Hajdu-Cheney-Syndrom
Synonyme: autosomal-dominante Akroosteolyse, Akrodentoosteodysplasie, Cheney-Syndrom
Englisch: Hajdu-Cheney syndrome, Arthrodentoosteodysplasia
Definition
Das Hajdu-Cheney-Syndrom, kurz HCS, ist eine äußerst seltene, autosomal-dominant vererbte Form der Akroosteolyse. Es ist gekennzeichnet durch einen fortschreitenden Knochenabbau der distalen Phalangen, Osteoporose, kraniofaziale Fehlbildungen und Zahnanomalien.
Epidemiologie
Bisher (2025) sind weltweit weniger als 100 Fälle beschrieben.
Ätiopathogenese
Das HCS wird durch eine heterozygote Mutation im Exon 34 des NOTCH2-Gens verursacht. Diese Veränderungen verhindern den normalen Abbau des Notch2-Rezeptorproteins, wodurch die intrazelluläre Domäne des Rezeptors aktiv bleibt. Es handelt sich um eine Gain-of-Function-Mutation mit gesteigerter Notch-Signalübertragung, die eine vermehrte Aktivierung von Entwicklungs- und Differenzierungssignalen in diversen Geweben zur Folge hat. Sie stört sowohl die frühe Knochenentwicklung als auch das spätere Knochenremodeling, indem die Resorption von Bestandsknochen erhöht und/oder die Neubildung von Knochen verringert wird.[1] Neben der autosomal-dominanten Vererbung sind auch de-novo-Mutationen beschrieben.[2][3]
Symptome
Im Säuglingsalter zeigen sich häufig nur geringfügige Gesichtsanomalien, die sich im Kindesalter verstärken. Weitere Symptome können diverse Organsysteme betreffen und variabel ausgeprägt sein.
- Skelettsystem[4][3]
- Akroosteolyse der distalen Finger- und Zehenphalangen, die oft mit Schmerzen oder Parästhesien einhergeht
- schwere Osteoporose mit pathologischen Frakturen und Wirbelkörperkollaps, was zu Kleinwuchs und Kyphoskoliose führt
- verzögerter Verschluss der Suturen und Fontanellen
- Kraniofaziale und dentale Merkmale[2]
- grobes Gesicht mit verwachsenen Augenbrauen (Synophrys), Hypertelorismus, tief angesetzten Ohren, langem Philtrum, niedriger Nasenwurzel und Mikrognathie
- hoher oder gespaltener Gaumen, Zahnfehlstellungen, frühzeitiger Zahnverlust sowie Parodontitis
- Hörstörungen, meist in Form einer Schallleitungsschwerhörigkeit
- Kardiovaskuläres System[4]
- In einigen Fällen wurde über angeborene Herzfehler wie einen persistierenden Ductus arteriosus, Vorhof- oder Ventrikelseptumdefekte und Anomalien der Aortenklappe berichtet. Echokardiographische Screeninguntersuchungen werden daher empfohlen.
- Nieren und Harnwege[3]
- Ein Teil der Patienten entwickelt polyzystische oder dysplastische Nieren, renale Zysten und gelegentlich eine Niereninsuffizienz. Das sogenannte Serpentine-Fibula-Polyzystische-Nieren-Syndrom gilt heute als Manifestationsspektrum des HCS.
Diagnostik
Die Diagnose wird durch das charakteristische klinisch-radiologische Bild in Kombination mit einer molekulargenetischen Analyse des NOTCH2-Gens gestellt. Radiologisch zeigen sich Akroosteolyse, Osteopenie, Wirbelkörperverformungen und Worm-Knochen. Mittels CT oder MRT kann eine kraniozervikale Instabilität erfasst werden. Das genetische Screening bestätigt die Mutation in Exon 34.
Differentialdiagnose
Eine Abgrenzung zu anderen Osteolysesyndromen (z.B. familiäre digitale Akroosteolyse, Winchester-Syndrom, Torg-Syndrom) und zu Osteoporoseformen wie der Osteogenesis imperfecta ist erforderlich. Differentialdiagnostisch sollten auch das Alagille-Syndrom Typ 2 und andere Notch-assoziierte Erkrankungen bedacht werden.[2]
Therapie
Eine kausale Therapie existiert nicht. Das Management ist multidisziplinär und richtet sich nach den jeweiligen Organmanifestationen. Es umfasst:
- Therapie der Osteoporose, z.B. mit Bisphosphonaten, Denosumab, Vitamin-D- und Kalziumsubstitution sowie physiotherapeutische Maßnahmen[5]
- regelmäßige bildgebende Kontrollen bei kraniozervikaler Instabilität. Bei neurologischen Symptomen ist eine chirurgische Dekompression oder Fusion notwendig.[1]
- kardiologische Evaluation und gegebenenfalls operative Korrektur
- nephrologische Überwachung und Behandlung bei Niereninsuffizienz[4]
- Behandlung von Hörverlust mit Hörgeräten
- Therapie einer oberen Atemwegsobstruktion
- zahnmedizinische Betreuung, kieferorthopädische Maßnahmen und frühzeitigen Zahnersatz[2]
- genetische Beratung[5]
Prognose
Die Lebenserwartung ist in der Regel nicht stark verkürzt, die Prognose hängt jedoch vom Ausmaß der Organbeteiligung ab. Schwere kraniozervikale Instabilität, basiläre Impression und thorakale Deformitäten können lebensbedrohlich werden. Häufige Frakturen und Osteoporose können zu eingeschränkter Mobilität führen. Eine frühzeitige Diagnose, engmaschige Überwachung und symptomorientierte Behandlung können den Verlauf verbessern.[4][2]
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 MedlinePlus: Hajdu-Cheney syndrome, zuletzt abgerufen am 10.10.2025
- ↑ 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 Orphanet: Hajdu-Cheney-Syndrom, zuletzt abgerufen am 10.10.2025
- ↑ 3,0 3,1 3,2 Rarediseases.com: Hajdu-Cheney-Syndrom Ursachen, zuletzt abgerufen am 10.10.2025
- ↑ 4,0 4,1 4,2 4,3 Cortes-Martin et al.: Hajdu-Cheney Syndrome: A systematic Review of the Literature. Int J Environ Res Public Health, 2020
- ↑ 5,0 5,1 https://rarediseases.org/rare-diseases/hajdu-cheney-syndrome/