis braziliensis
Definition
Leishmaniasis braziliensis ist die durch Erreger der Spezies Leishmania braziliensis des Leishmanien-Subgenus Viannia verursachte zoonotische kutane oder mukokutane Leishmaniose, deren Endemiegebiete in Süd- und Mittelamerika inkl. Mexiko gelegen sind.
Besonderheit der Viannia-Infektionen
Spezielles Merkmal dieser Leishmanienspezies (wie auch anderer Viannia-Erreger) ist eine hämatogene oder lymphogene Disseminierung, die bei nicht systemisch behandelter kutaner Primärinfektion in ca. 5% der Fälle Monate oder Jahre später zum Auftreten einer mukokutanen Leishmaniose im Nasen-Rachenraum führt.
Vektoren und Reservoirwirte
Bis vor wenigen Jahrzehnten war Leishmania braziliensis nur in den Urwäldern Süd- und Mittelamerikas beheimatet. In der Folge großflächiger Abholzungen hat der Erreger seinen Lebensraum verändert und neue peridomestische Vektoren und neue peridomestische Reservoirwirte für seinen neuen Lebensraum, nämlich neue Siedlungen und Plantagen (Kakao, Kaffee, Waldwirtschaft) auf gerodeten Flächen in Urwaldnähe gefunden.
Leishmania braziliensis wird durch den Stich weiblicher Sandmücken der Gattung Lutzomyia übertragen. Einige Lutzomyia-Spezies haben sich als Kulturfolger erwiesen, wobei fehlende Abfallbewirtschaftung und unzureichende sanitäre Einrichtungen im gewonnenen Neuland oft die Anlage von Brutstätten begünstigen.
Traditionelle Reservoirwirte der früheren Urwälder Süd- und Mittelamerikas sind, soweit bekannt, verschiedene Nagetiere, Beuteltiere (insbesondere Opossums), Edentaten und eine Anzahl anderer bodenbewohnender Kleinsäuger. In den letzten Jahrzehnten wurden in peridomestischen waldnahen Gebieten auch vermehrt Hunde als Reservoirwirte für Leishmaniasis braziliensis identifiziert.
Immunstatus
Leishmanien gelingt es, nach Aufnahme durch Phagozytose in den Makrophagen des Immunsystems vor der Immunabwehr des Körpers geschützt zu überleben und sich dort zu vermehren. Nach Zerstörung der Wirtszelle dringt ein Teil der freigesetzten Leishmanien in andere Makrophagen ein. Der Krankheitsverlauf hängt vor allem vom Erreger Leishmania braziliensis (eventuell noch in einer für ein Endemiegebiet erregergenetisch-spezifischen oder Infektionskreislauf-typischen Ausprägung) und vom Immunstatus des Patienten ab.
Formen
Kutane Leishmaniasis braziliensis
Als erstes Symptom der kutanen Leishmaniasis braziliensis (CL) wird zunächst eine Papel an der stets unbedeckten Einstichstelle des Vektors festgestellt. Diese expandiert im Verlauf mehrerer Wochen zu einer ulzerierenden runden bis ovalen kraterförmigen, bis zu mehrere cm breiten schmerzlosen Läsion mit einem niedergedrückten flachen, zum Teil verkrusteten Kraterinneren und einem erhabenen Kraterrand. Zusätzliche Läsionen, meistens in der Umgebung der Einstichstelle, sind möglich.
Die Inkubationszeit beträgt im Durchschnitt 2-3 Monate, variiert aber zwischen 2 Wochen und 2 Jahren.
Die Läsionen (insbesondere Einzel-Läsionen) heilen wie auch bei anderen Leishmaniosen häufig - aber nicht immer - von allein ab. Die Selbstheilungsdauer kann bis zu 3 Jahre betragen, häufig heilen die Läsionen jedoch nach 6 Monaten oder schneller aus. Selbstheilung ist bei Viannia-Leishmaniosen nicht mit einer lebenslangen oder langjährigen Immunität gegen den gleichen oder gegen verwandte Erreger verbunden.
Selbstheilung hinterlässt oft sehr unschöne hypopigmentierte atrophe Narben, in die bisweilen hyperpigmentierte Flecken eingelagert sein können. Besonders nach Läsionen im Gesicht sind die zurückbleibenden eingesunkenen Narben für die Patienten äußerst problematisch und psychisch belastend. Durch eine frühzeitig begonnene Therapie kann diese Narbenbildung teilweise eingeschränkt werden.
