Kronbeinfraktur (Pferd)
Synonym: Fractura phalangis media
Englisch: fractures of the middle(second) phalanx, pastern bone fractures
Epidemiologie
Kronbeinfrakturen treten vor allem an der Hintergliedmaße bei mittelalten Pferden auf. Besonders gefährdet sind Westernpferde aufgrund der schnellen Start- und Stoppbewegungen sowie engen Wendungen.
Ätiologie
Die Auslöser einer Kronbeinfraktur sind vielfältig. Neben direkten traumatischen Einwirkungen von außen kommen auch sekundäre Frakturen infolge anderer Erkrankungen (z.B. Osteochondrose) in Frage.
Pathogenese
Osteochondrale Frakturen entstehen durch direkte Verletzungen des Kronbeins (z.B. penetrierende Wunde), als Avulsionsfraktur oder infolge einer Osteochondrose. Frakturen der Kronbeinbasis hingegen werden durch heftige Kompressions- sowie Rotationsbewegungen (z.B. abruptes Stehenbleiben oder enge Wendungen) oder während einer Hyperextension im Gelenk (z.B. Landung nach einem Sprung) verursacht.
Einfache Längsfrakturen sind meist die Folge wiederkehrender Traumata, wohingegen Trümmerfrakturen durch eine heftige Krafteinwirkung von außen (z.B. Kombination aus Kompression und Torsion) entstehen.
Klassifizierung
Anhand dem Verlauf der Frakturlinien sowie der Anzahl der Knochenfragmente können folgende Fraktur-Typen unterschieden werden:
- Frakturen der Kronbeinbasis (artikulär, abaxial bzw. biaxial)
- Trümmerfraktur
- Querfraktur
- Schrägfraktur (non-artikulär, artikulär)
- Längsfraktur (uni- bzw. biartikulär)
Klinik
Das klinische Bild hängt von der Art der Fraktur ab und, ob gewichtstragende Knochenabschnitte betroffen sind oder nicht. Abhängig davon zeigen betroffene Pferde eine akut einsetzende und hochgradige oder eine chronische, belastungsinduzierte Lahmheit. Die Lahmheit nimmt mit vermehrter Belastung zu.
Eine Schwellung der Kronbeinregion ist nicht immer vorhanden, wohingegen die Palpation sowie Extension, Flexion und Rotation der Zehengelenke äußerst schmerzhaft ist.
Diagnose
Die Verdachtsdiagnose wird mithilfe einer ausführlichen Anamnese (plötzlich einsetzende Lahmheit), einer abgekürzten klinischen und einer ausführlichen orthopädischen Untersuchung gestellt. Anhand der erhobenen Befunde sollte bei Verdacht auf eine Fraktur auf das Vorführen in schnellen Gangarten (z.B. Trab) sowie die Durchführung von diagnostischen Anästhesien (insbesondere Leitungsanästhesien) verzichtet werden. Durch die zusätzliche Belastung im Trab sowie der Desensibilisierung der betroffenen Region können weitere Verletzungen (z.B. Dislokation der Frakturstücke) entstehen.
Die Diagnose ist mit Röntgenbildern in mindestens vier Ebenen zu sichern:
- dorsopalmar/plantarer Strahlengang
- lateromedialer Strahlengang
- dorsomedial-palmaro/plantarolateral-obliquer Strahlengang
- dorsolateral-palmaro/plantaromedial-obliquer Strahlengang
In unklaren sowie komplizierten Fällen (z.B. Trümmerfrakturen) kann eine Computertomographie (CT) Aufschluss über die einzelnen Frakturstücke und die genauen Frakturlinien geben.
Therapie
Die Therapie hängt von der Art der Fraktur, den finanziellen Mitteln der Patientenbesitzer und der weiteren Nutzung des Tieres ab.
Osteochondrale Frakturen
Frakturen, die entweder das Hufgelenk oder das Krongelenk betreffen, sind chirurgisch zu versorgen. Die Knochenfragmente werden hierbei arthroskopisch (palmarer/plantarer Recessus) entfernt.
Kronbeinbasis-Fraktur
Abaxiale sowie biaxiale Kronbeinbasis-Frakturen sind mit einer Arthrodese zu versorgen. Der alleinige Einsatz von Zugschrauben führt zu nicht befriedigenden Ergebnissen, da es zur Ausbildung einer Arthrose mit chronischer Lahmheit kommt. Die Arthrodese ist daher unbedingt mit verschiedenen Plattensystemen durchzuführen. Anschließend ist die Gliedmaße mit einem Castverband zu stützen.
Alternativ kann in gesonderten Fällen auch ein sogenannter Transfixations-Pin-Cast oder ein ähnliches Fixateur-externe-System angewendet werden. Diese Verfahren sind jedoch komplikationsreich.
Trümmerfraktur
Trümmerfrakturen, bei denen ein Großteil des Kronbeins intakt bleibt (längsverlaufender Anteil vom Kron- zum Hufgelenk), sollten mittels Platten und Schrauben fixiert werden. Frakturen mit großen Knochenfragmenten sind ähnlich zu versorgen. Trümmerfrakturen, bei denen die einzelnen Knochenanteile jedoch zu klein für die Versorgung mittels Platten und Schrauben sind, müssen mit einem Transfixations-Pin-Cast (oder einem anderen Fixateur-externe-System) stabilisiert werden.
Die Kombination aus einer dorsal angebrachten Platte und einer gleichzeitig durchgeführten Krongelenkarthrodese zeigt die besten Resultate.
Prognose
Die Prognose hängt von verschiedenen Faktoren ab (Fraktur-Typ, Alter, Zustand der beteiligten Gelenke, finanzieller Rahmen u.ä.) ab.
Osteochondrale Frakturen, die mittels Arthroskopie versorgt werden, zeigen eine sehr gute Prognose. Betroffene Pferde können nach adäquater Therapie häufig wieder in den Sport zurückkehren. Uni- sowie biaxiale Kronbeinbasis-Frakturen lassen sich ebenso gut behandeln. Nach einer Arthrodese des Krongelenks sind viele Pferde lahmheitsfrei. Trümmerfrakturen sind deutlich komplizierter und mit mehr Komplikationen behaftet. Die Prognose hängt von den Knochenfragmenten und der Art der Versorgung ab.
Pferde mit schwerwiegenden Verletzungen sind aus tierschutzrechtlichen Gründen zu euthanasieren.
Literatur
- Baxter GM. 2011. Adams and Stashak's Lameness In Horses. Sixth edition. Wiley-Blackwell Publishing, Ltd. ISBN: 978-0-8138-1549-7/2011.
- Brehm W, Gehlen H, Ohnesorge B, Wehrend A (Hrsg.). 2017. Handbuch Pferdepraxis. 4., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Enke Verlag in Georg Thieme Verlag KG. ISBN: 978-3-13-219621-6
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