Hypohidrotische ektodermale Dysplasie
Synonym: anhidrotische ektodermale Dysplasie (obsolet)
Englisch: hypohidrotic ectodermal dysplasia
Definition
Die hypohidrotische ektodermale Dysplasie, kurz HED, ist eine genetisch bedingte Störung des Ektoderms bzw. der Bildung ektodermaler Strukturen. Sie gehört zu den ektodermalen Dysplasien.
- ICD-10-Code: Q82.4
Einteilung
Bei der hypohidrotischen ektodermalen Dysplasie werden anhand der Vererbung verschiedene Subtypen definiert, die sich klinisch jedoch nicht wesentlich voneinander unterscheiden. Zu den Subtypen gehören:[1][2]
- Christ-Siemens-Touraine-Syndrom (CST-Syndrom/ X-linked HED): Häufigster Subtyp (ca. 80 %), die zugehörigen Mutationen des EDA-Gens werden X-chromosomal-rezessiv vererbt
- autosomal-rezessive HED: Mutationen im EDAR-, EDARDD- oder WNT10A-Gen, die autosomal-rezessiv vererbt werden
- autosomal-dominante HED: Mutation im EDAR-, EDARDD- oder WNT10A-Gen, die autosomal-dominant vererbt werden
- HED mit Immunschwäche: sehr selten, X-chromosomal-rezessiv vererbbare Mutationen des IKBKG-Gens (Mutationen in diesem Gen können auch Incontinentia pigmenti verursachen)
In wenigen Fällen wurden Mutationen in den Genen LEF1, LRP6 oder TRAF6 nachgewiesen.[2]
Epidemiologie
Ätiologie
Ursache der HED sind verschiedene Mutationen (z.B. Missense oder Loss-of-Function), die verschiedene Komponenten des Ektodysplasin-A-Systems betreffen und zu Störungen der zugehörigen Signalkaskade führen.
Das Signalmolekül Ektodysplasin-A (EDA) steuert die Differenzierung und das Wachstum verschiedener ektodermaler Strukturen, vor allem der Haut, der Schweißdrüsen, der Haare und der Zähne. Es bindet in Form von zwei Spleißvarianten (EDA1 und 2) an zwei verschiedene Rezeptoren der TNFR-Superfamilie – EDAR und XEDAR (EDAR2). Diese aktivieren die NF-κB- und JNK-Signalwege und regulieren dadurch die Expression verschiedener Wachstumsfaktoren (z.B. Wnt, BMP, FGF).[3]
Klinik
Die Symptome der hypohidrotischen ektodermalen Dysplasie sind variabel. Unter anderem kommt es zu:[1]
- Hypo- oder Anhidrose mit daraus resultierender Hitzeintoleranz. Diese kann zu wiederholten Hyperthermie-Episoden führen, die vor allem im Kindesalter Hirnschäden auslösen und manchmal zum Tod führen.
- Hypo- oder Atrichose (verminderte oder fehlende Körperbehaarung).
- Hypo- oder Adontie (abnorme oder fehlende Zähne). Die Zähne sind teilweise konisch und brechen verspätet durch.
- Gesichtsdysmorphien, z.B. Sattelnase, Mikrognathie, vorgewölbte Stirn
- trockene, dünne, z.T. hyperkeratotische Haut
- Trockenheit der Augen und nasopharyngealen Schleimhäute Überträger der Erkrankung (beim X-chromosomal- oder autosomal-rezessivem Erbgang) können z.T. Zahn- und Haaranomalien aufweisen.
Diagnostik
Zur Diagnose werden u.a. Schweißtests (z.B. Ninhydrin- oder Minor-Test), Hautbiopsien und Graphitabdrücke der Hände oder Füße durchgeführt. Die mikroskopische Darstellung der Haut zeigt i.d.R. das Fehlen von Schweißdrüsen. Die Diagnose wird durch eine molekulargenetische Untersuchung gesichert.
Therapie
Eine Kausaltherapie der hypohidrotischen ektodermalen Dysplasie existiert derzeit (2024) nicht. Die Supportivtherapie besteht aus:
- konsequentem Hitzeschutz
- engmaschiger zahnmedizinischer und kieferorthopädischer Betreuung
Bei einer HED mit Immunschwäche steht die Infektbehandlung im Vordergrund. Evtl. kommt eine Stammzelltransplantation in Frage.
Derzeit (2024) wird an möglichen vorgeburtlichen Behandlungsmaßnahmen des CST-Syndroms geforscht.[4]
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 Schneider, Dysplasie, ektodermale hypohidrotische auf OrphaNet, 2012. Abgerufen am 06.05.2024.
- ↑ 2,0 2,1 2,2 Wright, Grange, Fete, Hypohidrotic Ectodermal Dysplasia. In: GeneReviews. University of Washington, 2003 (Aktualisiert 2022).
- ↑ Cai et al, Ectodysplasin A/Ectodysplasin A Receptor System and Their Roles in Multiple Diseases. Frontiers in Physiology, 2021.
- ↑ Bundesministerium für Bildung und Forschung, Wirksamkeit und Sicherheit eines ins Fruchtwasser verabreichten Ektodysplasin-A1-Ersatzproteins als vorgeburtliche Behandlungsmöglichkeit für Jungen mit X-chromosomaler hypohidrotischer ektodermaler Dysplasie, 2020.
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