Mit dem Ziel der Verhinderung der späteren mukokutanen Erkrankung soll jede kutane Viannia-Leishmaniose systemisch behandelt werden. Es kann aber auch durch eine systemische Therapie der spätere Ausbruch einer mukokutanen Erkrankung nicht vollständig ausgeschlossen werden.
Mukokutane Leishmaniose
Die mukokutane Leishmaniose (MCL) tritt bei Viannia-Infektionen im Durchschnitt bei weniger als 5% der kutan Erkrankten auf, und zwar wenige Monate bis mehr als 20 Jahre nach der Erstinfektion. Mehr als 90% der mukokutanen Fälle entfallen in Südamerika auf Leishmaniasis braziliensis. Besondere Risikofaktoren aus der vorherigen kutanen Phase sind Läsionen oberhalb der Gürtellinie, große und multiple Läsionen, späte Heilung der primären Läsionen und (biologisches) männliches Geschlecht.
Mindestens 2/3 der Symptome treten im Anfangsstadium an Schleimhäuten der Nase auf, und zwar zunächst meist an der Nasenscheidewand. Auch betroffen sein können Schleimhäute von Gaumen, Rachen, Kehlkopf und Luftröhre.
Milde Symptome sind Erytheme, Erosionen, weiter Knoten und Granulome mit späterer Ulzeration und Verkrustung, zusätzlich eine permanent verstopfte oder laufende Nase sowie Nasenbluten.
Die für mukokutane Leishmaniose typische Perforation der Nasenscheidewand oder das Auftreten milder Symptome in mehreren Geweben werden als moderate Krankheitsausprägung eingestuft, ebenso häufige Heiserkeit sowie permanente hyperämische Schwellungen der Nasenhaut.
Schwerwiegende Symptome sind Gewebedestruktionen und schließlich schwerste Entstellungen im Nasen-, Mund- und Rachenraum sowie der Lippen. Zusätzlich überlagern fast immer Infektionen, bedingt durch in die befallenen Gewebe eingedrungene Bakterien, die mukokutanen Symptome. Diese schwerwiegendsten Symptome führen ohne systemische Behandlung besonders unter Mitwirken der Sekundärinfektionen häufig zum Tod.
Zwischen dem Auftreten der ersten milden Symptome und dem letzten Stadium mit schwersten Entstellungen vergehen im Allgemeinen mehrere Jahre.
Disseminierte kutane Leishmaniose
In seltenen Fällen (in Brasilien in ca. 2% aller Fälle) führt eine hämatogene Aussaat der Erreger zu einer Disseminierten kutanen Leishmaniose mit pleomorphen Läsionen in mehreren Körperregionen.
Rezidivierende kutane Leishmaniose
Auch eine südamerikanische Variante der rezidivierenden kutanen Leishmaniose wird in der medizinischen Literatur erwähnt.
Diagnostik
In Deutschland orientieren sich Diagnose und Behandlung an Personen, die sich auf einer Reise mit Leishmaniose infiziert haben. Bei einem Verdacht auf eine kutane oder mukokutane Leishmaniose folgt einer klinischen Begutachtung und der Entnahme einer Biopsie als heutiger Goldstandard ein PCR-Test mit anschließender Speziesbestimmung via Leishmanien-DNS.
In nur ca. 70% aller Fälle wird in Süd- und Mittelamerika der klinische Befund durch eine Labordiagnostik bestätigt. Betrachtet man nach einem Montenegro-Test die Diagnose noch nicht als gesichert, so soll gemäß nur partiell umgesetzten Leitlinien für den kostenlosen medizinischen Dienst noch die Entnahme einer Gewebeprobe mit einer anschließenden mikroskopischen Untersuchung erfolgen. Im mukokutanen Fall soll noch ein PCR-Test durchgeführt werden, falls bei der mikroskopischen Untersuchung keine Leishmanien gefunden werden. Wegen eines nicht funktionierenden Postsystems ist eine Diagnose vor Ort in Endemiegebieten unter Einschaltung eines zentralen Labors erschwert bis unmöglich.
Therapie
In Süd- und Mittelamerika werden alle amerikanischen Formen kutaner Leishmaniose unter dem Begriff (spanisch) Leishmaniasis tegumentaria americana, abgekürzt "LTA", zusammengefasst. Im Auftrag des jeweiligen Gesundheitsministeriums eines Landes erfolgt durch das zentrale Labor des Gesundheitssystems eine Speziesbestimmung pro Endemiegebiet. Eine Speziesbestimmung pro Patient hält man (auch aus Kostengründen) für nicht erforderlich. Man wählt die Behandlung so, dass diese für alle im Land vorkommenden Spezies geeignet erscheint. Da Leishmania braziliensis als virulentester Viannia-Erreger gilt und für ca. 90% aller südamerikanischen LTA-Fälle verantwortlich ist, ist zumindest in Südamerika die Behandlung vor allem auf diesen Erreger hin abgestimmt. Die Entscheidung für eine bestimmte Behandlung erfolgt über Symptome und aufgrund einer sehr rudimentären Labordiagnostik, nicht über die Leishmanienspezies.
Verschiedene teurere Wirkstoffe (z.B. Liposomales Amphotericin B, Miltefosin) wurden zwar in südamerikanischen Studien getestet, sind aber abseits von Studien für eine kostenlose Behandlung in Südamerika nicht tatsächlich verfügbar.
Gemäß Leitlinien soll in allen südamerikanischen Ländern und auch in Deutschland SB5+ (pentavalentes Antimon) als ein Mittel erster Wahl verabreicht werden, und zwar 20 mg/kg pro Tag intramuskulär oder intravenös, für CL (kutane Leishmaniose) über 20 Tage, für MCL (mukokutane Leishmaniose) über 30 Tage (in einigen Ländern nur über 28 Tage). Die deutschen Leitlinien sehen nur die intravenöse Applikation und zusätzlich die Gabe von Pentoxifyllin oral zu 400 mg/8 h für den jeweiligen Zeitraum vor.
Pentamidin wird in Deutschland (Präparat Pentacarinat®) für CL als ein Mittel erster Wahl in der Form 4 mg/kg pro Einzeldosis, max. 300 mg pro Einzelinjektion, 3 Einzelinjektionen innerhalb von 7 Tagen oder 2 Einzelinjektionen innerhalb von 48 Stunden vorgeschlagen. In einigen südamerikanischen Ländern wird Pentamidin (in anderen Ausprägungen und etwas anderen Verabreichungsformen) in Leitlinien als Mittel zweiter Wahl für CL erwähnt, in bestimmten Ländern auch für MCL unter Verabreichung einer erheblich größeren Anzahl an Dosen. Gemäß WHO ist Pentamidin für Leishmaniasis braziliensis weniger effizient.
In Südamerika wird Amphotericin B Desoxycholat als Mittel zweiter Wahl eingesetzt, in Brasilien z.B. 1.0 mg/kg (max. 50 mg) mittels Infusion täglich oder jeden 2. Tag, für CL Gesamtdosis 1.0-1.5 g, für MCL Gesamtdosis 2.5-3.0 g. Wenn SB5+ aufgrund z.B. kardiologischer Vorerkrankungen kontraindiziert ist, wenn kardiotoxische Nebenwirkungen am Therapieort nicht angemessen kontrolliert werden können oder wenn SB5+ nicht verfügbar ist, dürfte Amphotericin B Desoxycholat das am meisten verwendete Präparat in Südamerika sein.
In Deutschland wird das teurere, aber nebenwirksamärmere Liposomale Amphotericin B verwendet, und zwar 2–3 mg/kg pro Tag mittels Infusion, für CL bis zu einer Gesamtdosis 20–40 mg/kg, bei MCL bis zu einer Gesamtdosis von 40-60 mg/kg.
Das oral verabreichbare und mit den geringsten Nebenwirkungen verbundene Miltefosin (150 mg pro Tag über 28 Tage für Personen von mehr als 45 kg) wird für CL in den deutschen Leitlinien (in Abhängigkeit vom Endemiegebiet) als ein Mittel erster Wahl genannt und in den Leitlinien einiger südamerikanischer Länder, zum Teil auch für MCL, als Mittel zweiter oder dritter Wahl ebenfalls erwähnt. Im Durchschnitt aller Fälle beträgt der Heilungserfolg des für eine kostenlose Abgabe zu teuren Medikaments für Leishmaniasis braziliensis aber nur 60%.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Kosten
Klinische Begutachtung, Labordiagnostik und Behandlung sind in der großen Mehrheit der südamerikanischen Länder kostenfrei. In Deutschland werden die Kosten (Leishmanienspezies-abhängige Therapie eingeschlossen) von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen.
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